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Quelle: imago images

Jetzt schon das Homeoffice für die Zukunft festklopfen!

Dass die Präsenz im Büro häufig unsinnig ist, heißt noch lange nicht, dass der Homeoffice-Trend die Coronakrise übersteht. Wenn Sie auch künftig von zu Hause aus arbeiten wollen, dann fädeln Sie es jetzt schon ein.

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Unser Kolumnist Marcus Werner ist Fernsehmoderator und Buchautor und arbeitet als Berater für Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung.

Wie starrsinnig in vielen Firmen noch davon ausgegangen wird, dass nur im Büro effizient gearbeitet wird, das haben Umfragen vor einigen Wochen belegt: Während wir im Lockdown etwa nur einen einzelnen Menschen zu uns nach Hause einladen dürfen (noch nicht einmal ein Pärchen), waren in vielen Firmen die Großraum-Büros immer noch vollgestopft. Weil das ja Arbeit ist. Und Arbeit geht vor, sagt man. Offenbar auch vor Gesundheitsschutz.

Neulich bin ich an den Büro-Räumen einer kleinen Agentur oder so vorbeigelaufen, da konnte ich durch die Lücken in den mattierten Beklebungen der tiefen Fenster erkennen, wie dort in einem winzigen Konferenzraum rund acht Leute ohne Maske dicht gedrängt um einen Tisch herum saßen und gemeinsam auf drei oder vier Laptops guckten. Nicht sehr zukunftssicher.

Hätte auf der Scheibe nicht der Agenturname gestanden, sondern „Bar“ dann wäre wohl längst die Polizei angerückt und hätte geräumt. Am Ende hatte sich sogar die Politik genötigt gesehen, dringende Empfehlungen zu mehr Heimarbeit auszusprechen. Zwingen kann sie die Unternehmen so ohne Weiteres nicht. Aber verzweifeln kann man schon.

Ich will hier jetzt gar nicht groß auf die Fälle eingehen, in denen Homeoffice wirklich keinen Sinn ergibt. Sobald Produktion im Spiel ist, ist es schwierig. Denn eine Maschine, die Bleche stanzt, passt meist nicht ins Gästezimmer.

Aber selbst bei Jobs, über die es heißt: Wir müssen uns ständig eng abstimmen, ist nach dem, was ich in den vergangenen Monaten beobachtet habe, noch nicht alles zum Thema Homeoffice diskutiert worden. In vielen Betrieben hängt das Thema offenbar so halb in der Luft. Motto: Mal sehen, wie sich das mit der Pandemie entwickelt. Und irgendwann ist sie vorbei und nichts ist richtig zu Ende überlegt.

Deshalb jetzt schon an die Welt ohne Corona denken. Abzuwarten ist doch gar nicht nötig. Wir haben seit Monaten Erfahrungen mit dem Homeoffice gesammelt. Nun zählt es, diese gemeinsam als Team zusammenzuwerfen, zu diskutieren und Entscheidungen festzuklopfen, die die Zukunft besser machen.

Etwa nach folgendem Muster:

1. Wollen wir auch nach Corona bei Homeoffice bleiben?

Hier gibt es mehr Antworten als ja oder nein. Einige wollen vielleicht von Montag bis Freitag morgens bis abends von zu Hause aus arbeiten. Andere würden vielleicht zwei Tage pro Woche gerne ins Büro kommen, um die Kollegen um sich zu haben. Andere wiederum könnten Job und Familie besser vereinen, wenn sie nach der Mittagspause die Firma verlassen und nachmittags daheim den Laptop aufklappen. Wieder andere wollen nur zu zwei, drei sehr wichtigen Abstimmungsrunden wöchentlich reinkommen, wo sich durch Skizzen und Tabellen gewühlt und quietschend auf dem Flipchart gekritzelt wird. Und danach wieder schön nach Hause.

All diese Beweggründe sind legitim. Als Mutmacher gilt die logische Erkenntnis: Alle Prozesse, die in der Coronakrise auch vom Homeoffice aus bewerkstelligt werden können, klappen erst recht auch ohne Corona. Und auch, wenn nur noch ein Teil der Belegschaft im Homeoffice weilt.

2. Um welche Vorteile geht es?
Ich will meine Ruhe! Selbst die privatesten Interessen können ausschlaggebend für dauerhaftes Homeoffice auch nach Corona sein, solange betriebliche Interessen nicht leiden.

Wer angibt, er habe einfach keine Lust mehr, jeden Morgen und Abend jeweils eine Dreiviertelstunde auf verstopften Straßen zu schleichen und wolle diese Zeit lieber länger schlafen oder in eine Sporteinheit investieren, bringt als zufriedener Mitarbeiter auch Vorteile für die Firma.

Keine Tabus. Es zählt nicht nur, was die Chefetage am liebsten hört. Aber auch Ihr Unternehmen selbst profitiert ganz handfest vom Homeoffice. Weniger Büroflächen, mehr Ruhe im Großraum, weniger Gedrängel in der Kantine, weniger Mitarbeiterparkplätze.

3. Wie lassen sich Nachteile vermeiden?

Weniger persönliche Gespräche, weniger Abstimmung auf Zuruf, weniger Fleißkontrolle durch die Vorgesetzten, weniger emotionale Präsentationen, weniger Socialising in großen Runden. Wie fast alles auf der Welt hat auch das Homeoffice Nachteile. Viele lassen sich eliminieren, einige lassen sich zumindest in Kauf nehmen.

