Riedls Dax-Radar
Fünf Risiken – und fünf Chancen für die Börsen Quelle: imago images

Fünf Risiken – und fünf Chancen für die Börsen

Es wird eng für den Dax, doch verloren ist der Kampf um den großen Trend an den Börsen noch nicht. Die Entscheidung darüber steht kurz bevor. Welche Faktoren den künftigen Kurs bestimmen.

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Erstes Risiko: Der Handelskonflikt zwischen den USA und China

Die jüngsten Wirtschaftszahlen auf beiden Seiten zeigen, dass der Handelsstreit mittlerweile empfindlich auf die Realwirtschaft durchschlägt. Bisher überwog an den Märkten die Hoffnung, dass sich die Akteure letztlich zusammenraufen. Diese Hoffnung schwindet durch die sture Haltung Trumps und die Verhärtung bei den Chinesen. Wenn sich an den Aktienmärkten die Überzeugung durchsetzt, dass es auf absehbare Zeit keine verträgliche Einigung gibt, können die Kurse noch weiter nachgeben.

Zweites Risiko: Die Rohstoffmärkte kippen ab

Entgegen der Erwartung, dass sich die Rohstoffmärkte stabilisieren, kam es zuletzt sogar zu crashartigen Verlusten. Der Ölpreis ging so stark wie seit Monaten nicht mehr in die Knie, Brent-Notierungen rutschten tief unter die Durchschnittslinie der vergangenen 200 Tage. Auslöser waren höher als erwartete Lagerbestände in den USA, starke Produktionsdaten und eine niedrige Nachfrage. Bei Kupfer zeigt sich ein ähnliches Bild, hier ging es ebenfalls weiter runter als erwartet. Beides zeigt, wie die Märkte dazu übergehen, eine enttäuschende Wirtschaftsentwicklung einzupreisen. Schwächere Rohstoffmärkte sind auch eine Gefahr für viele Schwellenländer – und das wiederum schlägt auf die Konjunkturerwartungen der Industrieländer zurück.

Drittes Risiko: Die wachsende Verschuldung

Die Fed warnt vor einer steigenden Verschuldung bei vielen Unternehmen. Besonders anschaulich zeigt sich das am Anleihemarkt, der größten Verschuldungs-Orgie weltweit. Für Anleger ist das umso gefährlicher, da wegen der minimalen Renditen die Risiken ohnehin kaum noch angemessen bezahlt werden.

Viertes Risiko: Die unsichere europäische Zukunft

In den vergangenen Jahrzehnten war der Zusammenschluss der europäischen Länder ein Garant für Sicherheit, Stabilität und wirtschaftliche Koordination – und damit für die Wertpapiermärkte ein wichtiges Fundament. Diese Basis bricht weg. Sollten in der bevorstehenden Europawahl nationale Populisten besser abschneiden als erwartet, wäre das eine weitere Belastung für die Börsen. Driften die einzelnen Länder weiter auseinander, wird eine kohärente Zinspolitik immer schwieriger. Dabei ist die EZB mit ihrem extremen Niedrigzins ohnehin schon ein ganzes Stück weiter von der wirtschaftlichen Realität entfernt als die Fed, die ihre Zinsen drei Jahre lang erhöht hat. Ein Gegengewicht zum Dualismus USA gegen China kann ein uneiniges Europa auch nicht spielen.

Fünftes Risiko: Die Eigendynamik der Anlagemärkte

Die enormen Kurssteigerungen bei Anleihen und bei zahlreichen Aktien, die hohen Preise für Immobilien und die Exzesse, die es mittlerweile auf Spezialmärkten gibt (vor kurzem wechselte in New York ein Bild von Claude Monet für 111 Millionen Dollar den Besitzer), sind Signale einer Überhitzung. Die Gefahr dieser Preisblasen besteht darin, dass es beim Platzen einer Blase zu einem Ansteckungseffekt auf andere Märkte kommt – bis hin zum Einfluss auf die Realwirtschaft, wie dies in der Finanzkrise 2008/09 geschehen ist.

Die Finanzkrise zeigt auch, dass es Monate dauern kann, bis die Märkte sich für die eine oder andere Richtung entscheiden. Auch jetzt, egal wie das Kräftemessen zwischen Haussiers und Baissiers ausgehen wird, ist es wenig wahrscheinlich, dass die Börsen schon nach einigen schwachen Tagen ihre große Richtung ändern. Mit Grund, denn es gibt auch Lichtblicke.

