Riedls Dax Radar Gegen die Zinsangst: Neue Favoriten für wackelige Börsen

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Fresenius, Münchener Rück und Deutsche Telekom wieder gefragt

Im Dax zeigt sich das besonders an den Antizyklikern Fresenius und Deutsche Telekom. Fresenius war durch eine umstrittene Übernahmepolitik und die Folgen der Coronakrise schwer unter Druck geraten. Nun aber, nachdem die Aktie durch einen mehrjährigen Abwärtstrend gegangen und dabei günstig geworden ist, wächst die Hoffnung auf die Zeit nach Corona. Die eingeschlagenen Kostensenkungsmaßnahmen des Unternehmens dürften sich noch im laufenden Jahr in den Zahlen auswirken; eine mögliche Umstrukturierung des Konzerns über Ausgliederungen sorgt bei Investoren zusätzlich für Fantasie. Mit dem dynamischen Kursanstieg seit März könnte Fresenius nach vier Jahren Baisse die Kurswende eingeleitet haben. Kurzfristig wäre es gut, wenn die Notierungen im Zuge der allgemeinen Korrektur nicht mehr unter 40 Euro rutscht. 

Gut gestiegen ist zuletzt der Kurs der Deutschen Telekom. Dahinter steckt nicht nur das stabile Geschäftsmodell des Unternehmens, das sich besonders in der Pandemie bewährt hat. Die Kursentwicklung ist auch Folge der 5G-Revolution und der neuen digitalen Techniken, die ohne leistungsfähige Mobil- und Festnetze nicht funktionieren.

Dazu kommt ein wichtiger strategischer Dreh, den derzeit praktisch alle europäischen Telekomkonzerne verfolgen: Zum kostspieligen Ausbau ihrer Netze und ihrer Infrastruktur holen sie sich professionelle Investoren ins Boot, die angesichts allgemein niedriger Zinsen dieses Angebot auch gern und reichlich annehmen. Zugleich können die Telekoms unter diesen Bedingungen problemlos über eigene Mehrheiten das Sagen behalten. Zusätzlich schüren sie noch die Fantasie der Anleger, indem sie ihre Infrastruktursparten (Masten, Leitungen, Netztechnik) ausgliedern, in Gemeinschaftsunternehmen überführen oder an die Börse bringen. Dass sie zudem seit Jahren zuverlässig hohe Dividenden bieten, macht sie auch für Bondinvestoren interessant. Nachdem die Telekom-Aktie das Niveau um 15,50 Euro überwunden hat, sollte sie nun die Region der Top-Kurse der vergangenen Jahre bei rund 18 Euro ansteuern. 

Eine Alternative für wechselwillige Technologieinvestoren ebenso wie für risikofreudige Anleihekäufer ist die Münchener Rückversicherung. Auf 2,8 Milliarden Euro hat die Münchener Rück nach dem starken ersten Quartal ihr Gewinnziel für 2021 hochgesetzt. Das erste Quartal begann mit 589 Millionen Euro Nettogewinn, plus 166 Prozent. Allerdings müssten, um die Prognose zu erfüllen, die weiteren Quartale noch besser ausfallen; leicht wird das nicht. Das Kapitalanlageergebnis der Münchener wird unter Druck bleiben, weil Neuanlagen trotz erhöhtem Zinsniveau nicht soviel einbringen wie auslaufende, ältere Wertpapiere. Sollte es zu einer längeren Korrektur an den Aktienmärkten kommen, bekämen das die Münchener zu spüren, da sie zudem gerade ihre Aktienquote ein Stück hochgesetzt haben. Und ob nicht wieder Naturkatastrophen die Rechnung so stark belasten wie im ersten Quartal, ist eine offene Frage. Allerdings, selbst wenn am Ende nur 2,5 Milliarden Euro bleiben sollten, dürfte die Dividende steigen und die wegen Corona ausgesetzten Aktienrückkäufe könnten wieder einsetzen. Die Münchener Rück ist eine Daueranlage im Dax, die sich für Einsteiger besonders bei Rückschlägen lohnt. Aktuell könnte das im Bereich 230 bis 200 Euro der Fall sein; in diesem Kursbereich kam es in den vergangenen Jahren mehrmals zu Konsolidierungen.

Fazit für den Dax: Auch wenn der Zinsanstieg sicher kein Vorteil für Technologieaktien ist, liegt der eigentlich Grund für ihre Schwäche in dem mittlerweile erreichten hohen Kursniveau. Ein Rückgang im taktgebenden Index, dem Nasdaq 100, unter den Bereich 12.500 Punkte (hier verläuft aktuell die 200-Tagelinie) oder 12.200 Punkte (hier liegt das jüngste mittelfristige Tief vom März) wäre ohne Frage ein gefährliches Signal. Mit einem Stand von 13.100 Punkten ist der Nasdaq-Index jedoch ein gutes Stück von dieser Nagelprobe entfernt. Dass sich die Zinsen für US-Bonds nach ihrer jüngsten Rally auf 1,70 Prozent zuletzt wieder auf 1,65 Prozent etwas beruhigt haben, hilft bei der Stabilisierung. 

Der Dax konnte sich in diesem Umfeld dank der Widerstandskraft seiner Klassiker und dem Anstieg seiner Defensivwerte zweimal wieder über die Marke von 15.000 Punkten retten. Zwischen 14.800 und 15.500 Punkten ist dabei eine Schiebezone entstanden, die immer mehr die Form einer Konsolidierung in einem übergeordneten Aufwärtstrend annimmt, also keine Kurswende nach unten sein dürfte. 

Für dieses positive Szenario wäre es gut, wenn die zehnjährigen US-Renditen erst einmal in ihrer mittelfristigen Bandbreite zwischen 1,55 und 1,75 Prozent bleiben und nicht nach oben hinausdringen. Dass sich die US-Wirtschaft nach einem hochdynamischen zweiten Quartal dann im zweiten Halbjahr etwas beruhigt und 2022 in moderateres Fahrwasser übergeht, wäre dazu das passende Umfeld. 


Mehr zum Thema: Trotz Corona schütten einige Konzerne viel Geld an ihre Aktionäre aus. Der Dividendenkönig aus dem WiWo-Ranking der besten Aktien der Welt profitiert von der Rohstoff-Rally.
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