Auf den ersten Blick sieht das neue Auto aus wie ein Mittelklassemodell aus Japan. Tatsächlich aber ist der Denza ein E-Mobil, das Daimler mit dem chinesischen Batteriehersteller Byd auf die Räder gestellt hat. „Erstmals haben wir außerhalb von Sindelfingen ein Fahrzeug entwickelt“, sagt Arno Röhringer, Chef des deutsch-chinesischen Automobil-Joint-Ventures. Produziert wird das Fahrzeug, das am 20. April auf der Automesse in Peking vorgestellt wurde, in China.
Doch nicht nur in Sachen Entwicklung und Produktion geht Daimler mit seinem E-Mobil innovative Wege: Der Stuttgarter Automobilkonzern lässt sich die Elektroautos in Yuan bezahlen.
So selbstverständlich es klingt, für seine Produkte die ortsübliche Währung zu kassieren – in China haben Auslandsunternehmen bis vor wenigen Jahren ausschließlich in Dollar oder Euro abgerechnet. Daimler akzeptiert hingegen seit zwei Jahren für seine Limousinen, SUVs und Roadster den Yuan – auch für Modelle, die aus Deutschland angeliefert werden. Außerdem bezahlen die Schwaben in chinesischer Währung, wenn sie Bauteile und Komponenten in China einkaufen.
Aus Sicht der Daimler-Manager hat der Yuan gleich ein ganzes Bündel von Vorzügen: So können die Einkäufer attraktive Rabatte aushandeln, wenn sie in Yuan zahlen. Auch umgekehrt ist es vorteilhaft, für die Exporte in die Volksrepublik Yuan einzustreichen: Werden Ein- und Ausfuhren in der gleichen Währung abgewickelt, reduzieren sich Wechselkursrisiken auf ein Minimum.
Mit seiner Währungspolitik steht der Stuttgarter Autobauer nicht allein da. Zwar wird es noch eine Weile dauern, bis die chinesische Regierung, die ihr strenges Währungsregime seit 2010 schrittweise lockert, den Yuan frei handelbar macht. Doch der Yuan ist dabei, neben US-Dollar und Euro zur dritten Weltwährung aufzusteigen.
Die Folge: Ob Konzern oder Mittelständler – viele Unternehmen, die in China aktiv sind, haben in jüngster Vergangenheit damit begonnen, den Yuan als Rechnungswährung einzuführen.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Spart ein Unternehmen doch dadurch nicht nur Kosten und zeitlichen Aufwand der Währungssicherung. Ausländische Unternehmen kommen mit Kunden in China oft überhaupt nur dann ins Geschäft, wenn sie für ihre Waren chinesische Devisen akzeptieren. Wer in China Rechnungen in der Landeswährung zahlt, kann bei seinen Geschäftspartnern außerdem erhebliche Preissenkungen durchsetzen. Der Grund: Für chinesische Lieferanten ist der Umtausch ausländischer Devisen in Yuan mit enormer Bürokratie verbunden. Jedes Mal müssen die Unternehmen eigens einen Antrag bei den lokalen Behörden stellen, die für die Kontrolle des Devisenverkehrs zuständig sind. Das dauert manchmal mehrere Monate. Obendrein verlangen die Banken für den Umtausch hohe Gebühren.
Schließlich reduzieren sich die Wechselkursrisiken, wenn Exporte nach und Importe aus China in derselben Währung abgerechnet werden: Die Unternehmen können die Zahlungsströme saldieren; nur noch die Differenz unterliegt Kursschwankungen zwischen dem Euro und dem Yuan, der nach wie vor recht eng an den amerikanischen Dollar gekoppelt ist. Derzeit darf der Kurs pro Tag nur innerhalb einer sehr engen Bandbreite abweichen.
