EntscheidungsMacher - Teil 4 Herbert Diess: „Heutige Autos sind Softwareprodukte“

Herbert Diess Quelle: PR

VW-Chef Diess sieht die Zukunft der Automobilindustrie im Bereich Softwareentwicklung – und wagt, was sich BMW und Daimler nicht so recht trauen: Hohe Investitionen in Elektromobilität. Das beeindruckt sogar Elon Musk.

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Die Bedingungen für die gemeinsame Spritztour der beiden Automanager sind nicht gerade optimal: Es ist kurz vor zehn Uhr abends, es regnet, und beide haben einen langen Tag hinter sich – der eine, Tesla-Chef Elon Musk, befindet sich in Berlin, der andere, VW-Chef Herbert Diess, in Wolfsburg. Doch Musk lässt seinen Privatjet auf dem Rückweg in die USA am Flughafen Braunschweig-Wolfsburg zwischenlanden. In einem Hangar erwartet ihn Diess mit einem weißen VW ID.3, dem ersten elektrischen Massenmodell des Konzerns, für ein paar Runden auf dem Rollfeld.

Zu diesem Zeitpunkt, also Anfang September, hat noch kein Kunde das Elektroauto gefahren. Auch Musk kennt es nur aus der Zeitung. Er dürfte sich in erster Linie für das Auto interessiert haben, zu dieser späten Stunde im Hangar des Provinzflughafens. Aber nicht nur dafür. Musk und Diess respektieren sich. Diess schätzt Musk für die Vehemenz und Intelligenz, mit der er seine Visionen in die Tat umsetzt. Musk wiederum, der um die Widerstände in den Autokonzernen gegen das E-Auto weiß, respektiert die Entschlossenheit, mit der Diess Volkswagen, groß geworden mit dem Verbrennungsmotor, auf Elektro bürstet.

Mit seiner Entscheidung steht Diess nicht nur gegen viele in der eigenen Belegschaft, sondern auch gegen große Teile der deutschen Autoindustrie. Während sich die Chefs von BMW und Daimler bislang nur in kleinen Schritten ins Elektrozeitalter vorwagen, tat Diess vor zwei Jahren einen enormen Schritt: Investitionen von 30 Milliarden Euro lenkte er in Richtung E-Auto, ganze Fabriken werden seither voll auf Elektro umgestellt. Mit seinem ständigen Lob für Tesla brachte er zwar viele Mitarbeiter gegen sich auf. Und dennoch ließ er gegen Verbrenner lobbyieren, als seine süddeutschen Konkurrenten noch glaubten, damit die E-Revolution vertagen zu können. Das allein wäre Grund genug, Diess als höchst mutigen Entscheidungsmacher zu ehren.

Doch der geht mit seiner Revolution sogar noch weiter. „Heutige Autos sind Softwareprodukte“, sagt Diess. Die Software entscheide darüber, wie weit und wie sportlich ein E-Auto fahren kann, wie sicher, autonom, komfortabel, vernetzt und attraktiv es ist – was für Diess nichts anderes bedeutet, als dass er aus dem Autokonzern mit Softwareabteilung einen Softwarekonzern mit Autoproduktion machen muss. Dafür schmiedet er Allianzen mit den besten Firmen aus der Softwarewelt und zieht in einer neuen Softwareeinheit Tausende Konzernmitarbeiter zusammen.

Diess kämpft so vehement und an so vielen Fronten, dass ihm die Dinge manchmal entgleiten. Dann vergisst er, die Belegschaft auf seiner Reise mitzunehmen, was ihm Palastrevolten beschert und ihn bereits fast den Job gekostet hätte. Doch Diess macht weiter. Die VW-Eigentümer aus dem Porsche-Piëch-Clan mögen das – auch weil er damit eine Aktie pusht, die nach dem Dieselskandal genauso gut auch auf Deutsche-Bank-Niveau dümpeln könnte.

Entscheidungsmacher
Welche Manager handeln richtungsweisend? Dieser Frage widmen sich die WirtschaftsWoche und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in der Serie EntscheidungsMacher. Die Redaktion nominiert Kandidaten, eine Jury wählt den Gewinner. Bei der ersten Auflage 2017 wurde Osram-Chef Olaf Berlien ausgezeichnet, 2018 siegte TUI-CEO Friedrich Joussen, 2019 Ralph Dommermuth von United Internet.

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