Was für eine fortgesetzte Aufwärtstendenz spricht

Erste Chance: Die Wirtschaftsschwäche zwingt zu Verhandlungen

Die chinesische Wirtschaft bekommt mittlerweile die Folgen des Handelsstreits zu spüren, auf US-Unternehmen schlägt der Konflikt um den chinesischen Telekomausrüster Huawei zurück. Immer offensichtlicher wird, wovor Ökonomen seit Monaten warnen: Zollstreit und Protektionismus kennen im Prinzip nur Verlierer. Eine Chance besteht darin, wenn der Leidensdruck auf beiden Seiten so groß wird, dass Gespräche doch wieder aufgenommen werden und es letztlich zu neuen Handelsvereinbarungen kommt; vielleicht am G-20-Treffen Ende Juni in Japan.

Zweite Chance: Neuer Spielraum bei den Zinsen

Der Geldpolitik unter Janet Yellen verdanken es die Märkte, dass die weltweit wichtigste Notenbank einen substanziellen Spielraum hat. Die amerikanische Fed könnte, nachdem sie Ende 2015 die Zinswende nach oben einleitete, auch wieder die Zinsen senken. Von einer Pause im Erhöhungsprozess ist schon seit Monaten die Rede. Nun gibt es in der Fed Stimmen, die angesichts der schwächeren Wirtschaft sogar für eine baldige Zinssenkung plädieren. Der jüngste Renditerückgang der zehnjährigen US-Anleihen auf 2,3 Prozent könnte dafür ein Vorzeichen gewesen sein.

Dritte Chance: Der Konjunkturrückgang ist nur vorübergehend

Zahlreiche Indikatoren, von Ifo bis Markit, deuten auf eine Verlangsamung des Wachstums. In Deutschland ist vor allem in der Industrie das Klima frostig geworden. Gründe sind die Unsicherheit im Zollstreit und die besonderen Probleme der einstigen Vorzeigebranche Automobile. Auch die Chemiebranche, das zeigt im Dax derzeit die schwache Entwicklung von Covestro, ist unter Druck gekommen. Sollte es in den nächsten Wochen nun aber auf politischer Ebene zu einer Verständigung kommen, könnte schnell ein Nachholeffekt eintreten. Umso mehr, da viele Unternehmen Umbaumaßnahmen einleiten, die sich in den nächsten Jahren auszahlen sollten; in der Chemiebranche hierzulande etwa BASF. Expansive Zinsschritte könnten sowohl in Asien wie in den USA 2020 wieder zu einer stärkeren allgemeinen Konjunktur führen.

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Vierte Chance: Technologische Trends sind ungebrochen

Trotz allgemeiner Zitterpartie drängen einige Schwergewichte unbeeindruckt nach oben. In Amerika sind das etwa Microsoft oder Adobe, im Dax SAP, Linde oder – von niedriger Basis aus – Siemens. Dies ist nicht nur ein Zeichen für die richtige Strategie dieser Unternehmen; das belegt auch die Stärke großer technologischer Trends wie Internet und Digitalisierung. Und es stehen weitere Trends am Start: In der Gesundheitsbranche profitieren führende Adressen wie Roche, Novartis oder Merck KGaA von neuer Hoffnung im Kampf gegen Krebs. In der Nahrungsmittelbranche kann sich der Trend zu bewusster Ernährung für große Hersteller als Chance herausstellen – wenn etwa Nestlé für zuckerreduzierte Schokolade besonders hohe Margen einfahren kann.

Fünfte Chance: Der kurzfristige Pessimismus macht Erholungen möglich

Alle großen Aktienmärkte stecken seit Anfang Mai in einer Korrektur. Das Ausmaß dieser Korrekturbewegung ist bisher keineswegs ungewöhnlich. Von den mehr als 2000 Punkten, die der Dax von Januar bis April gewonnen hat, gingen bisher gut 600 Punkte verloren. Trotz der überschaubaren Verluste haben sich die Stimmungsindikatoren deutlich abgekühlt. Mit anderen Worten: Die Lage an den Aktienmärkten ist nicht so schlecht, wie die Ängste vieler Anleger befürchten lassen. Sollte sich bei den Risikofaktoren eine Entspannung andeuten, sind schnelle Erholungen an den Märkten möglich.

Fazit: Handelskonflikt und Wirtschaftsabschwächung dürften das Klima an den Börsen weiterhin beeinträchtigen, niedrige Zinsen und die Aussicht auf verhaltenes Wachstum sollten größere Rückschläge verhindern. Kurzfristig gilt nach wie vor die Devise: Solange der Dax das Niveau um 11.800 Punkte verteidigen kann, liegt in den nächsten Monaten noch eine Anstiegsphase in der Luft, die in den Bereich 12.500 bis 12.800 Punkte gehen sollte. Wichtig für dieses positive Szenario ist die Stabilisierung der US-Märkte. Der Dow Jones sollte dabei nicht unter den Bereich 25.200 bis 25.300 Punkte abrutschen. Zweimal (am 13. Mai und am 23. Mai) hat er sich von diesem Niveau aus schon nach oben gerettet.  

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