Weniger Risiken
Wer seinen chinesischen Lieferanten dann auch noch dieses restliche Wechselkursrisiko abnimmt – Dollar- und Euro-Guthaben der Lieferanten verlieren oft an Wert, bis sie nach Monaten in Yuan umgewechselt werden können –, kann dies an anderer Stelle oft mehr als ausgleichen: Wer das Wechselkursrisiko trägt, hat im Gegenzug Spielraum bei den Preisen.
Von der Umstellung auf Yuan profitieren vor allem Unternehmen aus der Fertigungsindustrie, die einen weltweiten Produktionsverbund betreiben. Im Automobilbau, der Elektrotechnik, dem Maschinenbau und der Luft- und Raumfahrt sind lange, oft weit verzweigte Lieferketten üblich, die sich meist über mehrere Länder erstrecken. Den Yuan als grenzüberschreitende Rechnungswährung einzuführen ist daher auch für große Mittelständler sinnvoll.
Kein Wunder also, dass neben Automobilherstellern wie Daimler, BMW und Volkswagen, den Chemiekonzernen Bayer, Evonik und Lanxess auch die Buchhalter beim Hausgerätehersteller Miele längst wie selbstverständlich mit der chinesischen Landeswährung hantieren. Beim Getriebehersteller ZF Friedrichshafen werden immerhin rund fünf Prozent der Zahlungen mit chinesischen Geschäftspartnern in Yuan abgewickelt. Bosch hat Anfang 2014 begonnen, den Geldfluss zwischen der Robert Bosch GmbH in Stuttgart und zwei ausgewählten Tochtergesellschaften in China in Yuan abzuwickeln. Ist das Experiment erfolgreich, sollen weitere Bosch-Firmen einbezogen werden. Und Siemens erhob den Yuan neben Dollar und Euro sogar zur dritten, gleichberechtigten, offiziellen Konzernwährung.
„Seit drei Jahren bieten wir unseren Kunden die Kontoführung in chinesischer Währung an“, sagt Frank-Oliver Wolf, Experte für Zahlungssysteme bei der Commerzbank. „Anfangs wollte davon niemand etwas wissen. Heute haben mehr als 350 Firmenkunden bei der Commerzbank in Deutschland ein Yuan-Konto.“
Auch BSH Bosch und Siemens Haushaltsgeräte nutzt den Yuan seit zwei Jahren als grenzüberschreitende Rechnungswährung. Wird doch der chinesische Markt für das Münchner Unternehmen immer wichtiger: Vergangenes Jahr erlöste BSH in der Volksrepublik mit dem Verkauf von Elektroherden, Kühlschränken und Waschmaschinen umgerechnet 1,5 Milliarden Euro – knapp 15 Prozent der weltweiten Umsätze.
„Wo immer wir den Yuan für unser chinesisches Geschäft verwenden können, hat dies für uns Priorität“, sagt Kai Schrickel, der bei BSH den Zentralbereich Finanzen leitet.
Will BSH seine führende Position in China behaupten, muss das Unternehmen auf die Wünsche seiner Kunden eingehen. Und Großhändler, Fachgeschäfte und Warenhäuser, die Hausgeräte made by BSH verkaufen, möchten die gelieferte Ware nun mal gern in heimischer Währung bezahlen. Zumal für BSH das Devisenmanagement vergleichsweise einfach ist. Innerhalb Chinas werden alle Zahlungen mit Kunden und Lieferanten in Yuan abgewickelt. Die Komponenten und Vorprodukte, die BSH China von ausländischen Unternehmen bezieht, werden ebenfalls so weit wie möglich in Yuan beglichen. Aber auch wenn Waschmaschinen aus München nach Nanjing geliefert und umgekehrt Bauteile aus China nach Deutschland oder in Drittländer eingeführt werden. Diese konzerninternen Importe und Exporte wickelt BSH über ein zentrales Yuan-Konto in Hongkong ab und tauscht nur noch die Differenz in Euro um.
