Können wir der Euro-Entwertung entgehen, indem wir Franken kaufen?
Roelli: Man kann das durchaus tun. Noch hat die Schweizer Nationalbank SNB den Wechselkurs zum Euro bei 1,20 fixiert. Sie kauft über Euro-Staatsanleihen täglich Euro an und schwächt damit den Franken, damit unsere Exportunternehmen nicht zu sehr unter dem starken Franken leiden. Wir haben unglaubliche 300 Milliarden Euro angehäuft, jeden Monat kommen rund 40 Milliarden dazu. Nun ist in der Schweiz die Diskussion entbrannt, wie lange wir das noch tun können. Da wir in der Schweiz effektiv leicht fallende Preise haben, nähert sich der angemessene Gleichgewichtskurs den 1,20 an. Früher oder später wird nichts anderes übrig bleiben, als den Franken aufwerten zu lassen, vielleicht auf den Kurs von 1,15 Franken pro Euro.
Dann winken Aufwertungsgewinne.
Flossbach: Die Schweizer sind dabei, ihren Franken abzuschaffen!
Wie meinen Sie das?
Flossbach: Die kaufen aktuell 40 bis 50 Milliarden Euro pro Monat auf! Das Volumen müssen sie in Franken drucken, um damit Euro zu kaufen. Ginge es in dem Tempo weiter, wären Ende nächsten Jahres 1.000 Milliarden Euro in der SNB-Bilanz. Das wäre so, als wenn Deutschland für 8.000 Milliarden Euro Währungen aufkauft. Völlig absurd! Käme das so, wäre der Franken nicht mehr existent, er wäre weginflationiert. Hält der Druck an, muss in den nächsten Wochen oder Monaten eine Entscheidung fallen. Immer mehr Anleger sehen, dass sie im Zweifel lieber in Franken gehen, weil der Aufwertungsknall doch bald kommt.
Roelli: Die Schweiz könnte statt Euro-Anleihen Realwerte kaufen. Es gibt Überlegungen, ein Viertel der Währungsreserven in einen Staatsfonds zu investieren. Das könnte ein wichtiges Signal für Aktien sein.
Flossbach: Wir haben das durchgerechnet. Damit der Euro nicht wieder schwächer wird, müssen die Schweizer das Geld in andere Euro-Anlagen umschichten. Würden sie Gold kaufen, würde das in Dollar abgerechnet, sie müssten Euro gegen Dollar tauschen, der Euro würde schwächer. Das geht also nicht. Was bleibt, wäre wohl allein der Aktienindex Euro Stoxx 50. Der hat in etwa einen Börsenwert von 2.500 Milliarden Euro. Investieren die Schweizer 100 Milliarden, kaufen sie vier Prozent aller Aktien! Schwenkt dann auch Pimco auf Aktien um, kann man nur noch versuchen, die letzten freien Stücke zu bekommen.
Diese Anlagestrategien empfehlen die Finanzmarkt-Kenner
Die Pimco-Manager haben es nicht leicht. Einerseits arbeiten sie für den größten Anleihemanager der Welt, andererseits hält ihr Chef nichts mehr von US- und Euro-Land-Staatsanleihen, wie Pimco-Boss Bill Gross wiederholt betonte. Also legt auch Pimco möglichst schnell neue Aktienfonds auf und investiert in Rohstoffe, zu denen Pimco auch Öl und Gold zählt. Unter dem Strich packt Bosomworth die Hälfte des Anlegergeldes in Aktien. Schwellenländer hält er sowohl bei Aktien als auch bei Anleihen für attraktiv. Als Länder nennt er Brasilien, Russland – dessen politische Stabilität ihm allerdings zunehmend Sorgen bereitet –, Indonesien, Südafrika. Die 15 Prozent Liquidität parkt er in kurzlaufenden Unternehmensanleihen. Einzelne Aktien empfiehlt Bosomworth nicht. Bei Anleihen bleibt Anlegern oft gar nichts anderes übrig, als Fonds zu kaufen: Viele attraktive Anleiheemissionen sind erst in Stückelungen zu 50.000 oder gar 100.000 Euro zu haben.
Mayer gibt als Volkswirt keine Anlageempfehlungen, lässt aber keinen Zweifel daran, wohin die Reise geht: in die finanzielle Repression. Die Zentralbanken halten die Zinsen im Zusammenspiel mit den Regulierungsbehörden niedrig, sie „legen den Zins einfach flach, wie ein Surfbrett im Wasser“. Gleichzeitig weiten sie die Geldmenge gigantisch aus, sodass höhere Inflation kommen wird. Ihr entgehen können Anleger mit Gold und Aktien. Ein Anleger sollte Gold als Währung sehen, rät Mayer, verfällt dann aber doch in ein Plädoyer für die Aktie. Das Wachstum in den Emerging Markets rät er über globale Unternehmen, die dort besonders exponiert seien, zu kaufen. Wer sich nicht mit Einzeltiteln beschäftigen wolle, solle in Misch- und Aktienfonds investieren. Klar sollten Anleger sich über ihre Vorstellung von Risiko sein. Für Mayer ist „Risiko nicht Volatilität, also heftige Kursschwankungen, sondern Risiko ist Verlust. Volatilität dazwischen kann ich nehmen.“ Soll heißen: Aktien können schwanken, dürften aber auf Dauer sicherer sein als viele Anleihen. Goldene Regel: Je jünger ein Anleger ist, desto länger kann er Schwankungen aussitzen.
