Geldanlage "Am Aktienmarkt lässt sich nicht üppig verdienen"

Der Wall-Street-Insider Jan Hatzius und Deutschlands Top-Fondsmanager Klaus Kaldemorgen über die US-Perspektiven unter Präsident Trump und die weltweiten Gefahren für Börsen und Kapitalmärkte.

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Fondsmanager Klaus Kaldemorgen und Chefvolkswirt Jan Hatzius über die Chancen und Risiken am Aktienmarkt. Quelle: Presse

WirtschaftsWoche: Herr Hatzius, Herr Kaldemorgen, hat US-Präsident Donald Trump mit Ankündigungen zu Steuerreformen und Infrastrukturausgaben am Aktienmarkt nur ein Strohfeuer entfacht?
Jan Hatzius: Wir haben die Folgen berechnet und erwarten, dass das Volumen möglicher Steuersenkungen und Ausgaben bei rund 200 Milliarden Dollar pro Jahr liegen wird. Das ist nur etwa die Hälfte des im Wahlkampfprogramm angenommenen Volumens. Konservative Republikaner werden Bauchschmerzen haben, zu große Ausgabensteigerungen zu verabschieden, weil die USA hoch verschuldet sind. Deshalb wird es einen Kompromiss geben – und der Impuls wird weniger groß sein als erwartet.
Klaus Kaldemorgen: Börsianer haben die kurzfristig positiven Effekte deutlich höher eingeschätzt. Da baut sich ein Enttäuschungspotenzial in den Kursen auf. Die positive Stimmung wird sich nicht ein halbes Jahr fortsetzen. Die längerfristigen Trump-Effekte sind klar negativ. Ein US-Präsident, der einem US-Unternehmen vorschreibt, wo es demnächst die Autos zu produzieren hat, ist nicht wirtschaftlich effizient.

"Wir Europäer haben unser Schicksal selbst in der Hand.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel Quelle: dpa
Verband der Automobilindustrie (VDA)Der Verband nimmt die neue Androhung hoher Importzölle für die Branche von Donald Trump ernst. „Allerdings muss sich erst noch zeigen, ob und wie diese Ankündigungen künftig von der US-Administration umgesetzt werden“, sagte VDA-Präsident Matthias Wissmann am Montag. „Im US-Kongress dürfte es gegen Importsteuer-Pläne erheblichen Widerstand geben.“ Denn Investitionsentscheidungen würden langfristig geplant und nicht von heute auf morgen über Bord geworfen. „Mit dem Aufbau von Zöllen oder anderen Handelsbarrieren würden sich die USA langfristig ins eigene Fleisch schneiden“, sagte Wissmann weiter. Schon Einschränkungen der nordamerikanischen Freihandelszone Nafta würden der Wirtschaft einen deutlichen Dämpfer geben. Quelle: dpa
Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments Quelle: dpa
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)Der DGB hat die Drohung des künftigen US-Präsidenten Donald Trump mit Strafzöllen gegen deutsche Unternehmen kritisiert. Diese Haltung sei "völlig blind für ökonomische Zusammenhänge", sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann. Vor dem Hintergrund der eng verflochtenen Weltwirtschaft seien negative Rückwirkungen einer solchen Politik nicht nur in Deutschland und Europa, sondern auch in den USA selber nicht auszuschließen. "Das werden auch die amerikanischen Bürgerinnen und Bürger merken, dass dieser Pfad von Herrn Trump ein Holzpfad ist", sagte Hoffmann. Der DGB-Chef warnte vor einer Rückkehr zu Protektionismus und Kleinstaaterei. "Das verträgt sich überhaut nicht mit unseren Vorstellungen einer fairen Gestaltung von Handel und Globalisierung." Im Zuge der Globalisierung habe es zwar Unwuchten gegeben. Statt neue Grenzen oder Mauern zu bauen, komme es aber darauf, "die Wohlstandsgewinne, die ja mit Globalisierung durchaus einhergehen", gerecht zu verteilen. Quelle: dpa
Jens Spahn, Mitglied des Präsidiums der CDUCDU-Vorstandsmitglied Jens Spahn sieht bei Trump ein falsches Bild von der EU, „auch von dem, was sie leistet“. Er sagte im „Bild“-Talk, die EU sei auch „eine Wertegemeinschaft“. Ähnlich bewertete der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen Trumps Äußerungen. Er sagte der „Heilbronner Stimme“: „Trump ist Trump geblieben. (...) Was sich verfestigt, ist die Sichtweise Trumps, in der der Westen keine Rolle spielt, weder als normative noch als politische Einheit. Diese Einheit war und ist aber entscheidend für die Sicherheit Europas.“ Quelle: dpa
CDU-Fraktionsvize Michael Fuchs"Man sollte die Kirche im Dorf lassen. Trump wird nicht alles, mit dem er jetzt droht, durchsetzen können", sagte Fuchs am Montag zu Reuters. "Strafzölle müssen vom Kongress abgesegnet werden. Nicht einmal da stehen alle Republikaner hinter ihm." Deutsche Firmen sollten sich nicht einschüchtern lassen. Der Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU, Wolfgang Steiger, äußerte sich ähnlich. Der CDU-Politiker Fuchs gab zu bedenken, dass Strafzölle zu höheren Autopreisen in den USA führen würden. Quelle: dpa
Bundeswirtschaftsminister Sigmar GabrielSigmar Gabriel hat die USA vor einer Abschottung durch Strafsteuern etwa für im Ausland produzierte Autos gewarnt. "Die amerikanische Autoindustrie wird dadurch schlechter, schwächer und teurer", sagte der SPD-Vorsitzende der "Bild" am Montag. Zudem würden sich amerikanische Autobauer umgucken, wenn auch Zulieferteile, die nicht in den USA produziert würden, mit Strafzöllen belegt würden, konterte Gabriel den künftigen US-Präsidenten Donald Trump. Dieser hatte beklagt, dass zu viele deutsche und zu wenige US-Autos in New York zu sehen seien. Auf die Frage, wie dies zu ändern sein, sagte Gabriel: "Dafür müssen die USA bessere Autos bauen." Quelle: dpa

