Was ist eigentlich Beta? Wer sich mit Diversifikation und Portfoliokonstruktion beschäftigt, wird früher oder später auf diese Kennziffer stoßen. Sie beschreibt den Grad der Schwankung eines Einzelwertes, beispielsweise einer Aktie, im Vergleich zum Markt.
Über diese Messung lassen sich Aussagen zum Marktrisiko (oder auch systematisches Risiko) treffen.
Grundsätzlich kommen verschiedene Assetklassen und Ansätze in Betracht, um das Beta eines Portfolios zu steuern. In diesem Kolumnenbeitrag wollen wir den Fokus auf die sogenannten „digitalen Vermögenswerte“ richten und inwieweit diese eine hohe Diversifikationswirkung versprechen.
Zur Person
Adrian Köngeter, CFA, ist aktives und engagiertes Mitglied der CFA Society Germany und arbeitet als Investment Professional für ein Deutsches Single Family Office im Bereich Portfoliokonstruktion, Managerselektion, und Trading. Er deckt mit besonders großem Interesse die Bereiche Global Macro (Emerging & Developed), Multi-Strategy, und Digital Asset Strategien ab.
Der Markt für digitale Vermögenswerte
Nach dem großen Hype der Vorjahre ist der Markt für Bitcoin und Co. zuletzt ein wenig in Vergessenheit geraten. Dies dürfte vor allem am desaströsen Jahr 2022 gelegen haben: Die Marktkapitalisierung globaler digitaler Assets stürzte von über 2,3 Billionen US-Dollar auf knapp 0,8 Billionen US-Dollar. Es stellt sich daher die berechtigte Frage, ob sich diese Titel überhaupt als Diversifikationsbaustein, also als ein Typ des skizzierten Beta, qualifizieren. Wir richten den Blick hier vor allem auf digitale Werte, die liquide handelbar, gut zugänglich und leicht verwahrbar sind. Der digitale Assetmarkt wird derzeit mit rund zwei Dritteln (67 Prozent) der gesamten Marktkapitalisierung von Ethereum und Bitcoin dominiert. Für die weitere Betrachtung sollen unter „digitalen Assets“ die Top 20 Tokens weltweit subsumiert werden. NFTs oder beispielsweise Applayer Protokolle und weitere alternative Coins im Digitalbereich werden nicht berücksichtigt.
Krypto-ABC: Die wichtigsten Begriffe verständlich erklärt
Der Fokus am Kryptomarkt liegt klar auf dem Bitcoin. Unter Altcoins versteht man Kryptowährungen, die nach der ältesten Digitalwährung erfunden wurden und eine Alternative zum Bitcoin darstellen. Beispiele dafür sind Ethereum, Cardano oder Solana.
Der Bitcoin ist nicht nur die dem Volumen nach größte, sondern auch die älteste Kryptowährung der Welt. Schon im Oktober 2008 skizzierte Satoshi Nakamoto, das Pseudonym des Bitcoin-Erfinders, in einem Whitepaper mit dem Titel „A Peer-to-Peer Electronic Cash System“, wie so eine virtuelle Währung aussehen könnte. Kurz darauf, im Januar 2009, wurden die ersten Bitcoin geschürft. Weil Nakamoto unter einem Pseudonym agierte, ist bis heute unklar, wer genau den Bitcoin ins Leben gerufen hat.
Transaktionen von Kryptowährungen werden auf der Blockchain dokumentiert. Die Blockchain ist eine öffentliche, dezentrale Datenbank. Die Informationen werden nicht auf einem einzelnen Server, sondern auf vielen tausenden Rechnern gespeichert. „Chain“ kommt aus dem Englischen und bedeutet „Kette“.
Jede Transaktion wird in einem Block gespeichert und an eine Kette der bereits vorhandenen Datensätze angehängt. Deshalb wird die Blockchain auch digitales Kassenbuch genannt. Die gespeicherten Daten können im Nachgang nicht mehr oder nur mit Zustimmung des Netzwerkes geändert werden. So soll ein fälschungssicheres Protokoll entstehen.
