Ob Assessment Center oder Formular – immer mehr Bewerbungsprozesse laufen digitalisiert ab. Entsprechend standardisiert sind auch die Formate. "Laden Sie bitte hier Ihr Foto hoch, sprechen Sie jetzt in die Kamera, laden Sie Ihren Lebenslauf als Pdf hoch, vielen Dank, wir melden uns." Viel Raum für Individualität bleibt da nicht. Der jungen Generation macht das wenig aus. Laut dem unicensus kompakt 2015 haben 66,1 Prozent der Studenten keine Angst vor einem Online-Assessment Center und 30 Prozent sagen, dass das Online-Formular ihr Lieblingsbewerbungsformat ist. Wo kein Platz für Kreativität ist, entstehen auch weniger Fehler.
Welche Unternehmen beim Online-Recruiting vorne liegen
Laut der Online Talent Communication-Studie des Marktforschungsinstituts Potentialpark schnitt der Dax-Konzern Fresenius, wie schon im Vorjahr, beim Online-Recruting am besten ab. Fresenius ist auf allen zehn untersuchten Kanälen von Karriere-Homepage, über YouTube-Kanal bis hin zum Unternehmensblog sehr gut aufgestellt.
Auch der Telekommunikationskonzern kann seine Silbermedaille vom vergangenen Jahr verteidigen. Unter anderem zeichnet sich das Unternehmen durch seine Karriere-App aus. Über sie können Interessenten von unterwegs unkompliziert Kontakt zur Personalabteilung aufnehmen.
Der Versicherungskonzern konnte sich um einen Rang verbessern. Die Allianz zeichnet sich unter anderem durch ihre spielerische Herangehensweise aus. Fünf Online-Spiele muss der Interessent spielen, dann bekommt er eine passende Stellenempfehlung.
Ebenfalls um einen Rang verbessert hat sich Ernst&Young. Die Beratung ist in den sozialen Netzwerken, wie Facebook, Twitter oder LinkedIn besonders aktiv.
Das Medienunternehmen konnte sich gleich um drei Plätze auf Rang fünf verbessern. In der Kategorie "mobile Recruiting" belegt Bertelsmann sogar den zweiten Platz direkt hinter Fresenius.
Der Versandhändler mit Sitz in Hamburg machte den größten Sprung im Ranking. Gleich 17 Ränge ging es nach oben. Laut Otto, hätten dazu vor allem die Fokussierung auf die Social-Media-Kanäle und die erhöhte Transparenz im Bewerbungsprozess geführt.
Die Beratung bleibt unverändert auf Rang sieben. Accenture bietet zum Beispiel an, im Falle einer Bewerbung den eigenen Xing-Lebenslauf für den zuständigen Personaler freizuschalten. Das erspart den Bewerbern lästiges Eintippen der Daten in ein Online-Formular.
Das Unternehmen musste gleich fünf Plätze einbüßen und landete nur auf Rang acht, nachdem es im vergangenen Jahr sogar für einen Podestplatz gereicht hatte.
Auch der Stuttgarter Automobilkonzern musste Platzierungen einbüßen. Anstatt wie im vergangenen Jahr auf Rang sechs, reichte es für Daimler diesmal nur für den neunten Platz.
Der Automobilzulieferer machte gleich zehn Plätze gut und schaffte es somit unter die Top Ten der kommunikativsten Arbeitgeber im Netz.
Wie aber hebt man sich im Bewerbungsprozess - unabhängig vom Medium - von anderen ab und verhindert, dass die eigene Bewerbung zum Standard wird? Bewerbungs-Coach Maja Skubella und Olaf Kempin, Gründer und Mitinhaber des Personaldienstleisters univativ, wissen, wie es funktioniert.
Worthülsen vermeiden
Bewerber müssen mehr bieten, als fachliches Know How, sie müssen auch menschlich überzeugen und ins Team passen. Die Bewerbung allerdings mit leeren Worthülsen zu schmücken, ist nicht zielführend, wie die studierte Kommunikationswirtin Skubella sagt. "Wer würde sich nicht als teamfähig, flexibel oder zuverlässig beschreiben?" Um positiv aufzufallen, sollten Bewerber diese Phrasen statt dessen mit Inhalt füllen.
