Corona oder Erkältung? Wann Sie mit Husten lieber zu Hause bleiben sollten

Achtung, Viren! Im Büro zu niesen und zu husten, das war noch nie kollegial. In einer Pandemie wieder dieser ist erst recht Vorsicht geboten. Quelle: Unsplash

In Zeiten von Corona wirft selbst eine Erkältung Fragen auf: Reicht Husten für eine Krankschreibung? Dürfen Kollegen ins Homeoffice flüchten oder der Chef Fieber messen? Ein Überblick.

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Ist das noch Schnupfen oder schon was Ernstes? In diesem Herbst fragen sich viele schon beim Kratzen im Hals, ob sie wirklich ins Büro fahren sollten. Schließlich sorgt ein Husten in Zeiten steigender Coronainfektionen auch bei den Kollegen schnell für Unwohlsein. Aber geht das überhaupt? Einfach zu Hause bleiben, weil der Hals kratzt?

Klar ist die Lage, wenn zum Husten Fieber dazukommt. „Bleiben Sie zu Hause, wenn Sie Krankheitszeichen haben, die auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 hindeuten können. Dazu zählen insbesondere Husten, erhöhte Temperatur oder Fieber, Kurzatmigkeit, Verlust des Geruchs- / Geschmackssinns, Schnupfen, Halsschmerzen, Kopf- und Gliederschmerzen oder allgemeine Schwäche“, heißt es auf einer Informationsseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Solche Symptome müssten von einem Arzt abgeklärt werden.

Und der Online-Ratgeber des DGB Rechtsschutzes stellt auf die Frage „Darf der Arbeitgeber mich nach Hause schicken, wenn ich huste und Fieber habe?“ klar: „Er muss es sogar.“ Bis ein Arzt diagnostiziere, dass der Patient nicht mit dem Virus infiziert ist, gelte der Beschäftigte als arbeitsunfähig.

Nur mit Husten zu Hause bleiben?

Komplizierter wird es bei weniger eindeutigen Symptomen. Wie sollen sich Beschäftigte verhalten, die Schnupfen, leichten Husten, aber kein Fieber haben? Eine pauschale Empfehlung fällt selbst Experten schwer. Denn neben dem persönlichen Befinden müssen Ärzte aktuell auch andere Faktoren berücksichtigen.

„Ob eine Krankschreibung nötig ist, hängt in jedem Einzelfall mit dem Ausmaß der Beschwerden und dem jeweiligen Arbeitsplatz des Mitarbeiters zusammen“, sagt Susanne Johna, erste Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund. „Jemand, der starken Schnupfen hat und wegen häufigem Naseputzen immer wieder die Maske abnehmen muss, sollte eher nicht in einem Bereich arbeiten, in dem Kontakt mit Risikogruppen besteht“, sagt die Oberärztin für Krankenhaushygiene. Als Risikogruppen gelten Menschen ab 60 Jahren, chronisch Kranke, Schwangere sowie Medizin- und Pflegepersonal. Johna erwartet: „Insofern wird die Schwelle für Krankschreibungen in diesem Jahr eher niedriger sein.“

Selbst bei milden Krankheitszeichen sollte im Zweifel lieber der Hausarzt um Rat gefragt werden, rät das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). „Erkrankungssymptome einer SARS-CoV-2-Infektion gilt es frühzeitig ärztlich abklären zu lassen, um die betriebliche Infektionskette schnellstmöglich zu unterbrechen“, sagt eine Sprecherin. Ob ein Beschäftigter krankgeschrieben werden müsse, liege letztlich im Ermessen des behandelnden Arztes.

Nicht eindeutig geklärt ist die Frage, ob ein Arbeitgeber einen lediglich hustenden Beschäftigten gegen dessen Willen nach Hause schicken darf – etwa weil die Kollegen sich unwohl fühlen. Arbeitsrechtler sprechen hier von einem „überwiegenden Freistellungsinteresse des Arbeitgebers“. Dies kann sich laut Bundesarbeitsministerium aus der Fürsorgepflicht für die Mitarbeiter und den arbeitsschutzrechtlichen Pflichten ergeben. „Maßgeblich bei der Abwägung sind die Umstände des Einzelfalles“, sagt eine Sprecherin.