Trump hat sich Berater und Minister geholt, die bei Goldman Sachs gearbeitet haben. Trauen Sie, Herr Hatzius, Ihren früheren Kollegen zu, dass sie die freie Wirtschaft schützen?
Hatzius: Ich will hoffen, dass sie es schaffen, die protektionistischen Tendenzen im Rahmen zu halten und man sich stärker auf wichtige Reformen bei der Unternehmenssteuer konzentriert. Es ist unklar, wer unter den Beratern die Oberhand haben wird, es gibt ein breites Spektrum.

Die US-Konjunktur läuft gut, die Arbeitslosigkeit ist mit 4,7 Prozent niedrig. Ist Inflation eine Gefahr?
Hatzius: Ich mache mir keine Sorgen, dass wir weltweit eine so richtig hohe Inflation bekommen. In den USA ist aber mehr Vorsicht geboten als in Europa. An den Rentenmärkten ging man zu lange von niedrigen Preissteigerungen aus und dachte, die US-Notenbank verfehle ihr Inflationsziel von 2 Prozent langfristig, obwohl die Wirtschaft lief. Die extremen Bewegungen am Rentenmarkt mit der Renditeerhöhung in den vergangenen Wochen waren die Korrektur einer Markteinschätzung, die mit der Realität wenig zu tun hatte. Will man nicht über die zwei Prozent Inflation in den USA hinaus, müsste man die Arbeitslosigkeit, sobald sie unter vier Prozent rutscht, wieder erhöhen. Historisch ist das nie ohne Rezession gegangen, wenn die Arbeitslosigkeit um mehr als einen Drittel Prozentpunkt gestiegen ist.

Jan Hatzius, 48, ist Chefvolkswirt der US-Investmentbank Goldman Sachs und einer der einflussreichsten Kenner der Wall Street. Der gebürtige Heidelberger hat an der Oxford University promoviert. Quelle: PR

Kann der starke US-Dollar die Konjunktur kippen?
Hatzius: Im Jahr 2016 gab es in den USA durch den starken Dollar weniger Wachstum und weniger Zinserhöhungen als erwartet wurden. Das Bild ist jetzt etwas freundlicher, weil sich der Dollaranstieg verlangsamt hat. Bleibt es bei einem Anstieg von fünf Prozent pro Jahr, würde ich mir keine großen Sorgen machen. Bei 10 Prozent wäre es anders, dann käme dagegen vermutlich eine geldpolitische Reaktion.
Kaldemorgen: Der Dollarkurs wird durch Diskussionen um die Geldpolitik bestimmt und da die Zinsen in den USA höherer sind als im Euroland, fließt viel Geld in die USA. Den Euro könnte es stärken, wenn die Geldpolitik normalisiert wird. Für multinationale US-Unternehmen mit starkem Export ist der Dollar ein Gegenwind, weil auch viele Schwellenländer-Währungen gefallen sind und US-Exporte verteuern. Die Gewinnsteigerungen in den USA werden in diesem Jahr aber von der Finanzindustrie sowie der Rohstoff- und Ölindustrie getrieben. Sie sind nicht so dollarabhängig.

Klaus Kaldemorgen, 63, ist einer der erfolgreichsten und erfahrensten deutschen Fondsmanager. Er arbeitet seit 1982 bei der Deutsche-Bank-Tochter DWS und investiert rund zehn Milliarden Euro Fondsgelder in Aktien, Derivate und Anleihen. Quelle: PR

Wird Trump den teuren Dollar und den schwachen Euro nutzen, um sich Deutschland als Exportweltmeister vorzunehmen?
Hatzius: Ich kann mir vorstellen, dass es Konflikte geben wird. Derzeit ist das Augenmerk auf China und Mexiko gerichtet, aber das kann sich ändern. Die große Frage ist, ob es punktuelle Zölle und Einführbeschränkungen in bestimmten Branchen geben wird, oder ob man durch die Bank zu einem restriktiveren Welthandelssystem zurückkehrt mit höheren Zöllen und die Liberalisierung aus Jahrzehnten zurückdreht. Ich würde Herrn Kaldemorgen zustimmen, dass es besorgniserregende Tendenzen gibt.
Kaldemorgen: Trump könnte fordern, dass es im Euroland höhere Staatsausgaben gibt.

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