Sie sind ein Experte im Rechnungswesen? Dann schreiben Sie nicht, dass Sie sehr versiert sind, sondern, dass Sie Kenntnisse der Rechnungslegungsvorschriften nach HGB und IFRS haben, genauso wie gute Kenntnisse in SAP-FI, oder DATEV, rät die Berufs- und Bewerbungs-Beraterin bei Karriere & Entwicklung und Leiterin der Plattform Kexpa.
Wer dagegen im Vertrieb arbeitet, sollte seine Freude am Umgang mit Menschen und sein diplomatisches Kommunikationsgeschick betonen. "Jede praktische Tätigkeit ist besser als reine Theorie", fasst Kempin zusammen. "Wenn ich ein kommunikativer und kreativer Mensch bin, kann ich das womöglich mit einem eigenen Blog belegen oder der freien Mitarbeit auf einem Bauspielplatz."
Selbst Berufseinsteiger, die noch nicht anhand ihrer letzten Jobs Kreativität oder Teamfähigkeit belegen können, brauchen sich nicht zu verstecken. "Leiter bei den Pfadfindern, Trainer einer Jugendgruppe oder Thekendienst in einem Restaurant? Auf den ersten Blick erscheinen diese Nebenjobs vielleicht nicht relevant, sie zeigen allerdings Führungsqualität, Organisationstalent und die Fähigkeit im Team zu arbeiten und das nicht nur theoretisch, sondern bewiesenermaßen im realen Leben", wie Kempin weiß.
Tipps für den ersten Satz im Bewerbungsschreiben
Sehr geehrter Herr XX,
Sie suchen zur Verstärkung Ihres Teams einen kooperativen, zuverlässigen und aufgeschlossenen Mitarbeiter? Dann sind Sie jetzt fündig geworden!
(Quelle der Beispiele: Kienbaum)
Sehr geehrte Frau XX,
mit Engagement, Kommunikationsstärke und unternehmerischem Denken möchte ich zum nächstmöglichen Zeitpunkt für die weltweit führende Personal- und Managementberatung Kienbaum am Standort Düsseldorf arbeiten und Beratungsprojekte mit Branchen- und Beratungskompetenz verantworten.
Sehr geehrte Frau XX,
suchen Sie eine Person, die mit Leidenschaft und Tatendrang erfolgreich als auch selbständig Projekte steuert, abwickelt und dabei mit anspruchsvollen Kunden auf Augenhöhe kommunizieren kann? Gerne möchte ich diese Person sein und mein ganzes Wissen und Engagement in Ihrem Unternehmen einbringen.
Sehr geehrte Frau XX,
mit großem Interesse habe ich festgestellt, dass Sie Verstärkung im Bereich Business Technology benötigen. Somit teilen wir nicht nur diesen Fokus, sondern auch die große Leidenschaft den Kunden bei der digitalen Transformation kompetent zu beraten und zu unterstützen.
Sehr geehrte Frau XX,
Herausforderungen bei Projekten verschiedenster Branchen zu meistern, Probleme erkennen und eine optimale Lösung zu finden – diese Aspekte reizen mich besonders an dem Beruf des Unternehmensberaters.
Sehr geehrte Frau XX,
individuelle Bedürfnisse erkennen und gemeinsam maßgeschneiderte Strategien und Lösungen umsetzen – so stelle ich mir meinen Berufseinstieg als Junior-Berater vor.
Sehr geehrter Herr XX,
Sie suchen einen entscheidungsfreudigen und versierten Mitarbeiter, der Worthülsen vermeidet und mit Inhalten überzeugt? Das bin ich!
(eigenes Beispiel)
Sehr geehrter Herr XX,
von mir zu Hause bis zu Ihnen sind es zu Fuß genau 15 Minuten. Das bedeutet: Während meine Kollegen noch im Stau stehen, könnte ich morgens schon der erste Mitarbeiter in der Firma sein.