Hinzu kommt: Yuan-Konten in Hongkong erleichtern westlichen Unternehmen die Absicherung von Wechselkursrisiken, weil das Unternehmen die erwarteten Zahlungen als Termingeschäft an eine Bank verkaufen und damit das Wechselkursrisiko auf das Kreditinstitut abwälzen kann.
Leichtere Transaktionen
Für Bayer sind solche Transaktionen mittlerweile Routine: Um sich den Kampf mit den chinesischen Devisenkontrolleuren zu ersparen, stellte der Chemiekonzern im Herbst 2012 die Rechnungswährung bei einigen Tochtergesellschaften in China von Dollar auf Yuan um. Gleichzeitig eröffnete der Konzern ein Yuan-Konto in Hongkong. Dort landet jeder Yuan, den der Konzern für den Verkauf seiner Medikamente und Pflanzenschutzmittel in China erzielt. Milliardensummen, die die Leverkusener dort pauschal gegen Wechselkursrisiken absichern können.
Noch leichter sollen Transaktionen wie diese zu handhaben sein mithilfe des neuen Yuan-Handelszentrums in Frankfurt, das chinesische und deutsche Partner gemeinsam bis Endes des Jahres aufbauen wollen. Noch im Lauf des Jahres soll, so ist aus Finanzkreisen zu hören, eine Anleihe in Yuan in Höhe von 50 Millionen Euro ausgegeben werden. Deckname: Goethe-Bond. Über die neue deutsch-chinesische Plattform können Banken und Unternehmen dann Währungs- und Sicherungsgeschäfte in Yuan abwickeln.
So lange wollte Siemens nicht mehr warten: Schon seit Oktober 2013 können alle Gesellschaften des Elektronikkonzerns, die mit chinesischen Geschäftspartnern Handelsgeschäfte abwickeln, in Yuan fakturieren oder zahlen. Betroffen sind nicht nur die Produktions- und Vertriebsgesellschaften in China. Auch alle anderen Siemens-Töchter, die an diese Tochterunternehmen liefern oder von chinesischen Betrieben Güter und Leistungen beziehen, dürfen nun den Yuan verwenden.
Siemens produziert in China beispielsweise Computertomografen, bei denen zahlreiche Komponenten lokaler Lieferanten verbaut werden. In Deutschland werden die Geräte mit Software für bildgebende Verfahren ausgerüstet, bevor sie an Krankenhäuser in der ganzen Welt ausgeliefert werden. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Tomografen kann heute in Yuan abgerechnet werden. Ebenso komplex wie in der Medizintechnik ist die weltweite Liefer- und Leistungskette in den Siemens-Sparten Energie, Industrie und Bahntechnik. Mehr als 50 Konzern-Töchter können ihre Geschäfte heute in Yuan abrechnen, rund 300.000 Rechnungen können heute konzernweit pro Jahr in Yuan ausgestellt und bezahlt werden.
„Wir haben aber auch sehr viel Wert darauf gelegt, die Yuan-Umstellung und ihre Vorzüge ausreichend zu erklären“, sagt Stefan Harfich von Siemens Financial Services in Hongkong, der die schrittweise Implementierung der neuen Konzernwährung seit Anfang 2012 verantwortete. Zunächst richtete das Unternehmen in Hongkong ein konzernweites Yuan-Konto ein. „Die zentrale Kontoführung erleichtert die Saldierung und damit den Ausgleich von Währungsrisiken“, erläutert Harfich. Innerhalb des Konzerns hat dies jedoch erst einmal höheren bürokratischen Aufwand zur Folge: Gutschriften und Belastungen auf dem Yuan-Konto müssen exakt den betroffenen Tochterfirmen zugeordnet werden. Zudem wurden innerhalb des Konzerns zahllose IT-Systeme im Rechnungswesen auf die neue Währung umgerüstet.
