Woran soll sich die Grundsteuer bemessen? Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist das die Gretchenfrage. Die höchsten Richter werteten die bisherige Berechnung anhand Jahrzehnte alter Immobilienbewertungen, den sogenannten Einheitswerten, als Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip. Ein neues Verfahren zur Ermittlung der Grundsteuer muss also her. Die Regierung hat zwei Jahre Zeit für die Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes. Es stellt sich also die Frage, welches Modell innerhalb von fünf Jahren – so die Frist der Verfassungsrichter – nach Verabschiedung eines neuen Gesetzes umsetzbar ist und zu brauchbaren Ergebnissen führt.
Dabei stehen sich im Wesentlichen zwei Ansätze gegenüber: Die einen wollen grundsätzlich den Markt- bzw. Verkehrswert von Grundstück und Gebäude heranziehen, die anderen lieber nur auf den Flächenverbrauch bzw. die Flächennutzung. Fest steht indessen, dass die Grundsteuer von den Kommunen über die sogenannten Hebesätze steuerbar bleibt.
Bislang können Kommunen über die Hebesätze, mit denen sie die veralteten Einheitswerte von 1964 und 1935 multipliziert, die Höhe der Grundsteuer beeinflussen. So ist das Grundsteueraufkommen in Westdeutschland seit 1964 auf geschätzte 13,5 Milliarden Euro und somit um rund 1700 Prozent gestiegen, während die Inflation in diesem Zeitraum nur rund 300 Prozent betrug.
Was Sie über die Grundsteuer-Entscheidung wissen müssen
Bei der Berechnung der Grundsteuer werden Einheitswerte zugrunde gelegt. In den alten Bundesländern wurden diese 1964 festgelegt, in den neuen Bundesländern reichen sie sogar bis 1935 zurück. Inzwischen haben sich Gemeinden und Städte verändert und damit auch die Werte von Grundstücken und Gebäuden. Das Bundesverfassungsgericht entschied nun, dass dies gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verstößt.
Der Erste Senat erklärte die Einheitswerte damit für verfassungswidrig. Die Berechnung muss bis 2019 neu geregelt werden, anschließend gibt es eine Übergangsfrist zur Umsetzung bis 2024. Die Länder hatten bis zu zehn Jahre Übergangsfrist gefordert, der Eigentümerverband Haus & Grund dagegen nur zwei.
Grundgedanke ist, dass Grundstücke und Gebäude Kosten für die Kommunen verursachen, die zum Beispiel die Infrastruktur unterhalten. Die Eigentümer sollen diese Lasten mittragen. Dazu gibt es die Grundsteuer A für land- und forstwirtschaftliches Vermögen und die Grundsteuer B für bebaute oder bebaubare Grundstücke und Gebäude. Die Bemessungsgrundlage ist bundesweit einheitlich geregelt. Jede Kommune bestimmt aber mit einem Hebesatz die tatsächliche Höhe der Steuer.
Die Grundsteuer deckt etwa zehn Prozent der kommunalen Steuereinnahmen und ist damit eine wichtige Finanzierungsquelle. Die Einnahmen aus der Grundsteuer A lagen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2016 bei rund 400 Millionen Euro. Die Grundsteuer B brachte etwa 13,3 Milliarden Euro. Die Grundsteuer wird an Mieter weitergegeben und ist Teil der Nebenkosten.
Ein je nach Art des Grundstücks oder Gebäudes unterschiedlicher Anteil des Einheitswertes ist die Grundsteuermesszahl - für Wohnungen beträgt sie zum Beispiel 3,5 von Tausend. Wenn der Einheitswert 20.000 Euro beträgt, errechnet sich ein Grundsteuermessbetrag von 70 Euro (20.000 geteilt durch 1000 multipliziert mit 3,5). Diese 70 Euro werden mit dem von jeder Gemeinde individuell festgelegten Hebesatz multipliziert. Liegt er bei 500 Prozent, beträgt die Steuer 350 Euro pro Jahr. Der Hebesatz ist je nach Kommune sehr unterschiedlich und reicht von weniger als 100 bis mehr als 900 Prozent.