Beispiel: Wenn Teamkollegin Annika bedauert, dass die bislang so schlanke Abstimmung auf Zuruf mit Kollege Kai nicht mehr möglich ist, dann könnte eine Art Ton-Bild-Standleitung etwa mit einem zusätzlichen Tablet neben dem Laptop dies wieder möglich machen. Fragen wie „Hast du schon deinen Abschnitt in der Präsentation überarbeitet?“ lassen sich so ganz einfach beim anderen ins Wohnzimmer reinrufen. Sogar mit einem freundlichen Lächeln. Wie im Großraum. Aber gemütlicher. Und mit besserem Kaffee.

Dass der tägliche echte Plausch in der Kaffeeküche bei all dem aber weiter unter den Tisch fallen würde, ist klar. Warum dafür keine festen Termine für Smalltalk? Oder das persönliche After-Work-Bier jeden Donnerstagabend in einer Bar in einer Gegend, die für alle den kürzesten Weg bedeutet? So lässt sich das Nähegefühl auskosten. Wenn die Bars dann endlich wieder aufhaben.

Jemandem eben mal schnell ein Dokument zur Unterschrift vorlegen - ja, das geht dann nicht mehr. Aber muss die Unterschrift immer sofort sein? Und geht es vielleicht stattdessen auch mit einer virtuellen Unterschrift oder künftig ganz ohne Signatur, stattdessen mit einer OK-Bestätigung per Mail? Jetzt ist Zeit, Verkrustungen abzukratzen.

Wenn das Team es nicht mehr schafft, feste Arbeitszeiten einzuhalten, weil jeder und jede jederzeit im Homeoffice erreichbar zu sein scheint, dann sollten rechtzeitig feste Handy-aus-Zeiten vereinbart werden.

Wer aus Angst heraus, von daheim nicht mehr ausreichend zur Geltung zu kommen, lieber wieder ins Büro möchte, wo aber kaum ein anderer mehr anzutreffen sein wird, kann anregen, auch in Online-Konferenzen Raum zu geben für alltägliche Erfolge und Nöte, die es sonst nicht auf die Meeting-Agenda schaffen. Mehr Mut, die gelbe Online-Hand zu heben.

Mehr Flexibilität nutzt der Firma

4. Aufrichtige Bilanz: Wie passen Homeoffice und Effizienz zusammen?

Viele Vorteile am Homeoffice kommen direkt dem Team, und erst indirekt dem Unternehmen zugute, etwa höhere Zufriedenheit unter den Leuten, die die Motivation steigen lässt. Solche Effekte sind aber nicht zu unterschätzen. Nicht jede Minute, die nicht im Stau verschwendet wird, fließt ins Freizeitvergnügen. Und man kann eben auch beim Joggen einer Konferenz lauschen, wenn man eh keine Wortbeiträge plant.

Mehr Flexibilität nutzt der Firma, etwa dadurch, dass sich viel schneller gemeinsame Meetings über Standorte hinweg abhalten lassen, dass teure Dienstreisen wegfallen und auch wertvolle Reisezeiten.

Chefs und Chefinnen, die zu Beginn des Pandemie-Homeoffice mehr Schlendrian im Schlafanzug befürchtet haben, haben längst erleichtert aufgeatmet: Mein Team arbeitet auch ungeduscht gut. Präsenz auf dem Bürodrehstuhl bedeutet nicht automatisch Fleiß, zu Hause den Kaffee genüsslich selbst aufzubrühen, kostet nicht mehr Zeit als die Fahrt mit dem Lift zur Automatenecke.
Wer in der Chefetage dennoch mehr Durchgriff aufs Team wünscht, der kann statt bloßer Anwesenheitskontrolle darauf setzen, mehr Erfolgsmarken zu setzen. Was wollen wir bis wann gemeinsam erreichen und wer macht was? Das nachzuhalten geht wunderbar von überall auf der Welt. Wenn man es fair vereinbart.

5. Rechtzeitig einen Stundenplan bauen

Wer will wann von wo aus arbeiten? Wie sähe ein Anwesenheitsplan aus, wenn jeder und jede seine Wünsche erfüllt bekäme? Und wie ließen sich mit ein paar Stellschrauben auch betriebliche Interessen mit einbinden?

Beispiel: Wenn im Schnitt nur noch die Hälfte des Teams gleichzeitig vor Ort wäre, könnte das Großraumbüro halbiert werden - und auf den freiwerdenden Platz eine Kaffeelounge gebaut werden. Oder schlicht eine halbe Etage an eine andere Firma untervermietet werden.

Für dieses Vorhaben wäre es kontraproduktiv, wenn alle wunschgemäß am Mittwoch reinkommen würden und sich dann knubbeln, um einfach mal ein bisschen Tapetenwechsel zu genießen.

Noch ein Beispiel: Wie lässt es sich mit dem Wunsch einiger vereinbaren, jeden Tag nachmittags daheim zu sein, wenn gleichzeitig immer Mittwochs um 16 Uhr das große Brainstorming stattfinden soll? Kann der eine sich dann doch von zu Hause aus zuschalten lassen oder muss er für diesen Tag eine Kinderbetreuung organisieren oder kann das Meeting auf 10 Uhr vorverlegt werden?

Am besten kauen Sie jetzt schon auf diesen Gedanken rum. Damit sie alles durchdacht haben, wenn es plötzlich heißt: Tschüss Corona. Und was jetzt?

Ohne Vorbereitung könnten die schönen Homeoffice-Errungenschaften wieder im Sande verlaufen. Weil zu Corona-Zeiten gesagt wird: Mal gucken. Und nach Corona: Naja, mangels Plan erstmal wie früher und dann mal gucken.

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