Bankenbeben Drei Gründe, warum eine große Bankenkrise möglich bleibt

Quelle: dpa

Institute, die immer noch zu groß sind, um pleitegehen zu dürfen. Fatale Bonisysteme. Und Reformstau in den Geldhäusern selbst. Warum es zu früh ist, nach dem Beben an den Finanzmärkten Entwarnung zu geben. Ein Gastbeitrag.

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Spätestens mit dem Zusammenbruch der Schweizer Bank Credit Suisse eskaliert die Sorge um die Entstehung einer Bankenkrise, die auch die Bundesrepublik hart treffen könnte – man schaue nur auf die Nervosität um die Deutsche Bank. Politik und Banken hierzulande wiegeln ab, diese sei bei uns nicht absehbar. Auch wenn diese Reaktion verständlich ist, so sind die Risiken erheblich. Die Politik muss jetzt klug handeln, um einerseits mit Transparenz und Ehrlichkeit Vertrauen zu schaffen und andererseits eine Eskalation zu verhindern.

Der erste Dominostein war die Silicon Valley Bank in Kalifornien. Noch dramatischer fiel die Rettung der Schweizer Großbank Credit Suisse aus. Die große Frage jetzt ist, ob diese Bankenpleiten die ersten Dominosteine in einer Kette sind. Und ob diese zu einer systemischen Bankenkrise weltweit führen könnten, die – ähnlich wie die globale Finanzkrise 2008/09 – in einer tiefen Rezession und einem Anstieg der Arbeitslosigkeit enden wird.

Gigantische Fehleinschätzung

Wie so häufig gibt es auch jetzt gute Gründe für Optimismus. Aber: Finanz- und Bankenkrisen sind per Definition fast unvorhersehbar. Und sie werden häufig von fundamentalen Fehlern begleitet. So hieß es auch Anfang September 2008, das globale Finanzsystem könne die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers verkraften. Eine gigantische Fehleinschätzung.

Auch heute zeigt ein analytischer Blick auf das Finanzsystem und die Politik drei kurzfristige und drei langfristige Problemlagen. Kurzfristig wurden auf allen Seiten Fehler gemacht, bei der Bankenaufsicht ebenso wie bei der EZB und der Bundesregierung. Einer der größten war die Annahme, Finanzinstitute könnten die hohe Inflation und die starken Zinserhöhungen unbeschadet wegstecken. Es war bereits im Frühjahr 2022 absehbar, dass die Notenbanken bei Inflationsraten gen zehn Prozent in sehr kurzer Zeit die Zinsen massiv würden erhöhen müssen und dass dies zu enormen Verlusten bei Vermögenswerten und vor allem festverzinslichen Anleihen führen würde. Wieso die Finanz- und Bankenaufsicht dies bei ihren Stresstests nicht sofort erkannt und Gegenmaßnahmen eingeleitet haben, ist schwer nachvollziehbar.

Zudem hat die EZB bei ihrer jüngsten Zinserhöhung argumentiert, dass die Bekämpfung der Inflation höhere Priorität habe als die Sicherung der Finanzstabilität. Dies ist im besten Falle eine riskante Entscheidung, im schlechtesten Falle ein Fehler, den sie bald korrigieren muss. Natürlich ist es verständlich, dass man Preis- und Finanzstabilität trennen und unterschiedlich absichern möchte. Die eine hat jedoch große Auswirkungen auf die andere, sodass die Geldpolitik diese eben nicht ignorieren darf.

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Bleibt noch die Kommunikation der Politik. Niemand – auch kein Bundesfinanzminister – sollte öffentlich versprechen, dass das eigene Finanzsystem sicher ist und ähnliche Probleme wie in den USA oder der Schweiz nicht auch hierzulande auftreten können. Tatsache ist, dass dies niemand weiß, selbst die bestens informierte Bankenaufsicht kann dies nicht mit Sicherheit sagen. Die Fehler, die zur gegenwärtigen Krise beigetragen haben, beschränken sich jedoch nicht nur auf die vergangenen zwölf Monate. Sie gehen bis auf die unzureichenden Lehren aus der globalen Finanzkrise 2008 zurück. Trotz vieler richtiger Reformen, muss in drei zentralen Punkten noch immer Versagen konstatiert werden.

Erstens: Das „too big to fail“-Problem ist auch 15 Jahre nach der Finanzkrise noch immer nicht gelöst. Es gibt weiterhin Banken, die so groß sind, dass der Staat sie retten muss. Credit Suisse hat in den vergangenen Jahren so viele Fehler gemacht und so viele Skandale ausgelöst, dass jedes andere Unternehmen, so es keine Bank ist, schon längst zerschlagen worden wäre. In den USA wurde die angeschlagene Silicon Valley Bank zwar geschlossen, die Investoren wurden mit ihren Einlagen jedoch komplett gerettet. Ein falsches Signal.

Zweitens: Die perversen Anreize für das Management privater Banken wurden bis heute nicht grundlegend unterbunden. Wenn es gut läuft, sind Gehälter und Boni gigantisch hoch. Wenn es schief läuft, verliert man im schlimmsten Fall seinen Job und wechselt den Arbeitgeber, um das Spiel fortzusetzen. Die finanziellen Anreize sind letztlich darauf ausgerichtet, hohe Risiken einzugehen. Finanzkrisen werden nicht von einer höheren Macht, sondern von Menschen gemacht. Sie sind das logische Resultat dieses Systemfehlers, bei dem Profite privatisiert und große Kosten sozialisiert werden. Ohne strengere Regulierung wird es regelmäßig teure Bankenpleiten zulasten der Steuerzahlenden geben.

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Drittens: Die unzureichenden Reformen der Finanzinstitute selbst. Gerade in Europa wurden wichtige Chancen nach der globalen Finanzkrise verpasst. Zu viele Banken in Europa und auch in Deutschland sind wenig effizient und damit vergleichsweise riskant. So zeichnen sich beispielsweise Banken in Deutschland durch relativ hohe Kosten aus, die sie nicht nur weniger profitabel, sondern auch zu wenig flexibel in schwierigen Zeiten machen. Die schwierige Aufgabe für Politik und staatliche Institutionen ist es nun, den Ausbruch einer systemischen Bankenkrise zu verhindern. Es gibt auch heute viele gute Gründe, wieso eine systemische Krise verhindert werden kann und auch wird. Dies ist jedoch kein Selbstläufer. Es bleibt zu hoffen, dass nicht wieder Murphys Gesetz eintritt: Wenn etwas schief gehen kann, dann wird es schief gehen.

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