Für jedes der mehr als 35 Millionen Grundstücke in Deutschland ist ein Wert festgelegt. Eigentlich sollte dieser alle sechs Jahre neu festgestellt werden, damit Veränderungen etwa der Bausubstanz oder des Umfeldes berücksichtigt werden können. Das ist in Paragraf 21 des Bewertungsgesetzes festgelegt. Doch zu Neubewertungen ist es wegen des hohen Aufwands nicht gekommen. So sind die Differenzen bei vergleichbaren Häusern in ähnlicher Lage im Laufe der Jahrzehnte immer größer geworden. Bei Sanierungen oder Aufteilung in Eigentumswohnungen gibt es allerdings auch Neubewertungen.
Das Gericht sieht eine Verfassungswidrigkeit spätestens ab dem Jahr 2009. Die Richter monieren einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 1). Nach einem Beschluss vom 22. April 2014 (II R 16/13) kommt es darauf an, ob es durch den Verzicht auf Hauptfeststellungen zu Wertverzerrungen bei den Einheitswerten innerhalb einer Gemeinde kommt. Die Richter sind überzeugt, dass dies besonders in größeren Städten der Fall ist.
Hauptdiskussionspunkt ist, ob und wie stark der Bodenwert einbezogen werden soll. Der Deutsche Mieterbund und andere Verbände fordern, die Grundsteuer ausschließlich als Bodensteuer zu gestalten. Das könnte den Wohnungsbau besonders in Städten fördern und Spekulation verhindern, argumentieren sie. Mieter von Wohnungen würden entlastet und Besitzer von Einzelhäusern oder unbebauten Grundstücken belasten.
Nach dem Modell der Bundesländer soll das Gesamtaufkommen unverändert bleiben. Der Hamburger Senat befürchtet aber zum Teil deutlich höhere Steuern. Eine Verzehnfachung auf 6000 Euro im Jahr für eine Wohnung in der Hansestadt sei möglich, hatte der damalige Finanzsenator und heutige Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) in der Verhandlung gesagt. Auch der Präsident von Haus & Grund, Kai H. Warnecke, warnte vor Verzerrungen.
Einigkeit besteht daher bei der Forderung, dass die neue Grundsteuer aufkommensneutral erhoben wird. Kommunen sollen die Reform nicht dazu nutzen, sich beim Steuerzahler zu bereichern. Unstrittig ist aber auch, dass die Steuerbelastung dann innerhalb einer Kommune für einige Immobilienbesitzer höher, für andere hingegen niedriger ausfallen wird, weil Immobilien heute ganz anders bewertet werden müssen als 1935 oder 1964.
Was kommt also auf Haus- und Grundeigentümer zu? Ein direkter Vergleich dreier vieldiskutierter Modelle mit Beispielrechnungen fördert Vor- und Nachteile der verschiedenen Verfahren zutage.
Kostenwertmodell
Wer will es? Auf dieses Modell hatten sich 2016 schon 14 Bundesländer geeinigt, scheiterten im Gesetzgebungsprozess aber am Widerstand der CSU. Die Bundesregierung brachte das Gesetz daher nicht in den Bundestag ein. In der SPD ist das Modell aber nach wie vor beliebt, zumal es schon seinerzeit hart erstritten und erarbeitet wurde und die Gesetzesvorlage nur aktualisiert werden müsste. Neben den meisten SPD-Ministerpräsidenten unterstützen Grüne und Linke das Kostenwertmodell, auch der Deutsche Städtetag ist dafür.