Die Folge: Nicht allen betroffenen Buchhaltern, Einkäufern oder Vertriebsingenieuren war unmittelbar einsichtig, wofür der Mehraufwand gut sein sollte. Den Durchbruch brachte ein schlagendes Argument: Wer in Yuan zahlt, kann Preisnachlässe durchsetzen – bis zu fünf Prozent hält Harfich für realistisch. Der Grund: Viele Lieferanten schätzen es, wenn sie sich Mühe und Kosten sparen können, die in China mit dem Umtausch von Devisen verbunden sind. Obendrein müssen sie kein Währungsrisiko mehr tragen, wenn sie Yuan erhalten.
Höhere Gewinne
Einen Schritt weiter ist VW: Der Autokonzern rechnet nicht nur intern längst in Yuan, er hat seit 2011 drei Anleihen mit einem Volumen von insgesamt 3,7 Milliarden Yuan (rund 430 Millionen Euro) begeben. Dim-Sum-Bonds heißen die Papiere unter Bankern, die in Hongkong, Taipeh und London emittiert werden.
Das Kapital, das VW auf diesem Weg erschließt, fließt in den Bau neuer Fabriken in China. Die Autos, die dort vom Band rollen werden, sind vor allem für chinesische Käufer vorgesehen, die die Fahrzeuge in Yuan bezahlen. Auch bei Investitionen befolgt Volkswagen in China die schlichte Erkenntnis: Wenn Kosten und Erlöse in der gleichen Währung anfallen, sinken die Wechselkursrisiken auf ein Minimum.
Die Emission einer Dim-Sum-Anleihe ist für ausländische Unternehmen mit guter Bonität meist die günstigste Methode, um den Bau einer neuen Fabrik oder andere Investitionen in China zu finanzieren – die Zinsen für klassische Investitionskredite bei einer chinesischen Bank sind höher. Hinzu kommt: Eine Genehmigung der chinesischen Behörden ist für die Emission dieser Bonds ebenso wenig nötig wie für den Transfer der Erlöse nach Festlandchina. Da überrascht es nicht, dass laut der Marktforschungsfirma Dealogic von Anfang Januar bis Ende März 2014 bislang 29 Offshore-Anleihen in Yuan begeben wurden – fast dreimal so viel wie im ersten Quartal 2013. Das heftige Wachstum könnte aber womöglich bald an eine Grenze stoßen: Im Offshore-Markt ist die Liquidität derzeit noch arg begrenzt. Zwar fliegen Investoren aus China, dem übrigen Asien und selbst Europa auf die Anleihen. Doch in Hongkong sorgt keine Zentralbank dafür, dass die Banken jederzeit flüssig genug sind, um alle Anlegerwünsche zu erfüllen.
Konkurrent Daimler hat sich daher – als erstes westliches Unternehmen überhaupt – statt für den Dim-Sum-Markt für eine andere Finanzierungsvariante mit einem mindestens ebenso exotischem Namen entschieden: Die Panda-Anleihe, emittiert im März 2014, mit einem Volumen von 500 Millionen Yuan, umgerechnet knapp 60 Millionen Euro. Diese Anleihen werden nicht in Hongkong, sondern in Festlandchina ausgegeben. Und auch wenn dort die Anleger höhere Renditen fordern und der bürokratische Aufwand für eine eher kleine Emission immens hoch ist, setzt der Stuttgarter Autobauer schon aus strategischen Gründen auf die Rolle des finanziellen Vorreiters: Daimler will die Erlöse aus dem Bären-Bond für Investitionen in China nutzen. Dort steht dem Unternehmen eine anstrengende Aufholjagd bevor – auf dem wichtigsten Automarkt der Welt sind die Konkurrenten Audi und BMW den Schwaben davongebraust. Künftig soll in China auch die neue S-Klasse gefertigt werden.
„China ist für uns einer der wichtigsten Märkte“, heißt es bei Daimler. „Daher möchten wir unseren wachsenden Finanzbedarf langfristig in diesem Land decken.“