Riedls Dax-Radar
Der argentinische Peso hat ebenso wie der brasilianische Real und andere lateinamerikanische Währungen gegenüber dem Dollar deutlich verloren. Quelle: imago images

Krise in Südamerika: Gefahr für die Aktienmärkte

Schwache Bankaktien und neue Turbulenzen an den Währungsmärkten verunsichern die Börsen. Die nächsten Wochen werden kritisch für den Dax.

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Erst war es der Argentinische Peso, dann erwischte es den Brasilianischen Real, jetzt gerät auch der Mexikanische Peso unter Druck. Eine Währungs- und Wirtschaftskrise der wichtigsten Länder Süd- und Mittelamerikas hätte weltweite Folgen.

Mit 50 Milliarden Dollar stützt nun der IWF Argentinien. Dass Argentinien trotz zunächst vielversprechender, marktwirtschaftlicher Ansätze wieder abdriftet, ist ein beunruhigendes Signal.

Nun erwischt es auch Brasilien. Der Streik der Lkw-Fahrer ist nur ein Symptom, aber er verschlimmert die aktuelle Lage. Auch hier hatten sich die Märkte zuletzt auf eine prosperierende Entwicklung eingestellt. Die droht nun zu kippen.

In Mexiko ist die Wirtschaft im ersten Quartal um gut ein Prozent gewachsen, eigentlich nicht schlecht. Doch nun hat auch der Mexikanische Peso gegenüber dem Euro ein neues, langjähriges Tief gebildet. Gegenüber dem Dollar ist noch etwas Luft, doch auch hier zeigt die Tendenz nach unten.

Zahlen Europas Anleger die Zeche für die autistische Politik Trumps?

Es gibt zwei Gründe, warum sich die Lage in Lateinamerika in den vergangenen Monaten verschärft hat – und beide haben mit der US-Politik unter Trump zu tun.

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Erstes Problem: Die steigenden Renditen für US-Anleihen ziehen seit Monaten Gelder aus den Schwellenländern. Wer drei Prozent für staatliche Dollarbonds und vier Prozent für gute Unternehmensbonds bekommt, muss sein Geld nicht in riskante Schwellenländer tragen. Betroffen sind davon nicht nur die Südamerikaner, sondern vermehrt alle Schwellenländer, die keine stabile eigene Entwicklung vorweisen: Das macht sich in der Türkei genauso bemerkbar wie in Südafrika oder Indien. In China weniger, da das Land politisch und wirtschaftlich ein Schwergewicht geworden ist.

Zweites Problem: Die Zollpolitik Trumps trifft die Schwellenländer, die ganz besonders auf internationalen Handel angewiesen sind. Und dieses Problem wird sich noch verstärken, wenn diese Länder als Reaktion auf Trump ihrerseits Zollschranken errichten.
Seit jeher wurden Krisen in Südamerika von den Märkten in Europa mit Verzögerung wahrgenommen, letztlich schlugen sie aber dennoch durch. Dieses Risiko besteht auch dieses Mal.

Aktuell laufen Verhandlungen der EU mit den Mercosur-Staaten. Die Europäer versuchen, den Handel mit Südamerika als Alternative zum Handel mit den USA auszubauen. Eine Krise in Südamerika würde einen dicken Strich durch diese Rechnung machen.

Für viele deutsche Unternehmen ist Südamerika ein wichtiger Absatzmarkt – für Lastwagen von Daimler ebenso wie für Dünger von Kali und Salz (K+S). Volkswagen plant gerade, mit seiner Marke Seat in Südamerika zu expandieren.

Vor allem ist Südamerika der weltweit zentrale Markt für Agrarrohstoffe. Auch bei Industriemetallen ist das Land führend. Bei Kupfer zum Beispiel, das auch für den Bau von Elektrofahrzeugen gebraucht wird – und dessen Preis seit einigen Tagen durch die Decke geht. Dazu kommt die Bedeutung, die Südamerika für die Wirtschaft Spaniens und Portugals hat; das zeigt sich vor allem beim großen Anteil der Auslandsinvestitionen dieser Länder. Mit der Unsicherheit in Lateinamerika entsteht im schwachen Süden der EU ein weiteres Risiko, zusätzlich zu den aktuellen Turbulenzen um Italien.

Ob die Gespräche der G7-Staaten an der wackligen Situation der Schwellenländer etwas ändern, ist angesichts der zuletzt verhärteten Rhetorik kaum zu erwarten. Die Schwäche der zentralen Währungen jedenfalls verheißt für die nächsten Monate nichts Gutes.