(eigenes Beispiel)
Verbindungspunkte herstellen
Obwohl Bewerber heute längst keine Bittsteller mehr sind, die ihre Arbeitskraft zu Markte tragen und darauf hoffen müssen, dass ein Unternehmen sie erwählt, sollten Bewerber schon die Frage beantworten können, warum das Unternehmen gerade sie einstellen sollten. Kandidaten sollten versuchen, eine Beziehung zum Unternehmen und zur konkreten Stelle aufzubauen: "Plant das Unternehmen zum Beispiel eine Erweiterung des Geschäfts in den osteuropäischen Markt, könnte man seine Russischkenntnisse oder den Schwerpunkt Osteuropa in der Bachelor-Thesis hervorheben", so Skubella.
Grundregeln für digitale Bewerbungen
Auch Bewerber, deren Lebenslauf alles andere als glatt verlaufen ist, sollten sich nicht entmutigen lassen, sondern die Methode des Storytellings in Bewerbungsschreiben anwenden, rät Skubella. "Dabei geht es nicht darum, Geschichten zu erfinden, sondern seine Person mit einer auf das Unternehmen zugeschnittenen emotionalen Botschaft zu „verkaufen“."
Lücken oder negative Stationen im Lebenslauf sollte man im Anschreiben nicht erwähnen, sondern stattdessen erzählen, wieso man mit seinen bisherigen Erfahrungen als Mensch gewachsen ist und weshalb die Reise in gerade diesem Unternehmen weitergehen soll.
Fünf Tipps für den Lebenslauf
Korrekte Sprache ist Pflicht: Eine Studie von 2009 hatte ergeben, dass deutsche CFOs im Durchschnitt bei 1,8 Tippfehlern einen Lebenslauf aussortieren.
Bereiten Sie bei internationalen Stellen Ihre Dokumente immer auf Deutsch und Englisch vor. Lassen Sie sie von einem Muttersprachler gegenlesen.
In der Kürze liegt die Würze: Präsentieren Sie Ihren Lebenslauf auf zwei, höchstens drei Seiten.
Lücken im Lebenslauf fallen auf. Gehen Sie offensiv mit den Lücken um und punkten Sie durch nachvollziehbare Argumente.
Eine ansprechende Aufbereitung fällt positiv auf. Dennoch sollten sie auf die Inhalte mehr achten.
Zur Not können Bewerber auch erzählen, welchen persönlichen Bezug sie zum Unternehmen haben. Stammt das Lieblingsduschgel vielleicht aus dem Haus? Vielleicht hat der Bewerber etwas über das Unternehmen gelesen oder gehört, wodurch sein Interesse geweckt wurde, beispielsweise die Beteiligung an einem Umweltprojekt. "Die Begründung beim Storytelling muss nicht zwangsläufig mit der aktuellen oder vergangenen Position zusammenhängen, sondern vielleicht kommt das Interesse oder das Wissen auch aus einem Ehrenamt, aus einer privaten Leidenschaft oder aus einem Thema, welches man autodidaktisch behandelt, weil es einen so fesselt", sagt die Expertin.
Wer ein bisschen Farbe in die ansonsten eher drögen Lebensläufe bringen will, für den bieten sich laut Kempin bei der Online-Bewerbung verschiedene Möglichkeiten. "Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Tools, mit denen man seinen Lebenslauf attraktiv visualisieren kann. Vizualize.me oder re.vu sind nur zwei der unendlich vielen Werkzeuge mit denen beispielsweise aus dem eigenen LinkedIn-Profil mit wenigen Klicks ein Lebenslauf in Form einer ansprechenden Infografik erstellt werden kann", sagt er. "Bei einer solchen Bewerbung sieht der Personaler sicherlich ein zweites Mal hin und wird neugierig."
Die fünf Schritte zum Erfolg in digitalen Zeiten
Machen Sie sich bewusst, wo Ihre Stärken liegen!
Heben Sie diese Talente heraus und entwickeln Sie so die „Marke Ich“!
Handeln Sie empathisch – gegenüber Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten und sich selbst!
Nutzen Sie die digitalen Medien zur Information, Präsentation und zum Netzwerkaufbau!
