Riedls Dax-Radar Schwache Konjunktur stützt schwache Kurse

Schwache Konjunktur stützt schwache Kurse. Quelle: Getty Images

An den Börsen wächst die Angst vor dem großen Crash, immer mehr Einzelaktien erleiden schwere Rückschläge. Und nun kippt auch noch die Konjunktur ab. Doch genau das dürfte den Börsen eine wichtige Stütze geben.

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Die deutsche Wirtschaft hat in den vergangenen Monaten merklich an Schwung verloren. Handelsstreit, Schuldenkrise und die spezielle Entwicklung der deutschen Autoindustrie hinterlassen tiefe Spuren. Sogar das Gespenst einer Stagflation macht die Runde, schwache Wirtschaft bei steigenden Preisen; eine üble Mischung.

Die Preissteigerungen der vergangenen Wochen haben mit der Anspannung bei den Rohstoffen zu tun, vor allem beim Öl. Dazu kommen wetterbedingt in manchen Regionen Folgen des Rheinniedrigwassers, was zu erhöhten Transportkosten und Produktionsausfällen führt.

Indessen dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis sich das wieder beruhigt. Die Notierungen für Rohöl haben schon wieder nach unten gedreht. Auch zentrale Industriemetalle wie Kupfer und Aluminium sind weit von ihren mittelfristigen Topkursen entfernt. Beides deutet darauf hin, dass die Inflationstendenzen wahrscheinlich in der ersten Hälfte 2019 wieder abflauen. Auch auf anderen Märkten, von Immobilien bis Oldtimern, sind ähnliche Entwicklungen zu sehen. Die Zeit der großen Preisdynamik nach oben dürfte vorbei sein.

Für die Börsen könnte hier eine wichtige Unterstützung entstehen. Die Angst vor hohen Zinsen und der vor allem in den USA begonnene Zinsanstieg gehört zu den Hypotheken für den Aktienmarkt. Die wichtigste Zinskurve, die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen, kletterte in den vergangenen Wochen bis auf 3,3 Prozent. Zweimal, Anfang Oktober und Anfang November, liefen die Bonds dieses Niveau an. Mit den Schwächesignalen der Wirtschaft und den rückläufigen Ölpreisen ging es dann aber mit der Rendite wieder nach unten. Derzeit liegen sie noch bei gut drei Prozent.

Ob der Zinsanstieg, der am US-Kapitalmarkt Mitte 2016 begonnen hat, damit schon zu Ende ist, dürfte noch offen sein. Dennoch wächst die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht zu einem Durchmarsch der Rendite auf 3,6 Prozent und mehr kommt, sondern womöglich zu einer längeren Seitwärtsphase, die sich zwischen 2,6 und 3,3 Prozent abspielen könnte.

Für die Börsen wäre eine solche Entspannung auf der Zinsseite umso wirkungsvoller, da sie bisher die wenigsten Akteuren so auf der Rechnung haben. Auch die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen sollte in diesem Umfeld kaum anziehen, sie könnte in den nächsten Monaten weiter im Bereich 0,3 bis 0,5 Prozent pendeln.

Die spannendsten Aktien der Woche

Für die Börsentendenz heißt das: Wenn sich die Wachstumsraten leicht abschwächen und die Zinsen in eine längere Seitwärtsbewegung übergehen, könnten die Aktienmärkte nach der aktuellen Korrekturphase nächstes Jahr ihren Aufwärtstrend wieder fortsetzen. Die Konjunktur darf in diesem Szenario ruhig etwas an Schwung verlieren, sollte aber spätestens Anfang 2019 wieder in den Wachstumsbereich von ein bis zwei Prozent kommen.