Anleger werden dünnhäutiger, Aktienmärkte anfälliger

Die Börsen in Europa werden von den Schuldenproblemen in Italien und den Risiken in den Schwellenländern in einer kippeligen Verfassung erwischt. Bisher gingen Anleger davon aus, dass sich der robuste Boom fortsetzt und die Gewinnperspektiven der Unternehmen stabil nach oben zeigen. Nun mehren sich die Schwächezeichen. In Deutschland driftete der Ifo-Index über einige Monate ab, auch wenn er sich zuletzt wieder stabilisierte. Offene Flanke ist die Außenwirtschaft. Und das trifft die großen, international ausgerichteten Dax-Konzerne.

Im Index-Verlauf spiegelt sich das wider. Im November vergangenen Jahres drang der Dax bis auf 13.470 Punkte vor, im Januar dieses Jahres kam er ein Stück weiter bis auf 13.560 Punkte. Nun aber, bei seinem jüngsten Anlauf, wurden es nur noch 13.170 Zähler – von denen er mittlerweile sogar wieder deutlich entfernt ist. Dass der Index sein altes Hoch nicht mehr erreichte, geschweige denn übertraf, ist ein klassisches Schwächesignal.

Die Einzelwerte bestätigen den verhaltenen Ausblick. Daimler sackte in den vergangenen Wochen wegen der Abgasproblematik schwer ab. Ein weiterer Rückschlag unter 60 Euro wäre nicht verwunderlich. Auf eine Wertsteigerung des Konzerns wegen einer neuen Struktur – etwa Abspaltung des Nutzfahrzeuggeschäfts – zu spekulieren, ist noch verfrüht.

Bei Henkel gingen die Kurse wegen Lieferproblemen in Amerika zurück, zudem stellte der starke Euro im ersten Quartal eine Belastung dar. Beides sollte sich in den nächsten Wochen ändern. Allerdings, im unsicheren Gesamtumfeld dürfte ein Kursanstieg Zeit brauchen. Wahrscheinlich bleibt es vorerst bei einer Schaukelpartie zwischen 102 und 108 Euro.

Die Deutsche Bank setzte bei neun Euro zu einer ersten, leichten Erholung an. Ob sich daraus die große Wende bildet, ist offen. Wer auf den Turnaround der Deutschen Bank spekuliert, sollte viel Zeit einplanen; wahrscheinlich sogar mehrere Jahre. Immerhin, die bloßen Zahlen in der Bilanz sind besser als die Stimmung gegenüber der Aktie.

Fresenius profitiert von der allgemeinen Stabilisierung der Gesundheits- und Pharmawerte und der Einstufung als Defensivpapier. Wie vor kurzem in der WirtschaftsWoche beschrieben, bleiben hohe Firmenwerte in der Bilanz ein Risiko. In den nächsten Wochen sollte sich die Aktie zwischen 60 und 70 Euro halten.

Bei Thyssenkrupp keimt Hoffnung auf, dass sich der geplante Umbau für Anleger doch noch auszahlen könnte. Sollte sich die Aktie in den nächsten Wochen zwischen 21 und 24 Euro stabilisieren, wäre danach bis Jahresende sogar ein längerer Anstieg möglich.

Einer der besten Werte im Dax ist SAP. Nach dem deutlichen Anstieg der vergangenen Monate ist am bisherigen Top um 100 Euro nun eine Verschnaufpause möglich. Optimal wäre es, wenn die Aktie dabei nicht unter das Niveau 93 bis 94 Euro rutscht.

Große Enttäuschung bei der Deutschen Post. Eine drastische Gewinnkürzung drückt die Aktie auf 30 Euro. Kurzfristig könnte es hier eine Erholung geben, danach dürfte sich der Abwärtstrend fortsetzen.

Fazit für den Dax: Die nächsten Monate werden kritisch. Seit zwei Wochen pendelt der Dax um die 200-Tage-Linie, die bei 12.750 Punkten verläuft. Die aktuelle Schwäche deutet darauf hin, dass es zunächst noch einmal einen Abwärtsschub gibt, der bis in den Bereich um 12.300 Punkte gehen könnte. Gefährlich wird es erst, wenn der Dax bis auf knapp 12.000 abrutscht.

Immerhin, von dieser neuralgischen Untergrenze ist der aktuell noch ein gutes Stück entfernt.

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