Ether ist hinter dem Bitcoin die zweitgrößte Kryptowährung und basiert auf der Ethereum-Blockchain. Im Vergleich zur Bitcoin-Blockchain gilt diese als moderner und leistungsfähiger und soll in Kürze auf das energiesparendere Proof-of-Stake-Verfahren umgestellt werden. Auch Smart Contracts können über Ethereum gehandelt werden. Beliebt ist die Kryptowährung auch, weil NFTs (non fungible Token) oft auf Ethereum basieren und deshalb mit Ether bezahlt werden.
Mining ist das Erzeugen (Schürfen) neuer Coins. Bei diesem Prozess stellen Miner im Fall des Bitcoin die Rechenleistung ihrer Computer zur Verfügung, um komplexe mathematische Aufgaben zu lösen. So werden Transaktionen verifiziert und auf der Blockchain gespeichert. Die Miner werden fürs Bereitstellen der Rechenleistung mit neu generierten Bitcoin belohnt.
Bei einigen anderen Kryptowährungen basiert das Mining dagegen nicht auf Rechenleistung, sondern auf den Anteilen der Netzwerk-Teilnehmer an der jeweiligen Kryptowährung (siehe Proof of Stake). In diesem Fall wird das Mining deshalb auch oft als Staking bezeichnet. Auch dafür bekommen Teilnehmer eine Prämie, also quasi eine Art Verzinsung für ihren Anteil.
Minten bezeichnet das Erstellen eines NFTs (non fungible Token). Mit dem „Prägen“ des Bildes ist in diesem Fall das Hochladen in die Blockchain gemeint.
Die Abkürzung NFT steht für non-fungible Token, also nicht austauschbare Wertmarken. NFTs sind virtuelle Güter, die über die Blockchain gehandelt werden. Oft sind es etwa digitale Bilder oder Sammelkarten. Jeder NFT ist einzigartig. Wer einen kauft, wird in der Blockchain als Eigentümer registriert und kann so beispielsweise ein Echtheitszertifikat für ein virtuelles Bild oder ein digitales Kunstwerk vorweisen.
Mit dem Proof-of-Work-Verfahren werden neue Münzen einiger Kryptowährungen wie dem Bitcoin geschaffen. Dafür stellen die Miner die Rechenleistung des Systems zur Verfügung, um komplexe Aufgaben zu lösen. Wer es zuerst schafft, die Aufgabe zu lösen, darf den Block an die Blockchain anhängen und erhält eine Belohnung in Form digitaler Münzen. Der Proof-of-Work-Ansatz gilt als besonders energieintensiv.
Einige Blockchains basieren auf dem Proof of Stake-Verfahren. Anders als bei Proof of Work werden dabei fürs Mining keine umfangreiche Hardware und große Mengen an Rechenleistung benötigt. Proof of Stake gilt daher als wesentlich energieschonender.
Statt dessen dürfen diejenigen Transaktionen und neue Coins freigeben, die einen besonders hohen Anteil an einer Kryptowährung halten. Sie werden dann Validatoren genannt. Der Prozess beruht auf einem Konsensmechanismus. Je höher der Preis, desto höher die Anzahl der Coins, um am Prozess teilzunehmen.
Smart Contracts sind virtuelle Verträge, die über die Blockchain getauscht werden. Diese treten unter bestimmten zuvor festgelegten Bedingungen selbstständig in Kraft. Insbesondere Banken und andere Finanzinstitute sehen in Smart Contracts einen großen Nutzen. Sie könnten zum Beispiel beim Börsenhandel Intermediäre – also zwischengeschaltete Stellen wie Wertpapierbroker– überflüssig machen.
Die Wallet ist eine Art digitale Geldbörse für Kryptowährungen. Sie ermöglicht es Nutzern, Kryptoguthaben zu kaufen und zu verschicken. Es gibt mehrere Arten von Wallets. Die Hardware-Wallet ist quasi ein USB-Stick, auf dem das Kryptovermögen und die Zugänge eines Nutzers gespeichert sind. Eine Paper-Wallet wird auf Papier ausgedruckt.
