Riedls Dax-Radar

Börse setzt auf Merkel-Koalition

Die Politik der amerikanischen Notenbank kommt an den Anlagemärkten gut an. Mittelfristig hat der Dax das Niveau um 13.000 im Blick – wenn die Bundestagswahl am Sonntag nicht völlig überraschend ausgeht.

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Angela Merkel hinter einem riesigen CDU-Logo. Quelle: dpa

Was wird die amerikanische Notenbank Fed nicht alles gescholten, vor allem von Ökonomen hierzulande. Durch ihre extrem expansive Geldpolitik habe sie das weltweite Finanzsystem aus den Fugen gebracht, eine Blase nach der anderen erzeugt und unter Strich Banken und Finanzkonzerne reich gemacht und Sparer arm.

Und als ganz große Gefahr wurde und wird die Zinswende an die Wand gemalt: Wenn eines Tages die Zinsen steigen, dann werde der ganze zinsinduzierte Boom bei Aktien, Anleihen und Immobilien in sich zusammenfallen – in einer Krise, gegen die der Sturm von 2008 ein laues Lüftchen gewesen sei.

Nun, Angst war an der Börse noch nie ein guter Ratgeber. „Seit 240 Jahren ist es ein schrecklicher Fehler, gegen Amerika zu wetten – und es ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, damit anzufangen.“ Dieser Satz stammt von Börsenlegende Warren Buffett, der in seinem Chairman’s Letter jedes Jahr auf seine ganz eigene Weise die Kapitalmärkte kommentiert – und der es für völlig sinnlos hält, gegen den langfristigen Anstieg an den Börsen mit Short-Aktionen vorzugehen. An dieser Einschätzung des Altmeisters werden – natürlich – auch die in den nächsten Monaten wahrscheinlich anstehenden Zinserhöhungen in den USA und die Rückführung der Notenbankliquidität nichts ändern.

Weitere Zinserhöhungen in Sicht

Bisher sieht es ganz danach aus, dass die Fed bei ihren Aktionen erfolgreich ist. Die amerikanische Wirtschaft, so die Einschätzung von Janet Yellen, sei auf gutem Weg und robuster als zuletzt befürchtet. Für dieses Jahr könnten es 2,4 Prozent Wachstum werden, für 2018 liegen die Schätzungen bei zwei Prozent. Das heißt, neben der Rückführung der Bilanzsumme wird es auch im nächsten Jahr einige kleinere Zinserhöhungen geben.

Und was machen die Märkte daraus? Bei den zehnjährigen US-Staatsanleihen sind die Renditen in diesem Monat von 2,0 auf 2,3 Prozent gestiegen, immerhin. Sie sind damit aber weiter im Korridor der vergangenen fünf Jahre, der zwischen 1,5 Prozent und 3,0 Prozent liegt. In diesem Jahr könnten sie 2,5 bis 2,6 Prozent reichen.

Die Dax-Favoriten der Woche

Von diesem verträglichen Zinsanstieg lassen sich die Aktien nicht beunruhigen. Im Gegenteil: Mit mehr als zehn Prozent Plus seit Jahresanfang und einer stabilen Entwicklung zeigt der US-Markt das Bild einer intakten Hausse: Alle drei großen Kurven – Dow, S&P und Nasdaq – verlaufen in stabilen, langfristigen Trends. Ganz anders übrigens als 2007, im Vorfeld der Finanzkrise, als ein Index nach dem andern schon Monate vor dem großen Kurskrach abdrehte.

Eine passabel laufende Wirtschaft, die langsame Normalisierung des Zinsniveaus und Asset-Märkte, die sich in einer robusten Verfassung befinden: Für Investoren sind das ideale Bedingungen. Umso mehr, da latente Crash-Ängste die Märkte vor zu großem Optimismus bewahren.

Auto-Aktien sind besser als ihr Ruf

Sogar der Dax hat in den vergangenen Tagen massiv an Substanz gewonnen. Vor zwei Wochen, am 8. September, war hier davon die Rede, dass eine Herbst-Rally möglich sei. Nun, mit bisher 12.600 Punkten hat der Markt das erste, kurzfristige Ziel erreicht.

Vor allem halfen dabei die vielgescholtenen Auto-Aktien. Der Hintergrund: BMW, Daimler und Volkswagen liefern in ihrem operativen Geschäft derzeit vielfach Rekordzahlen. Natürlich sind sie in Sachen E-Auto weit hinter ihren Möglichkeiten und der strahlenden Konkurrenz von Tesla.

Dennoch wächst unter Anlegern die Hoffnung, die klassischen Autokonzerne könnten über genug technisches und finanzielles Potenzial verfügen, dass sie in den nächsten Jahren die Wende zum E-Auto hinbekommen. Schon heute sind ihre Aktien, vor allem BMW und Daimler, günstig bewertet und mit einer guten Rendite ausgestattet. Im Grunde sind sie eine langfristige Turnaround-Spekulation.

Wie schnell es hoch gehen kann, zeigt Continental. Zu Unrecht wurde die Aktie in den vergangenen Monaten mit der alten Auto-Welt in Sippenhaft genommen. Conti ist bei den neuen Techniken um autonomes Fahren und alternative Antriebe vorn dabei. Und das klassische Geschäft mit Reifen, das hochrentabel ist, wird sich durch die E-Autos eher beschleunigen. Elektromotoren haben im Gegensatz zu klassischen Verbrennern wesentlich mehr Drehmoment – und das ist ganz entscheidend für den Verschleiß von Reifen.

Kurze Korrektur möglich, dann Anlauf zu neuen Kursrekorden

Bei zwei Dritteln der Dax-Aktien verlaufen die aktuellen Kurse derzeit oberhalb der 200-Tage-Linie. Das ist keine stürmische Hausse, aber ein solider Aufwärtstrend. Die Indexkurve selbst hat sich seit Anfang September vom 200er-Durchschnitt wieder nach oben abgesetzt. Auch das ist ein klassisches Signal für eine neu angelaufene Hausse-Phase. Geht es nach typischem Muster weiter, wäre jetzt um 12.600 eine Konsolidierung möglich (die maximal bis 12.300 nach unten gehen könnte) und danach käme ein Anstieg bis etwa 13.000.

Diese stabile Verfassung signalisiert, dass die Aktienmärkte von der Bundestagswahl am Sonntag keine negativen Überraschungen erwarten. Faktisch setzen Anleger auf eine Fortsetzung der Kanzlerschaft Angela Merkels, mit welcher Koalition auch immer.

Das aber heißt im Umkehrschluss: Sollte es dennoch am Sonntag zu einer Überraschung kommen, könnte es heftige Kursreaktionen geben. Vor allem dürfte das der Fall sein, wenn die AfD deutlich stärker abschneidet, als bisher erwartet. Dann könnte sich bei Anlegern die Angst breit machen, dass internationale Investoren um Deutschland und deutsche Assets einen Bogen machen. Sollte es infolge dessen einen Rückschlag unter 12.300 geben, wäre das ein weiteres Warnsignal. Dennoch: Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass es im Dax vorerst nicht viel mehr als eine kurzfristige Reaktion gibt und danach die Fortsetzung der großen Aufwärtstendenz.

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