Die 20 Prozent Anleiheanteil des Depots hat Flossbach in sichere Unternehmensanleihen gepackt und in Staatsanleihen von Staaten außerhalb des Euro-Raums, zuletzt etwa in kanadischen, neuseeländischen und australischen Dollar sowie in Polen und Chile. Ganz bewusst geht er raus aus den Gelddruck-Währungen Dollar, Euro, Yen und Pfund Sterling.
Von Immobilien rät er ab: Für Normalanleger sei die eigene Wohnung okay, darüber hinaus hätten aber nur Millionäre die Chance, vernünftig Risiken zu streuen: „Ein Mietnomade, und dann hat sich das tolle Apartment in München oder Hamburg nicht rentiert.“ Offene Immobilienfonds seien eindrucksvoll gescheitert und Immobilienaktien eben keine Immobilien, sondern Aktien: „Mit denen investieren Sie in Unternehmen, nicht in Immobilien.“ Skeptisch ist er auch bei Schwellenländeraktien. Bei denen stören ihn Korruption und der Einfluss der Regierungen auf Großunternehmen. „Wer die empfiehlt, macht sich selten die Mühe, die Firmen anzusehen.“
Von Anleihen hält Ehrhardt angesichts global weiter niedrig erwarteter Zinsen wenig. Der Fondsmanager würde Rentenfonds nur kaufen, um Geld zu parken; dazu allenfalls Fremdwährungsanleihen entwickelter Staaten wie jene des Rohstofflandes Kanada oder Papiere aus Singapur und dem ölreichen Norwegen. Bei höher verzinslichen Schwellenländeranleihen schreckt den Anlageprofi das Währungsrisiko. Unternehmensanleihen, die noch drei bis vier Prozent bringen, seien, wenn man kein hohes Ausfallrisiko auf sich nehme, schwer zu finden. Abseits seiner Liquiditätsreserve favorisiert Ehrhardt Aktien und Gold. Bei der Auswahl der Märkte schaut er zuerst auf die Entwicklung der Geldmengen – starke Geldschöpfung der Zentralbanken spricht dafür, dass Liquidität an die Börsen fließt und Aktienkurse steigen. Sein Geldmengenindikator spricht folglich primär für die USA sowie Deutschland, etwas weniger für Europa – und gegen China. Entsprechend ist Ehrhardt in einem seiner Fonds mit einer kleinen Position short auf China, wettet also auf fallende Indexstände, auch zur Absicherung preiswerter China-Aktien.
Roelli ist der typisch genaue Schweizer, der Wert darauf legt, dass seine Anlageverteilung ein „ausgewogenes Portfolio“ sei, also nichts für spekulative Investoren. 24 Prozent Bargeld ist viel, so viel hielt Pictet zuletzt im Dezember des Katastrophenjahrs 2008. Das Anleiheportfolio besteht aus soliden Unternehmensanleihen und einigen hochverzinslichen Junk-Bonds. Euro-Anlegern packt Pictet 30 Prozent des Vermögens in Fremdwährungen, „weil der Euro eher abwerten wird als aufwerten“. Anders als andere Teilnehmer der Runde vertraut er auf Hedgefonds, da gebe es einige sehr gute. Hinter „Alternativen Investments“ verbergen sich außerdem Rohstoffe und Immobilien. Bei Aktien sind die defensiven globalen Player stark vertreten, zehn Prozent nennt er „taktische Investments“, also Aktien, die nicht unbedingt über Jahre gehalten werden – zuletzt europäische Werte. Schwellenländeraktien mag er nicht, in China seien die letzten Gewinne enttäuschend ausgefallen. Das Schwellenländerthema spielt er lieber über europäische oder globale Aktien, etwa Swatch, die viel Umsatz in Asien machen. Neben Markenartiklern favorisiert er Technologiewerte, viele seien „so billig wie Anfang der Neunzigerjahre“.
Herr Bosomworth, wann kommt der Schwenk? Pimco ist Anleihespezialist, aber Aktienfonds haben Sie ja schon aufgelegt ...
Bosomworth: Angesichts der langfristigen Perspektive der Renditen auf dem Rentenmarkt war dies ein bewusster Schritt. Wir erleben eine Krise der Währungssysteme und damit eine Renaissance echter Werte.
Flossbach: Die Norweger machen es richtig. Deren Staatsfonds hat eine Aktienquote von 60 Prozent. Da stecken 360 Milliarden Dollar in Aktien. Die haben sich den Sachwerten verschrieben. Aktien sind im Vergleich zu Bonds so attraktiv wie nie zuvor. Und da der Zins unten bleibt, ist das auch kein temporäres Phänomen. Da lachen einen Dividendenpapiere wie Nestlé oder Coca-Cola mit drei Prozent oder mehr Dividendenrendite geradezu an. Wir haben mal für 30 Unternehmen, unter Einrechnung realistischer Dividendensteigerungen, eine Berechnung angestellt.
Ergebnis?
Flossbach: Selbst wenn diese Aktien im Schnitt über die nächsten Jahre 30 Prozent im Kurs verlieren, sorgen ihre Dividenden trotzdem dafür, dass der Anleger keinen Verlust macht. Das ist der Puffer, den Top-Unternehmen bieten. Ganz einfach: Sachwerte kaufen, liquide Dividendenaktien.
Roelli: Länder, die Überschüsse haben, hauptsächlich die Schwellenländer, investieren diese mehr und mehr in Realwerte.
Mayer: Außer Deutschland! Wir haben zwar keinen Staatsfonds, aber die Bundesbank hat die Rolle indirekt übernommen. Deutschland hatte seit Beginn der Währungsunion 1,2 Billionen Euro kumulierten Leistungsbilanzüberschuss. Inzwischen sind 730 Milliarden über die Bundesbank in südeuropäischen Banken angelegt. Das sind diese berühmten Target2-Salden ...