Dafür wird ein QR-Code generiert, den man einscannen muss, um Transaktionen zu tätigen. Eine Software-Wallet kommt ohne externe Geräte oder Papierausdrucke aus. Hier werden die Daten in einem Computerprogramm gespeichert. Nutzer dürfen ihre Zugangsdaten nicht vergessen: Sonst bliebe ihnen der Zugriff auf ihr Kryptovermögen verwehrt.
Dieses Krypto-ABC entstammt dem großen Krypto-1x1 der WirtschaftsWoche: Das vollständige Dossier finden Sie hier zum Download
Risikoprämien
Der gesamte Markt ist besessen davon, Alpha (also Überrenditen eines Investments gegenüber der entsprechenden Benchmark) zu finden. Generell lässt sich jedoch sagen, dass in jedem Portfolio ein diversifizierendes günstiges Beta (Marktrisiko) genauso viel Wert hat wie das teurere Alpha. Jede neuartig eingeführte Quelle von Beta ist wahrscheinlich nicht nur günstiger – ihrer Risikoprämie wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ein höheres Maß an Vertrauen zugeschrieben. Dazu ein Beispiel: Wenn ein Anleger ausschließlich in Aktientitel investiert, kann eine Beimischung einer weiteren Marktrisikoprämie beispielsweise in Form eines diversifizierten Anleihen-, Immobilien- oder Rohstoffportfolios auf lange Sicht das Gesamtportfolio robuster und effizienter machen. Wertschwankungen auf diese Weise zu reduzieren dürfte besser funktionieren, als weitere Einzeltitel auf Aktienebene zu selektieren. In den meisten Portfolios wird das Beta auf lange Sicht den Großteil der Erträge ausmachen. Daher ist es effizienter, zunächst alle Marktrisikoprämien-Quellen auszuschöpfen, bevor nach neuen Alpha-Quellen gesucht wird.
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Die aufstrebende Assetklasse digitaler Vermögenswerte bildet in diesem Kontext eine neue und bislang kaum ausgeschöpfte Marktrisikoprämie. Ethereum und Bitcoin in Portfolios zu integrieren, war bis vor kurzem noch sehr aufwendig und für viele schwer verständlich. Jedoch drängen verstärkt Banken und große Vermögensverwalter mit Angeboten in den Markt, um diese Finanzwerte sowohl privaten als auch institutionellen Investoren zugänglich zu machen. So deutet beispielsweise vieles darauf hin, dass bereits zu Beginn des kommenden Jahres der größte globale Vermögensverwalter Blackrock ein ETF mit Referenz auf den dominierenden Wert Bitcoin auf den Markt bringen könnte.
Ausblick: Diversifikation durch digitale Assets
Zwar lassen sich bereits heute (günstige) Wege finden, um digitale Vermögenswerte in ein Portfolio zu integrieren. Solange es keine Indexlösungen für ein Investment gibt, ist es empfehlenswert, die Marktrisikoprämie über die beiden marktdominierenden Werte Bitcoin und Ethereum aufzubauen. Die Verwahrung der Kryptowerte ist dabei auch ein wichtiges Thema. Aufgrund der nach wie vor hohen Preisschwankungen sollte eine Position nicht allzu groß ausfallen. In vielen Studien wird eine Beimischung von ein bis fünf Prozent zum Gesamtportfolio genannt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine effiziente und an Markowitz orientierte Portfoliokonstruktion nur dann gelingen kann, wenn Investoren möglichst alle Formen von günstigem Beta ausschöpfen. Digitale Vermögenswerte können in diesem Kontext als Erweiterung auf dem Anlagespektrum verstanden werden.
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Die Kolumne „Verkehrte Finanzwelt“ entsteht in Zusammenarbeit mit der CFA Society Germany.