Aber seien Sie genauso offline aktiv – sowohl beim Knüpfen neuer als auch bei der Pflege bestehender Beziehungen!
Übertreiben an der richtigen Stelle ist in Ordnung
Denn ohne Selbstmarketing geht es so gut wie gar nicht mehr. Natürlich müssen Bewerber ehrlich sein, zeitgleich sollten sie sich aber auch bestmöglich verkaufen. Und das funktioniert nicht immer ohne Übertreibungen. "Geht es beispielsweise um die eigene Einstufung der Sprachkenntnisse, sollte man – im gesunden Rahmen - lieber eine Stufe nach oben greifen", sagt Skubella. Insbesondere weibliche Bewerberinnen neigen ihrer Erfahrung nach dazu, sich schlechter einzuschätzen. Damit reduzieren sie ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt. "Im Zweifelsfall gibt es immer die Möglichkeit, Studienkollegen oder vertraute Dozenten um eine realistische Einschätzung zu bitten."
Bei den Sprachkenntnissen aus "verhandlungssicher" "fließend" zu machen, ist außerdem noch kein Fauxpas. Aber: "Wenn das Gefühl aufkommt, hier leidet jemand an Größenwahnsinn, stellt sich die Frage, wie dieser Spieler mit dem Team harmonieren würde", gibt Kempin zu bedenken. Ganz davon zu Schweigen, dass die fachlichen Kompetenzen ebenfalls in Frage zu stellen sein könnten.
Was bei E-Mail-Bewerbungen zu beachten ist
Das Problem bei elektronischen Bewerbungen ist, dass an viel mehr Stellen Fehler passieren können, als bei der klassischen, schriftlichen Bewerbung. "Es fängt bei der Betreffzeile an und hört beim Anhang auf", weiß Skubell. Gerade bei Initiativbewerbungen stellt sich die Frage, was in die Betreffzeile soll. Skubella rät, anstatt "Bewerbung als Produktmanager" lieber "Experte für anspruchsvolles Produktmanagement" zu schreiben. Ist die Stelle dagegen offiziell ausgeschrieben, sollte man sich auf die Referenznummer und Stellenbezeichnung beziehen. Außerdem sollten E-Mail-Anhänge nicht größer als 4 MB sein. Wenn Arbeitsproben oder Zeugnisse den Rahmen sprengen, empfiehlt sich ein Dropbox-Link. Im journalistischen Bereich biete es sich an, auf den eigenen Blog oder Online-Veröffentlichungen hinzuweisen. "Was auf gar keinen Fall geht, sind ZIP-Dateien", so Skubella.
Auch die E-Mail-Adresse kann zum Fettnäpfchen werden. Gerade bei den Anbietern GMX, Web.de, Yahoo und Freenet ist Vorsicht geboten, da hier manchmal ungewollt Werbung und Gewinnspiele versendet werden. Skubella rät deshalb, ein E‐Mail‐Programm wie Outlook, Mozilla oder Outlook Express zu nutzen, über das die E-Mails fortan laufen. "Ebenso unprofessionell sind Fantasienamen und Zahlenkombinationen in der E-Mail-Adresse." Skubella rät dazu, sich für die Bewerbungsphase einen separaten E-Mail-Account anzulegen, falls man nicht auf "Superheld2015@gmx.de" verzichten kann. Denn auch bei digitalen Bewerbungen gilt: Wenn schon die Kleinigkeiten nicht stimmen, stehen die Karrierechancen eher schlecht.
Bei digital-affinen Jobs ist die Verlinkung auf Netzwerk-Profile fast schon ein Muss. Doch auch hier gibt es etwas zu beachten, wie Kempin weiß. Profile sollten immer auf dem neuesten Stand sein und wer sein Facebook-Profil angibt, sollte darauf achten, nicht mit peinlichen oder zu freizügigen Fotos das Gesamtbild zu stören. Außerdem sollten nur die Profile angegeben werden, die auch aktiv für die Jobsuche genutzt werden. Kempin: "Dazu kann sogar Facebook gehören, wenn man sich kreative Beispiele, wie das von Brandon Kleinmann, zum Vorbild nimmt."