Covestro im Crash, heimliche Stärke bei Volkswagen, Comeback für Infineon

Die zahlreichen Kursrückschläge bei vielen Aktien signalisieren, dass die Börsen derzeit von einem negativen Szenario ausgehen. Besonders offensichtlich ist das an Dax-Werten wie Covestro, die sich in diesem Jahr halbiert haben. Die jüngsten Prognosekürzungen schlugen ein wie ein Blitz. Dafür ist die Aktie von der Bewertung nun aber sehr günstig geworden. Und die weiteren Aussichten sind keineswegs trübe. Hochwertige Kunststoffe sind ein Wachstumsmarkt, der gerade bei der Umstellung in der zentralen Fahrzeugbranche immer wichtiger wird. Auf der Einkaufsseite, bei den Rohstoffen, könnte es im nächsten Jahr eine Entspannung geben; die Personalkosten werden durch ein neues Sparprogramm begrenzt. Noch ist die Abwärtsdynamik bei Covestro erheblich, die Bodenbildung der Aktie könnte sich deshalb im weiten Bereich zwischen 40 und 50 Euro abspielen.

Erste Warnsignale

Anzeichen, dass das Schlimmste überstanden sein könnte, gibt es bei Volkswagen. Obwohl es immer wieder zu negativen Meldungen kommt, läuft im Bereich um 150 Euro eine klassische Stabilisierung. Operativ ist bei VW im nächsten Jahr eine Erholung möglich, weil die vorübergehenden Absatzprobleme der vergangenen Monate dann abgehakt sein sollten. Die Verkaufszahlen dürften weiter auf Rekordniveau liegen; schrittweise könnte sich dann auch positive Nachrichten zur milliardenschweren Elektro-Offensive von VW an den Börsen auszahlen. 

Infineon könnte ebenfalls weitgehend durch die Korrektur gekommen sein. Die operativen Zahlen waren zuletzt nicht berauschend, aber eben auch nicht desaströs. Mit Wertverlusten von einem Drittel hat Infineon eine klassische Korrektur vollzogen und das Kursziel der Verkaufssignale von Anfang Herbst abgearbeitet. Der Rückschlag im November ging nicht mehr soweit runter wie im Oktober. Diese relative Stärke spricht dafür, dass Investoren schrittweise wieder Positionen aufbauen.

Noch etwas dauern könnte die Korrektur bei SAP. Durch die jüngste, milliardenschwere Übernahme wird SAP das Cloudgeschäft verstärken; die Wachstumsraten sind hier beachtlich. Der hohe Kaufpreis könnte aber dazu führen, dass die Aktie Mühe hat, ihren Aufwärtstrend zwischen 85 und 90 Euro zu verteidigen. Die langfristige Wachstumsstory von SAP ist intakt.

Bei Thyssenkrupp führen innere Querelen dazu, dass die große Spekulation auf die Hebung verborgener Werte nicht aufging. Eine schnelle Lösung ist derzeit nicht in Sicht. Trotz kurzfristiger Erholungen sind Rückschläge in die Zone 14 bis 16 Euro möglich.

Fazit für den Dax: Zweimal, Ende Oktober und Mitte November, hat der Dax die Untergrenze bei 11.000 Punkten verteidigt. Eigentlich hätte er in den vergangenen Tagen gar nicht mehr so tief sinken dürfen, sondern bei etwa 11.300 bis 11.400 Punkte einen vorübergehenden Kletterversuch starten sollen. Dass er dies nicht geschafft hat, ist ein ernstes Warnsignal.

Als zusätzliches Risiko kommt nun die schwächere Entwicklung der großen US-Indizes dazu. Sowohl Dow Jones als auch Nasdaq 100 haben wichtige Untergrenzen erreicht, die kurzfristig nicht mehr unterschritten werden sollten. Führende Einzelwerte wie Amazon oder Apple haben sich ebenfalls deutlich abgeschwächt.

Im Dax geht es in der kommenden Woche darum, das Niveau von 11.000 zu halten. Gelingt das, sollte bis Jahresende ein Anstieg auf 11.700 möglich sein. Wenn nicht, geht es schnell in Richtung 10.000 Punkte.

So oder so, für Anleger geht es derzeit nicht darum, neue Chancen zu suchen, sondern Risiken zu vermeiden.

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