Studenten der Harvard Business School lernen derzeit von Julius Cäsar. In der Veranstaltung „All Roads Lead to Rome“ wollen die Managementprofessorin Frances Frei und die Historikerin Emma Dench vermitteln, dass sich das Führen eines weltumspannenden Imperiums gar nicht so sehr vom Lenken eines Konzerns unterscheidet: Man muss Untertanen in allen Provinzen zufriedenstellen, Angriffe an den Grenzen des eigenen Einflussbereichs abwehren und diejenigen in Schach halten, die sich gerne an Feldherrs statt auf den Thron setzen würden.
Damals, möchte man meinen, war Führung noch einfach. Die Autorität war quasi gottgegeben, Entscheidungen konnte der Herrscher zur Not im Alleingang fällen – nur irren durfte er sich nicht. Sonst drohte nicht der Rauswurf, sondern der Tod.
Wie schön, dass heutige Führungskräfte dieses Schicksal umgehen können. Aber anders als römische Kaiser sind sie darauf angewiesen, dass ihre Geführten sie tatsächlich akzeptieren und respektieren. Dazu steht ihnen eine Fülle unterschiedlicher Führungsstile zur Verfügung, aus der sie sich jene aussuchen können, die am besten passen. Aber Vorsicht: Nicht jeder Chef kann jede Rolle gleich gut ausfüllen. „Man darf nicht verlangen, dass alle alles können“, sagt Jürgen Weibler, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Fernuniversität Hagen und Autor eines Standardlehrwerks auf dem Gebiet, „sonst entsteht die Gefahr einer latenten Heroisierung von Führung.“ Das ist gar nicht nötig, denn den einzig wahren Führungsstil gibt es ohnehin nicht. Herausragende Chefs beherrschen stattdessen verschiedene Rollen – und wissen um deren Vor- und Nachteile.
Diese Führungstypen gibt es in Unternehmen
Dieser Typ hat die Fähigkeit, Menschen im direkten Kontakt Sicherheit zu geben und ihnen persönlich den Rücken zu stärken. Der Chef ist authentisch, kompetent und besitzt natürliche Autorität. Loyalität und Zufriedenheit der Mitarbeitenden sind Ergebnis persönlicher Vorbildfunktion und Verantwortungsübernahme. Zentrales Ziel ist, langfristig die Arbeitsplätze der Menschen im Unternehmen und stabile Beziehungen und Organisationsverhältnisse zu sichern.
Die zahlengetriebene Führungskraft ist in der Lage, Menschen so zu organisieren, dass sie auf der Basis eines bestehenden Geschäftsmodells maximalen Profit erwirtschaften. Gute Führung erhöht die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens über Strategie, Zielemanagement und ein professionelles, auf Kennzahlen gestütztes Controlling. Zentrales Ziel ist, eine attraktive Rendite für die Kapitaleigner zu gewährleisten.
Eine gute Führungskraft dieses Typs unterstützt und begleitet die Zusammenarbeit in dezentral organisierten, sich flexibel verschiedenen Aufgabenstellungen anpassenden Teams. Wenn der Manager gut ist, fördert er die Erhöhung der internen Diversität, sorgt für maximale Transparenz von Information und gemeinsame Reflexion von Zusammenhängen. Zentrales Ziel ist, Synergiepotenziale im und zwischen Unternehmen zu heben.
Dieser Chef lässt viel Raum für Eigeninitiative und begünstigt die ungehinderte, hierarchiefreie Vernetzung zwischen allen Akteuren im Unternehmen. Wenn er seinen Job gut macht, vereint er Menschen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen unter einer attraktiven Vision und vertraut auf ihre Fähigkeit zur Selbstorganisation. Zentrales Ziel ist, die Komplexität vernetzter Märkte durch eigene Netzwerke zu bewältigen.
Eine gute Führungskraft dieses Typs motiviert hauptsächlich über persönliche Wertschätzung, Freiräume und die Sinnhaftigkeit gemeinsamer Arbeitszusammenhänge. Er ist offen für basisdemokratische Teilhabe. Themen gesellschaftlicher Solidarität und sozialer Verantwortung sind im Alltagshandeln präsent und wichtig. Zentrales Ziel ist, die Interessen aller relevanten Stakeholder optimal zu balancieren.
Der Charismatische
Leidenschaftlich, selbstbewusst, visionär – die Definition klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Tatsächlich sind Untergebene von charismatischen Chefs häufig begeistert. „Sie werden als effektivere Anführer wahrgenommen, und die Geführten sind zufriedener“, sagen die Managementforscher Marc Anderson (Iowa-State-Universität) und Peter Sun (Universität von Waikato in Neuseeland). Solche Vorgesetzten können Mitarbeiter oft besonders gut motivieren und gelten als fähige Krisenmanager.
Wie man so wird? Nach Angaben von John Antonakis von der Universität Lausanne kommt es darauf an, in Reden und Ansprachen bewusst Metaphern einzusetzen, emotionale Vergleiche zu ziehen und durch Mimik und Gestik zu überzeugen. In seinen Studien konnte Antonakis zeigen: Wer diese Techniken einsetzt, wird von seinen Mitarbeitern überdurchschnittlich gut bewertet.
Doch gleichzeitig können Charismatiker im Chefsessel auch schaden, wie etwa Jochen Menges von der WHU Otto Beisheim School of Management in einer aktuellen Studie herausfand. In einem Experiment ließ er Studenten zunächst über Führungskräfte nachdenken, die sie selbst einmal erlebt haben. Eine Gruppe sollte dabei explizit an ein inspirierendes Vorbild denken, die Kontrollgruppe bekam diese Vorgabe nicht. Danach schauten alle Teilnehmer ein emotionales Video. Dabei wurden sie gefilmt, um anhand ihrer Mimik zu beurteilen, wie stark sie ihre Gefühle zeigen.
Das Ergebnis: Die Konzentration auf charismatische Chefs führte dazu, dass die Studenten ihre Gefühle tendenziell eher unterdrückten. „Sie können ihre Mitarbeiter mit ihrem inspirierenden, fast hypnotisierenden Auftritt überwältigen“, sagt Menges. Deswegen könnten die Geführten zu eingeschüchtert sein, um ihre Gefühle auszudrücken. Oder sie hinterfragen Weisungen ihrer beeindruckenden Chefs weniger – langfristig zum Leidwesen aller Beteiligten.