Riedls Dax-Radar
Motor der Markterholung ist das Comeback der großen Technologieaktien. Quelle: imago images

Comeback nach 1,6 Billionen Dollar Kursverlusten

Die Hoffnung auf moderate Zinsen und konziliante Politiker hilft den Aktienkursen, das Comeback der Technologieaktien ist der Motor. Wenn der Dax die 11.200 Punkte hält, ist sogar noch eine kleine Jahresendrally möglich.

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Eine Verschärfung des Handelskriegs mit China könnte die US-Wirtschaft, so eine Hochrechnung der OECD, bis zu 0,8 Prozentpunkte Wachstum kosten. Das wären dann, über den Daumen gepeilt, zwei statt drei Prozent auf Jahressicht. Ob ein solches Risiko Präsident Trump bei den Gesprächen mit den Chinesen verhandlungsbereit machen wird, ist fraglich.

Auf der anderen Seite hat die chinesische Wirtschaft merklich an Widerstandskraft verloren. Vor allem ihre aufstrebende Hightech-Industrie ist abhängig von Lieferungen aus Amerika. Diese Gefahr könnte dazu führen, dass die Chinesen derzeit eine konziliante Linie verfolgen – und das wiederum gäbe Trump die Chance, letztlich als Gewinner der Verhandlungen zu erscheinen.

Für die Weltbörsen entsteht damit sogar ein latenter Vorteil: Nachdem in den vergangenen Wochen die Angst vor einem weltweiten Handelskrieg dominiert hat, besteht nun zumindest die Möglichkeit, dass es doch nicht zum Worst Case kommt. Schon das wäre für die Märkte eine Erleichterung.

Die spannendsten Aktien der Woche

Die zweite Triebkraft für die jüngste Erholung an den Börsen kommt von der Zinsseite. Seit Wochen zeichnet sich ab, dass die US-Wirtschaft an Dynamik verlieren könnte. Damit schwindet auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Notenbank die Zinsen weiter zügig heraufsetzt. Die jüngsten Äußerungen von Fed-Chef Jerome Powell deuten in diese Richtung. Immerhin, nach acht Zinserhöhungen in drei Jahren wäre eine längere Pause nicht verwunderlich. Gut möglich, dass die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen damit erst einmal weiter um den Wert von drei Prozent pendelt.

Dass zugleich in Europa die bis vor kurzem weit gestiegenen Risikoaufschläge für italienische Staatsanleihen wieder etwas geringer werden, könnte auch hierzulande zu einer Zinsentspannung beitragen. Vorteil: Wenn die Zinsen in den USA nicht mehr steigen und zugleich in Europa gedämpft bleiben, wird es bei den Währungen keine großen Verschiebungen geben. Der Euro könnte damit auf absehbare Zeit weiter zwischen 1,13 und 1,15 Dollar pendeln, ein verträgliches Niveau für Konjunktur und Börsen.

Amazon und Apple als Basis der Kurserholung

Motor der Markterholung ist das Comeback der großen Technologieaktien. Hier war es in den vergangenen Wochen zu schweren Kursverlusten gekommen, fast 1,6 Billionen Dollar an Börsenwert haben alle Aktien des Nasdaq-Composite-Index zusammengenommen verloren.

Doch bei den meisten großen Tech-Werten geht die Erfolgsgeschichte weiter. Amazon hat in diesem Jahr mehr als je zuvor verdient und gehört Dank seiner Marktstellung beim Cloud-Computing zu den Gewinnern der weltweiten Digitalisierung. Weit mehr als die Hälfte seiner Erträge holt Amazon aus der Cloud.

Bei Apple wird seit langem befürchtet, dass das Wachstum jenseits des iPhone abflauen könnte. Dabei wird übersehen, dass Apple über Preiserhöhungen und nach wie vor lebhafte iPhone-Verkäufe unterm Strich immer wieder hohe Gewinne einfährt. Und weil die Ängste um Apple so verbreitet sind, ist die Aktie sogar besonders günstig.

Die Zinsentspannung in Amerika und die Erholung führender US-Aktien ist derzeit besonders wichtig, weil zuletzt sogar die Nasdaq-Börse und der Dow Jones gefährlich ins Wanken gekommen waren. Noch immer liegen die Notierungen im Nasdaq-Composite-Index ein Stück unterhalb der 200-Tagelinie, die bei 7500 Punkten verläuft. Dem Dow Jones ist bis zur Stunde der Sprung über die wichtige Hürde von 25.000 Punkten wieder gelungen. Kommen jetzt keine Querschüsse von Donald Trump, könnte der Dow Jones in den nächsten Tagen bis in den Bereich um 26.000 vordringen.

Verhaltene Jahresendrally ist immer noch möglich

Der Dax hängt hier hinterher. Von den 30 Einzelaktien verlaufen bei 24 die aktuellen Notierungen unterhalb der jeweiligen 200-Tage-Linie. Das sind 80 Prozent­ - stabile Baisse. Selbst wenn es zu einigen freundlichen Tagen kommt, sind das nur Zwischenerholungen und nicht wieder die Aufnahme des alten Aufwärtstrends.

Die Aktie der Deutschen Bank ist nach der jüngsten Razzia wegen Geldwäscheverdachts weiter im Abwärtstrend. Allerdings hat diese Meldung im Kursverlauf weniger stark eingeschlagen als an der Nachrichtenfront. Offensichtlich sind die Aktionäre der Deutschen Bank nicht nur leidgeprüft, sondern mittlerweile auch ziemlich abgehärtet. Mit anderen Worten: Wer die Aktie jetzt noch hat, lässt sich selbst durch solche möglichen Enthüllungen kaum noch abschrecken. Langfristig könnte aus einer solchen Konstellation sogar ein Kursboden entstehen.

Bei Wirecard kommt es prozentual gesehen zu hohen Kursgewinnen. Die sind allerdings nur die Folge der zuvor erlittenen Verluste. Seit September hat die Aktie ein Drittel an Wert eingebüßt. Bis 150 oder 160 Euro könnte eine Zwischenerholung nun laufen. Fundamental ist die Aktie im Vergleich zu anderen Werten der Branche überbewertet.

Zu den wenigen Überfliegern gehören derzeit Vonovia-Aktien. Das Unternehmen profitiert vom ungebrochenen Boom am Wohnungsmarkt, von der Aussicht auf dauerhaft niedrige Zinsen, dicke Gewinne aus Vermietung und den immer stärkeren immobiliennahen Dienstleistungen. Zumindest bis zum bisherigen Hoch bei knapp 45 Euro dürfte die Aktie noch einmal steigen.

Fazit zum Dax: Die Aussicht auf eine US-Zinsentspannung und die Stabilisierung im Dow Jones sollte den Dax bis Jahresende vor einem größeren Absturz bewahren. Wenn der Dax in den nächsten Tagen noch einmal das Niveau um 11.200 Punkte erfolgreich testet, könnte er danach dann bis in den Bereich 11.700 oder 11.800 Punkte vordringen. Das wäre dann sogar eine kleine Jahresendrally mit einer deutlichen Entfernung vom Jahrestief, das bei 11.009 Punkten lag. 

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