Stelter strategisch
US-Technologiewerte: Noch stimmt der Trend. Quelle: AP

Ende der Tech-Rally, Ende des Börsenbooms

Daniel Stelter Quelle: Presse
Daniel Stelter Unternehmensberater, Gründer Beyond the Obvious, Kolumnist Zur Kolumnen-Übersicht: Stelter strategisch

Der Einbruch von Facebook markiert den Endpunkt des Bullenmarktes. Für die Technologiewerte und für die US-Börse insgesamt. Zeit, auszusteigen.

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Wer die Performance der US-Börse in den letzten zwölf Monaten verstehen will, vor allem im Vergleich zu Europa, kommt an den Technologiewerten nicht vorbei. Diese stehen nicht nur hinter dem beeindruckenden Kursaufschwung, sondern erklären auch, warum die US-Börse im Schnitt höher bewertet ist, als die Märkte im Rest der Welt.

Der NYSE-FANG+ Index, der neben den bekannten amerikanischen Namen Facebook, Amazon, Apple, Netflix, Google, Tesla, Twitter und Nvidia auch die chinesischen Internetgiganten Alibaba und Baidu beinhaltet, hat alleine seit Jahresanfang beeindruckende 25 Prozent zugelegt. Und glaubt man den Auguren, dürfte es mit dem Aufschwung weiter gehen. Sind es doch genau diese Unternehmen, die mit Wachstum und Ertragskraft herausragen und ganze Industrien erobern. Der Wandel, der mit Beginn des Internetzeitalters erwartet wurde, hat zunächst länger gedauert als erhofft, um dann umso erbarmungsloser zuzuschlagen. Neue Märkte entstehen, in denen gilt „The Winner takes it all“ - und diese Gewinner scheinen festzustehen.

Kritik an den FANGS wächst

Schon vor dem Datenskandal bei Facebook wurden die Geschäftsmodelle der Internetgiganten kritisch beäugt. Dabei kommt die Kritik an den FANGS aus zwei Richtungen. Da sind zum einen die Unternehmen, die zwar von der Börse gemocht werden, denen es aber an Substanz mangelt:
Twitter – in kontinuierlichen Schwierigkeiten und trotz einer Kurssteigerung um mehr als 250 Prozent in den vergangenen zwölf Monaten immer noch ohne wirklich nachhaltiges und profitables Geschäftsmodell.

Tesla – unstrittiger Marktführer und Pionier im Bereich der Elektroautomobilie, hoch verschuldet, unprofitabel und mit sichtlichen Schwierigkeiten, eine Serienproduktion auf die Beine zu stellen. Die Wettbewerber können das und holen das Versäumte im Bereich der Elektrotechnik nach.

Netflix – im vergangenen August hielt Barrons die Aktie für heillos überbewertet. Bei 160 US-Dollar. Heute steht die Aktie bei 320 US-Dollar. Dabei nimmt das Unternehmen pro Quartal eine halbe Milliarde an neuen Mitteln auf, um die aufwendigen Eigenproduktionen – geplant sind für dieses Jahr acht Milliarden US-Dollar - und die immer teurere Kundenakquisition – weitere zwei Milliarden dieses Jahr – zu finanzieren. Die 6,5 Milliarden Schulden des Unternehmens werden als Junk bewertet. Da muss man schon sehr optimistische Annahmen über die Zukunft treffen, vor allem über die Fähigkeit des Unternehmens sich (neue) Wettbewerber wie Amazon, Disney und Apple iTunes vom Hals zu schaffen. Wetten würde ich darauf nicht und schon gar nicht 320 Dollar dafür bezahlen.

Alle drei Unternehmen sind gute Beispiele für meine bekannte Warnung, dass die Märkte länger falsch liegen können, als man Geld hat, gegen sie zu wetten. Ich für meinen Teil hätte mit einer Wette gegen diese Aktien jedenfalls in den vergangenen Monaten viel Geld verloren. Was nichts daran ändert, dass ich sie für heillos überbewertet und damit hochgradig anfällig für einen Stimmungswechsel halte.

von Matthias Hohensee, Georg Buschmann, Frank Doll

Grundsätzlicher und damit gefährlicher ist die Kritik an den anderen (amerikanischen) Vertretern im Index. Apple mag mit einem Kurs jenseits von 180 US-Dollar immer noch günstig und vor allem mehr ein Ertrags- als ein Wachstumswert sein, der wie ein überdimensionierter Geldspeicher aus Entenhausen wirkt. Die Steuerpraxis des Konzerns wird im Zuge der weiteren Verschärfung des Handelskonfliktes zwischen den USA und dem Rest der Welt (zu recht) mehr in den Fokus der Regierungen geraten und damit auch das Risiko steigen, dass wir eine deutlich höhere Besteuerung künftiger Gewinne sehen werden. So sehr das aus Sicht der Steuergerechtigkeit freut, so bedauerlich ist es für die Aktionäre. Höhere Steuern verkleinern den Kuchen. 

Amazon, Facebook und Google (Alphabet) könnten noch grundsätzlicher in die Kritik geraten. Vor allem geht es um die Behinderung von Wettbewerb: die Unternehmen haben eine sehr starke Marktposition, die es Wettbewerbern faktisch unmöglich macht, gegen die etablierten Spieler zu bestehen. Dies liegt an Größeneffekten (die zu entsprechenden Kostenvorteilen führen), Netzwerkeffekten (je mehr Leute dabei sind, desto größer ist der Nutzen, weshalb sich alles bei einem Anbieter konzentriert) und der schieren Menge an Daten, die die Unternehmen sammeln. Diese erleichtern den Einstieg in immer weitere Geschäftsfelder, in denen sie wiederum einen uneinholbaren Vorsprung haben, weil sie bereits über die Daten verfügen,  die sich Wettbewerber mit ähnlichen Geschäftsideen erst mühsam erarbeiten müssen. Ein hoffnungsloses Unterfangen.

Alles dies macht „Big Tech a huge economic problem“, meint sogar die durch und durch wirtschaftsfreundliche Financial Times! Die Unternehmen erwirtschaften Überrenditen, von denen die Märkte glauben, sie hätten ewig Bestand. Preise und Service wären – wie bei derartigen Monopolen üblich – schlecht und die Unternehmen würden überhöhte Preise für Werbung nehmen, während sie gleichzeitig für die Daten, die sie nutzen, nichts bezahlen müssen. 

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