HSBC-Nachhaltigkeitschef „Wir Banken haben unsere Rolle in der Gesellschaft verloren“

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„China hat einen klaren Plan, diese Industrien zu dominieren“

Lohnt sich solch eine große Investition für eine ungewisse Zukunft überhaupt?
Europa hat den digitalen Wandel schon so gut wie verpasst. Wir haben jetzt die Chance, nachhaltige Industrien für die Zukunft zu bauen. China macht das sehr aggressiv. Es hat einen klaren Plan, diese Industrien zu dominieren. China hat erkannt, dass das Elektroauto das Auto der Zukunft ist. Das sind Themen, die Europa treiben kann und treiben sollte. Die EU hat sich als Vorreiter in Sachen Klimaschutz etabliert. Die Wirtschaft in 15 Jahren wird anders aussehen als heute. Ich möchte lieber in einer Region leben, die die neuen Industrien baut, als in einer Region, die in zehn Jahren sagt: Mist, das haben wir schon wieder verpasst.

Was muss geschehen, damit das gelingt?
Wir gehen davon aus, dass man 100 Billionen Dollar braucht, um den Wandel zu einer Welt ohne CO2 zu vollziehen. 50 Prozent davon fallen in Asien an, insgesamt etwa zwei Drittel in Entwicklungsländern, ein Drittel in Industriestaaten. Es ist aber wichtig zu sagen, dass ein Großteil des Geldes, das man investieren muss, profitabel investiert werden kann.

Und der Rest?
Es gibt einen zweiten, unrentablen Teil, bei dem Staaten, Konsumenten und Unternehmen ihren Beitrag leisten müssen.

Sie müssen also dafür zahlen, dass die Wende gelingt. Das klingt wenig attraktiv.
Das war in Deutschland der Fall mit der Energiewende. Deutschland hat die Solar- und Windenergie international wettbewerbsfähig gemacht. Ohne Deutschland wären erneuerbare Energien nicht wettbewerbsfähig. Aber das war mit Kosten verbunden. Und die Kosten haben die deutschen Bürger getragen. Es wird andere Technologien geben, wo der Staat die Anschubfinanzierung geben muss. Aber ich wiederhole: Der Großteil der nötigen Investitionen rechnet sich rein wirtschaftlich.

Dennoch müssen die Unternehmen sich auf diesen Wandel erst einmal einlassen. Wie wollen Sie sie dazu bewegen?
Es braucht zum einen eine klare Planungsperspektive. Es hilft, zu wissen, dass wir etwa in China ab 2030 keine Verbrennungsmotoren mehr verkaufen dürfen. Das ist sehr wichtig, weil die Wirtschaft Planungssicherheit für ihre langen Produktionszyklen braucht. Zum anderen sind sicherlich finanzielle Anreize wie die Bepreisung von CO2 sinnvoll.

Sie sehen also die Hauptverantwortung bei der Politik? Die gibt die Leitlinien vor und Unternehmen und Verbraucher folgen?
Märkte sind sehr effektiv und Märkte suchen Lösungen. Aber manchmal brauchen Märkte viel Zeit, um dahin zu kommen. Mit etwas klareren Leitlinien kommen wir sehr viel schneller zum Ziel. Deutschlands Energiewende ist hier ein gutes Beispiel. In Indien sehen wir etwas Ähnliches, wo Premier Narendra Modi mit einem Zehnjahresplan die Energiewende erfolgreich vorantreibt. Staaten haben nun einmal eine Richtungskompetenz.

Das Wort Zehnjahresplan weckt Erinnerungen an Planwirtschaft. Ohnehin ist es gerade en vogue, dass die Wirtschaft sich mehr Einmischung aus der Politik wünscht. Was ist geschehen?
Wir merken einfach, dass uns die Zeit ausgeht. Wir sehen jedes Jahr neue Rekordwerte beim Temperaturanstieg und bei CO2-Emissionen. Wenn der Markt hier schnell reagieren soll, braucht er Richtungsvorgabe. Das Pariser Abkommen war unglaublich wichtig, weil es diese Leitlinien  gesetzt hat. Im Grunde wissen wir, in welche Richtung wir gehen. Es geht nur darum, das etwas zu beschleunigen.

Würde eine Bepreisung von CO2 auf dieses Ziel einzahlen?
Ich bin Volkswirtschaftler und ich glaube, um etwas systemisch zu machen, braucht man einen Preis, sei es über den Handel von Zertifikaten oder eine Steuer. Das hat schon immer so funktioniert. In meinen Augen ist langfristig der Zertifikate-Handel der bessere Weg, weil er einen wirklichen Markt-Mechanismus schafft. Aber wir müssen vorsichtig sein, nicht zu viel auf die internationale Ebene zu schieben. Das dauert einfach zu lange.

Was kann vor Ort passieren? Was bringt es, wenn der Bürgermeister von Buxtehude beschließt, das Klima zu retten?
Tatsächlich sind Städte mit die wichtigsten Spieler in diesem Feld. Städte haben 75 Prozent des weltweiten Bruttosozialproduktes. Sie sind auch verantwortlich für 70 Prozent der weltweiten Abgase. Es gibt drei große Emissionstreiber: Energie, Gebäude und Transport. In allen drei Bereichen haben Städte großen Einfluss. Häufig besitzen sie Stadtwerke, haben also Kontrolle über die Energieeinspeisung. Sie haben viel Einfluss auf die Regulierungen für Gebäude. Und sie haben unglaublichen Einfluss auf den Transport. Deswegen glaube ich, dass auf Ebene der Städte  viel passiert. Die Energiewende nur auf der internationalen oder staatlichen Ebene vorantreiben zu wollen, wird nicht funktionieren. Sie muss auf allen Ebenen der Gesellschaft stattfinden.

Wie kommt es bei Ihnen im Haus an, dass Sie sich neuerdings der Nachhaltigkeit verschrieben haben?
Es gibt zwei Möglichkeiten, für das Thema Nachhaltigkeit zu mobilisieren. Die eine ist, den Leuten klarzumachen, dass sie wirtschaftlich ist. Die andere ist emotional. Gerade unsere jüngeren Mitarbeiter lieben das Thema Nachhaltigkeit. In Nachhaltigkeit steckt die Zukunft, das begeistert die Leute.

Was ist mit den älteren Mitarbeitern, wie nehmen Sie die mit?
Wir sind weltweit Marktführer im Bereich Sustainable Finance, das Geschäftsfeld funktioniert also, das überzeugt viele. Andere sitzen morgens mit ihren Kindern am Frühstückstisch und haben plötzlich etwas über die Arbeit zu erzählen, das die Kinder auch noch interessiert. Das ist für manche eine völlig neue Erfahrung.

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