Digitale Transformation So gelingt Unternehmen der digitale Wandel

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Bestes Unternehmen 2.0: Deutsche Bahn Netz

Der Auftrag kam kurz nach 16 Uhr: Vier Container hatte der Mittelständler aus Nordrhein-Westfalen zu transportieren, von Emmerich an der holländischen Grenze bis nach Basel. 600 Meter lang war der Zug, den sein Spediteur, kombiniert mit noch anderer Fracht, zusammengestellt hatte. Der Inhalt: Container mit Autoersatzteilen und hochwertigen Küchengeräten. Am nächsten Morgen um 9 Uhr sollte es losgehen, spätestens um 17 Uhr sollte die Ladung am Ziel sein. Bis 18 Uhr, so der Hinweis des Kunden in der elektronischen Datenmaske, erwarte man ein Angebot.

Wie breit ist der Transport? Wie hoch sind die Tunnel auf der 671 Kilometer langen Strecke? Wie schnell darf der Zug im Großraum Mannheim fahren? Wo sind Baustellen, die einen Umweg nötig machen? Und wer ist mein Ansprechpartner in der Schweiz für den Übergang des Transports an der Grenze?

Holger Ewald, Jörg Sandvoß Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

Hochleistungsrechensystem

Fragen, die Rüdiger Weiß spontan durch den Kopf schießen, als der Auftrag über eine elektronische Bestellmaske auf seinem Bildschirm aufpoppt. Und doch nur ein Bruchteil von Tausenden von Aspekten, die der Fahrplaner der Netzgesellschaft der Deutschen Bahn bei der Organisation dieser Trasse berücksichtigen muss. Fragen, die ein Hochleistungsrechensystem für ihn zuverlässig beantwortet – im Wettlauf mit der Uhr. Denn Weiß weiß auch: Braucht er zu lange für die Antwort, oder ist sein Angebot nicht optimal auf die Bedürfnisse des Kunden angepasst, entscheidet sich der Kunde für einen Transport per Lkw.

„Die Anfragen der Kunden kommen immer kurzfristiger, das macht unser Geschäft kompliziert“, sagt Weiß. „Umso wichtiger ist eine intelligente, effiziente Planung unserer Schienennetze.“

In der Tat eine Mammutaufgabe: Mehr als 33.000 Kilometer umfasst das Schienennetz der Deutschen Bahn. Wünsche von 390 Kunden gilt es heute zu koordinieren, jeden Tag sind 39.000 Züge auf dem Netz unterwegs, von der S-Bahn in und um München über den Regionalzug zwischen Leipzig und Cottbus oder dem ICE zwischen Berlin und Hamburg bis zum Güterzug eines Energiekonzerns, der drei Mal pro Woche Ölfässer zwischen Rotterdam und Ingolstadt zu transportieren hat. Ganz zu schweigen von kurzfristigen Buchungen, die inzwischen 70 Prozent des Schienen-Güterverkehrs ausmachen.

Standardisierte digitale Bausteine

800 Fahrplaner wie Rüdiger Weiß sind täglich damit beschäftigt, diese Anfragen zu koordinieren. Jahrzehntelang gingen die Aufträge per Fax ein, auch mal handgeschrieben, mussten mühsam ins bahninterne EDV-System getippt werden. Die Wegeplanung erfolgte mithilfe dicker Wälzer über Tunnelprofile, Höchstgeschwindigkeiten oder Baumaßnahmen, die alle paar Wochen neu gedruckt und doch täglich aufwendig korrigiert werden mussten. Fertige Aufträge wurden an alle Stellwerke gefaxt – für die Strecke Hamburg–München waren schnell 100 Mitteilungen fällig.

„Wir mussten schneller und flexibler werden“, sagt Holger Ewald. Um das Gleisdickicht elektronisch zu lichten, entwickelte der Chief-Information-Officer der DB Netz einen digitalen Baukasten, der das gesamte Netz in standardisierte digitale Bausteine zerlegte – von Gleis und Weiche über die Brücke bis zum Tunnel –, auf die die Fahrplaner nun virtuell zugreifen können. Das reduziert nicht nur die Bearbeitungszeiten und erleichtert die Kommunikation – der Kunde kann alle nötigen Angaben per Mausklick abhaken und per Zugradar später Strecke und aktuelle Position seines Zugs auf dem Bildschirm verfolgen. Das zahlt sich aus: Das Netz lässt sich nun um fünf Prozent besser auslasten.

„Wir haben nicht nur die Zahlen verbessert, sondern auch einen Kulturwandel angestoßen“, sagt DB-Netz-Vertriebsvorstand Jörg Sandvoß. „Die Bereitschaft für digitales Denken ist intern gewachsen.“

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