Beispiele zur Berechnung der Grundsteuer
Einfamilienhaus am Niederrhein, 150 qm Wohnfläche, 416 qm Grundstück, aktueller Kaufpreis 220.000 Euro; Einheitswert von 1964 = 25.000 Euro
Grundsteuermessbetrag bisher: 25.000 Euro x 2,6 Promille * = 65 Euro
Grundsteuer pro Jahr: Grundsteuermessbetrag x Hebesatz 450 Prozent = 292,50 Euro
* Grundsteuermesszahl laut Gesetz, ab einem Einheitswert von 38.346,89 Euro beträgt sie 3,5 Promille
Bemessungsgrundlage:
Grundstück: 416 qm x Bodenrichtwert 185 Euro = 76.960 Euro
Geschätzter Kostenwert für das Gebäude: 125.000 Euro*
Unterstellter Kostenwert für Grundstück und Gebäude: 201.960
Grundsteuermessbetrag für bis zum Einheitswert von 38.346,89 Euro**: 38.346,89 Euro x 2,6 Promille = 99,70 Euro
Grundsteuermessbetrag für ab Einheitswert von 38.346,89 Euro: 163.613,11 Euro x 3,5 Promille** = 572,65 Euro
Grundsteuer pro Jahr: Grundsteuermessbetrag (572,65 Euro + 99,70 Euro) x Hebesatz 450 Prozent** = 3025,58 Euro
*Für NRW hat der Verband Haus&Grund in Testberechnung im Durchschnitt den fünffachen Einheitswert (im Beispiel 25.000) auf Basis des Kostenwertmodells errechnet. Hinzu kommt der Bodenwert für das Grundstück. Je nach Alter bekommen Bestandsgebäude Abschläge von den Herstellungskosten für einen Neubau, auf denen das Kostenwertmodell basiert.
**Steuermesszahlen wie beim bisherigen Ertragswertverfahren mit Einheitswerten. Änderungsvorschläge dazu gibt es bislang nicht. Diese Sätze müssten die Kommunen anpassen, um die Grundsteuer wie gefordert aufkommensneutral zu erheben.
Bodenrichtwert: 185 Euro pro Quadratmeter
Grundsteuermessbetrag nach Bodenrichtwert: Grundstück 416 qm x 185 Euro x 2,6 Promille = 200,10 Euro
Grundsteuer pro Jahr: Grundsteuermessbetrag x Hebesatz 450 Prozent = 900,43 Euro
Grundstück: 416 qm x 0,002 Euro = 8,32 Euro
Haus: Bruttogeschossfläche (geschätzt) 180 qm x 0,20 = 36 Euro
Grundsteuermessbetrag: 44,32 Euro
Grundsteuer pro Jahr: 44,32 Euro x Hebesatz 450 Prozent = 199,44 Euro
Wie funktioniert es? Beim Kostenwertmodell sollen die Bodenrichtwerte – also der amtlich bestimmte Wert für den Quadratmeter Bauland je nach Lage des Grundstücks – sowie die Herstellungskosten für die Gebäude für die Bewertung des Grundstücks herangezogen werden. Es gilt als irrsinnig aufwendig und teuer. In Hamburg etwa würde es zu einer deutlich stärkeren Spreizung der Grundsteuer kommen. Haus & Grund hatte im Herbst 2017 eine Umfrage zum Kostenwertmodell in den Bundesländern gestartet und Ergebnisse sowie Beispielrechnungen zu diesem Ansatz im Januar 2018 veröffentlicht. Im Extremfall könnte die Grundsteuer auf das Vierzigfache steigen. „Im Durchschnitt würde eine Grundsteuer auf Basis des Kostenwerts – sofern Hebesätze und Steuermesszahl unverändert bleiben – um mehr als das Siebenfache steigen. Insbesondere eine umfassende Angleichung der Hebesätze bundesweit – über die die Kommunen entscheiden müssten – halten wir für nicht realistisch. Ohnehin halten wir es für falsch, Immobilien auf diese Weise mit einer Art Vermögenssteuer zu belegen“, sagt Sibylle Barent vom Immobilieneigentümer-Verband Haus & Grund.