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Chemiebranche – die passende Formel für die Trendwende

Noch ist die Stimmung in der heimischen Chemiebranche schlecht. Doch in anderen Regionen sieht es schon besser aus. Wie interessierte Anleger sich nun positionieren können. Eine Kolumne.

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Ist die Wirtschaft gesund, freut sich die Chemiebranche, könnte man vielleicht in Anlehnung an einen bekannten Werbespruch für Tiernahrung formulieren. Chemie, das ist die Basis der industriellen Wertschöpfungskette. Ohne Chemie sind viele Produkte des alltäglichen Lebens nicht denkbar. Insofern wird die Bedeutung der Chemiebranche als Frühindikator der Konjunktur verständlich. Wenn diese ins Straucheln gerät, spüren das die Chemieunternehmen unmittelbar. Aufträge werden storniert, neue Bestellungen rücken in weite Ferne.

Vor diesem Hintergrund sind die jüngsten Zahlen insbesondere aus der deutschen Chemiebranche quasi schon so eine Art Offenbarung. Weil die deutsche Konjunktur schwächelt, warnen die Unternehmen vor Umsatz- und Gewinneinbrüchen in diesem Jahr. So etwa BASF, eines der führenden deutschen Chemieunternehmen. Lagen die bisherigen Umsatzprognosen für 2023 ohnehin schon unter den Vorjahreswerten, wurden sie jüngst vom Management noch einmal reduziert. Nur noch zwischen 73 und 76 Milliarden Euro wird das Unternehmen in diesem Jahr umsetzen können, so die Schätzung, im Vorjahr waren es noch über 87 Milliarden Euro.

Kein Einzelfall, wie die Beobachtungen des Branchenverbandes VCI zeigen. Allein im ersten Halbjahr 2023, so die Chemieexperten, ist der Branchenumsatz um über elf Prozent eingebrochen. Ein Rückgang, der sich noch ausweiten könnte. Ende 2023, so der VCI, könnte beim Umsatz ein Minus von 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen sein. „Das Haus brennt“, kommentiert der VCI-Präsident Markus Steilemann die Lage am deutschen Chemiemarkt. Damit begegnet der Verbandschef auch Erwartungen, dass die Talsohle durchschritten sein könnte. Denn die Belastungsfaktoren bleiben, wie etwa der Fachkräftemangel am Arbeitsmarkt und die hohen Strompreise.

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Besserung auf globaler Ebene

Dabei bleibt unklar, ob Steilemann mit seiner relativ düsteren Einschätzung voll ins Schwarze trifft oder doch auch Druck auf die Politik aufbauen will. Denn sein Verband fordert zur Entlastung der heimischen Chemiebranche und anderer energieintensiver Industrien einen reduzierten Strompreis. Forderungen, die in Berlin nicht ungehört bleiben. Verschiedene Arbeitspapiere sind im Umlauf, eine endgültige Entscheidung zu einem deutschen Industriestrompreis steht aber noch aus.

Dabei zeichnet sich am Horizont durchaus eine Besserung für die Chemieindustrie ab, allerdings mehr auf globaler als auf heimischer Ebene. So rechnet der amerikanischen Branchenverband ACC zwar mit einem Rückgang bei der Produktion chemischer Produkte in den USA in diesem Jahr mit 1,6 Prozent, doch für das kommende Jahr schon wieder mit einem Zuwachs von 1,2 Prozent. Die USA sind mit einem Weltmarktanteil von elf Prozent immerhin der nach China zweitgrößte Chemieproduzent.

Doch das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die US-Unternehmen zu kämpfen haben. So musste Dow, das nach Umsatz größte Chemieunternehmen in den USA, im zweiten Quartal einen kräftigen Rückgang beim Umsatz vermelden. Dieser schrumpfte in den drei Monaten bis Ende Juni im Jahresvergleich um 27 Prozent auf 11,4 Milliarden Dollar. Für das Gesamtjahr rechnen Analysten bei Dow mit einem Umsatz von 44,5 Milliarden Dollar, nach knapp 57 Milliarden Dollar im Vorjahr. Also auch hier, wie bei den meisten deutschen Unternehmen, ein kräftiger Rückgang.

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Dennoch: Im Gegensatz zum deutschen Markt gibt es in den USA durchaus berechtigte Hoffnung auf eine Trendwende. So verweisen Beobachter darauf, dass durch die Wiederaufnahme einiger Großprojekte in der US-Schieferöl und -gasindustrie dem Preisanstieg bei fossilen Brennstoffen entgegengewirkt werden kann. Zudem kurbeln verschiedene Förderpakete wie der Infrastructure Investment and Jobs Act von November 2021 und der Inflation Reduction Act auch die Nachfrage nach chemischen Produkten an. Und darüber hinaus dürfe die US-amerikanische Wirtschaft wieder früher an Fahrt gewinnen als die europäische; und davon wiederum könnte auch die konjunktursensitive US-Chemiebranche profitieren.

China als möglicher Impulsgeber

Unter dem Strich könnte sich also die Hoffnung darauf, dass die Talsohle in der chemischen Produktion im laufenden Jahr durchschritten wird, in den USA bewahrheiten. Ähnliches erwarten Beobachter aber auch für China, weltgrößter Chemieproduzent. Im Zeitraum Januar bis Mai 2023 legte in dem Land die Produktion von chemischen Erzeugnissen gegenüber dem Vorjahr laut dem Word Chemistry Report vom VCI immerhin um 6,8 Prozent zu. Das ist ordentlich und in den Augen vieler Experten ein Impulsgeber für die globale Chemieindustrie. China ist nämlich auch weltweit größer Importeur von chemischen Erzeugnissen.

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Die Trendwende in der deutschen Chemiebranche lässt auf sich warten. Die Chemiebranche freut sich noch nicht, weil die heimische Konjunktur wankt. Doch weil es woanders besser aussieht, könnte das auch den deutschen und europäischen Chemieunternehmen helfen. Daher können interessierte Anleger nicht nur in einzelne, aussichtsreiche US-Aktien investieren, sondern auch einen ETF auf europäische Chemieunternehmen als spekulative Beimischung in ihr Depot legen. Möglich ist das etwa über einen ETF auf den iShares STOXX Europe 600 Chemicals Index, der die Wertentwicklung der größten europäischen Chemiekonzerne abbildet.

Bitte beachten Sie den Haftungsausschluss.

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