Homeoffice bei Erkältung

Wenn der hustende Beschäftigte vorübergehend von den Kollegen getrennt wird, wäre das immerhin ein Kompromiss. Denkbar sind dabei Einzelbüros oder der Umzug ins Homeoffice, empfiehlt Ärztevertreterin Johna. Das BMAS weist aber darauf hin, dass die Arbeit von zu Hause zuvor vereinbart worden sein muss, entweder direkt zwischen Arbeitgeber und -nehmer oder in einer Betriebsvereinbarung beziehungsweise einem Tarifvertrag. „Ohne eine entsprechende Vereinbarung ist es dem Arbeitgeber jedoch nicht möglich, dem Arbeitnehmer einseitig – etwa im Wege des Weisungsrechts – eine Tätigkeit im Homeoffice zuzuweisen“, unterstreicht eine Sprecherin.

Umgekehrt können Beschäftigte, die sich zwischen hustenden Kollegen nicht sicher fühlen, nur mit einer bestehenden Homeoffice-Vereinbarung von zu Hause aus arbeiten. „Ein gesetzlicher Anspruch darauf besteht nicht“, heißt es beim BMAS. Generell gelte: „Ein allgemeines Recht des Arbeitnehmers, bei Ausbruch einer Erkrankungswelle wie Covid-19 der Arbeit fernzubleiben, gibt es nicht.“ Das sogenannte Leistungsverweigerungsrecht bestehe nur im Ausnahmefall. „Dafür wäre es erforderlich, dass dem Arbeitnehmer die Erbringung seiner Arbeitsleistung unzumutbar ist“, sagt eine Sprecherin. Das Ministerium schränkte in einem Online-Leitfaden aber ein: „Das bloße Husten von Kollegen ohne weiteren objektiv begründeten Verdacht oder Anhaltspunkte für eine Gefahr wird dafür wohl nicht ausreichen.“

Eine Chefin kann einen arbeitsfähigen und arbeitswilligen Mitarbeiter mit Husten übrigens durchaus vorsorglich nach Hause schicken. Dann muss aber das Gehalt normal gezahlt werden und der Arbeitnehmer muss die ausgefallene Arbeitszeit auch nicht nachholen, wie das BMAS dort ebenfalls erläutert.



Fieber messen in der Firma

Manch ein Chef könnte in der Erkältungswelle auf die Idee kommen, morgens bei den Mitarbeitern Fieber zu messen. Dabei werden laut dem Arbeitsministerium allerdings besonders sensible Gesundheitsdaten erhoben. Deren Verarbeitung sei nur im Ausnahmefall erlaubt. Außerdem müsste dabei der Datenschutz eingehalten werden – Informationen wie Körpertemperatur oder andere Vitaldaten dürfen etwa nicht für andere Zwecke verwendet und ohne die Einwilligung des Arbeitnehmers auch nicht gespeichert werden. Eine Ministeriumssprecherin bezweifelt zudem den Sinn einer solchen Maßnahme: „Eine normale Körpertemperatur ist schließlich auch kein Kriterium für den Ausschluss einer SARS-CoV-2-Infektion.“

Für Laien ist es schwer bis unmöglich, die ersten Anzeichen einer Erkrankung in Erkältung, Grippe oder Covid-19 zu unterscheiden. Einen ersten Hinweis, woran man möglicherweise leidet, bietet immerhin die Kassenärztliche Bundesvereinigung mit einem Überblick über die verschiedenen typischen Symptome. Demnach treten Niesen und Schnupfen häufig bei einer Erkältung, aber gar nicht oder selten bei Covid-19 auf. Bleierne Müdigkeit ist häufiges Anzeichen einer Grippe, kommt bei einer Erkältung und Corona hingegen nur in manchen Fällen vor.

Internistin Johna rät Risikogruppen, sich in diesem Jahr unbedingt gegen die saisonale Influenza impfen zu lassen. Gegen Erkältungsviren gibt es zwar keine Immunisierung. Aber: „Auch bei den banaleren Erkältungsviren hilft eine gute Hygiene, um die Übertragungswahrscheinlichkeit zu reduzieren“, sagt die Ärztin. „Dazu gehören Niesen in die Ellenbeuge statt in die Hand, Händewaschen mit Seife direkt nach Betreten der häuslichen Wohnung und Papiertaschentücher nach Nutzung direkt wegwerfen.“


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Johna hält es deshalb für denkbar, dass es in diesem Herbst und Winter wegen der Corona-Hygiene- und Abstandsregeln weniger Erkältungen und Grippefälle geben wird. Dies hätten auch Beobachtungen zur vergangenen Grippesaison auf der Südhalbkugel gezeigt.

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