Es ist eine schlechte Nachricht, mit der sich der Chef der zweitgrößten Kryptobörse der Welt an seine Twitter-Gefolgschaft wendet: „Der Schaden beläuft sich schätzungsweise auf etwa 100 Millionen Dollar“, schreibt Binance-Geschäftsführer Changpeng Zhao an seine sieben Millionen Follower über einen Vorfall, der sich in der Nacht zum Freitag in seinem Krypto-Reich ereignet hat.
Hacker haben sich am Binance-Netzwerk zu schaffen gemacht und durch Manipulation Binance-Coins (BNB) im Wert von rund 100 Millionen Dollar ergaunert. Ihre Ausbeute wäre wohl noch größer ausgefallen, hätten die Verantwortlichen Aktivitäten auf der betroffenen Blockchain nicht für acht Stunden ausgesetzt. Binance schätzt, dass die Täter ursprünglich 566 Millionen Dollar erbeuten wollten.
Die Betrüger haben sich an einer sogenannten Brücke (Bridge) der zu Binance gehörenden Blockchain BNB Chain zu schaffen gemacht. Die Blockchain ist das digitale Datenprotokoll, in dem sämtliche Krypto-Transaktionen gespeichert werden. Blockchain-Brücken dienen dazu, Kryptowährungen von einer Blockchain auf eine andere zu übertragen.
Die erbeuteten BNB-Coins sollte es eigentlich gar nicht geben. Die Täter sollen eine Schwachstelle in der Blockchain ausgenutzt und das Netzwerk manipuliert haben, die Coins quasi aus dem Nichts zu schaffen. Anschließend sollen sie diese an andere Kryptobörsen überwiesen haben, um sie zu waschen.
Krypto-Raubzüge erwachsen zum Problem
Der Binance-Chef versucht auf Twitter zwar zu beschwichtigen. „Das Problem ist jetzt eingedämmt. Ihre Gelder sind sicher“, schreibt er in dem sozialen Netzwerk. Er hat zwar strenggenommen Recht, denn die Hacker haben immerhin keine Kundengelder gestohlen. Trotzdem: Eigentlich hat der Kryptosektor genug Probleme mit den mit massiv gesunkenen Kursen. Der Hack ist für Binance und den gesamten Markt nun eine erneute Blamage und dürfte nicht zu einem Gefühl der Sicherheit bei Anlegern beitragen.
Raubzüge im Kryptosektor erwachsen zu einem immer größeren Problem. Seit Jahresanfang sind schon fast zwei Milliarden Dollar durch Hacking-Attacken erbeutet worden. Erst im August haben Kriminelle Solana-Token im Wert von 190 Millionen Dollar über den Dienstleister Nomad gestohlen. Im März entwendeten Hacker insgesamt 625 Millionen Dollar über den Blockchain-Onlinespielanbieter Axie Infinity. Und im Februar fiel die Plattform Wormhole einem Angriff zu Opfer. 300 Millionen Dollar wurden dort gestohlen.
Bridge als Schwachstelle
Alle Hacks eint eines: Die Täter haben Schwachstellen in der Bridge ausgenutzt. Diese Brücken vereinfachen es zwar, über verschiedene Blockchains Krypto-Transaktionen vorzunehmen. Doch offenbar sind sie eben auch sehr anfällig für Hacker-Attacken.
Mit dem Hack bei Binance könnten Kryptowährungen weiter an Vertrauen verlieren. In den vergangenen Monaten mehrten sich die Probleme bei vielen Anbietern, die das Vertrauen in den Sektor ramponierten. Im Mai diesen Jahres zum Beispiel passierte beim Stablecoin TerraUSD das, was bei einem eigentlich wertstabilen Token nicht passieren sollte: Er war nicht mehr exakt einen Dollar wert, sondern befand sich in freiem Fall – ein Hauptgrund für den Krypto-Crash im Frühsommer.
Nur wenig später kollabierte deshalb Celsius Network, ein Unternehmen, das Krypto-besicherte Kredite vergab – und in dem schlechten Marktumfeld letztlich insolvent ging. Das traf letztlich auch Kunden der deutschen Kryptobank Nuri, die über das Berliner Institut bei Celsius in spezielle Kryptoanlagen investierten. Auch Nuri meldete im August Insolvenz an, ebenfalls wegen des Kryptowinters. Ein Dominoeffekt. Weiter fallende Steine sind nicht ausgeschlossen.
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