Grundsteuer Was mit einer Reform auf Hauseigentümer und Mieter zukommt

Seite 2/3

Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz?

Welche Vor- und Nachteile hat es? Die Ursache für die gravierendsten Nachteile liegt im Berechnungs- bzw. Bewertungsverfahren. Die notwendige Erfassung der Herstellungskosten erfordert eine gründliche Berechnung der (fiktiven) Neubaukosten für jedes Gebäude. Das Alter der Gebäude muss über Abzüge berücksichtigt werden. Da im Zuge des Immobilienbooms auch die Baukosten deutlich gestiegen sind, würden neue Häuser viel höher bewertet, als sehr alte, aber komplett sanierte Gebäude. Viele Kritiker finden das ungerecht und vermuten einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Nach der Gesetzesvorlage zum Kostenwertmodell veranschlagten einige Finanzverwaltungen der Bundesländer sieben bis zehn Jahre für eine bundesweite Bewertung aller Immobilien. Somit ist das Kostenwertmodell aus Sicht vieler Politiker bis Ende 2024 – dann läuft die Schonfrist des Bundesverfassungsgerichts für eine Korrektur der bisherigen Bewertungspraxis spätestens aus – nicht mehr realisierbar. Die Immobilienbewertung würde zudem Schätzungen zufolge mehr als eine Milliarde Euro verschlingen und müsste laut Entwurf alle sechs Jahre wiederholt werden. Über 35 Millionen Immobilien in Deutschland sind zu bewerten. Der Aufwand steht kaum im Verhältnis zum Nutzen.

Welche Chancen hat es? Nach diversen Wahlen stehen auch keine 14 Bundesländer mehr hinter dem Kostenwertmodell. Deshalb und aus den genannten Gründen werden dem Kostenwertmodell kaum noch Chancen gegeben. Außerdem wehrte sich der heutige Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) schon als Hamburgs Oberbürgermeister gegen dieses Modell, seine Meinung hat sich da nicht geändert.

Bodenrichtwertmodell oder die Bodensteuer

Wer will es? Dieses Modell wird etwa vom Deutschen Mieterbund, dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln sowie von vielen Bürgermeistern, Verbänden und Organisationen wie dem NABU unterstützt.

Wie funktioniert es? Dabei sollen lediglich die Bodenrichtwerte herangezogen und durch Multiplikation mit einem Faktor, der sogenannten Steuermesszahl, die Grundsteuer berechnet werden. Der Vorteil: Es müssten keine neuen Immobilienbewertungen vorgenommen werden, die Daten sind in den meisten Kommunen vorhanden. Außerdem fließen in die Bodenrichtwerte auch die Geschossflächenzahlen ein, so dass zum Beispiel intensiv genutzte Flächen mit mehrgeschossigen Mietshäusern höhere Bodenrichtwerte aufweisen, als die Grundstücke von Einfamilienhäusern mit nur ein oder zwei Stockwerken am Ortsrand. Der Wert der darauf erbauten Gebäude würde für die Bodensteuer keine Rolle mehr spielen, auch Altersabschläge für alte Gebäude sind nicht vorgesehen.

Welche Vor- und Nachteile hat es? Die Bodenrichtwerte, für die Gutachterausschüsse der Kommunen und Landkreise anhand von Meldungen der Notare jeden Grundstückverkauf erfassen und zur Berechnung nutzen, sind weitestgehend vorhanden. Sie werden bislang etwa zur Berechnung von Erbschaftssteuer genutzt. Generell gilt: je besser die Lage und Attraktivität eines Grundstücks, desto höher ist der Bodenrichtwert. In wenig gefragten Wohngebieten – vor allem auf dem Land – kann er pro Quadratmeter sogar weniger als 100 Euro betragen. In den zentralen Lagen der Metropolen erreicht er jedoch durchaus fünfstellige Werte und würde die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer deutlich erhöhen. Der Bodenrichtwert für Düsseldorfs Altstadt liegt beispielsweise bei 17.500 Euro.

Für Mieter in den Städten könnte es also spürbar teurer werden, weil dort die Bodenrichtwerte am stärksten gestiegen sind. Für Nordrhein-Westfalen etwa sind die jährlich aktualisierten Bodenrichtwerte seit 2011 unter www.boris.nrw.de in einer Landkartenübersicht kostenlos abrufbar. Einige Bundesländer bieten ähnliche Systeme, aber nicht immer kostenlos. Immobilieneigentümer können die geltenden Bodenrichtwerte bei der Kommunalverwaltung erfragen.

Kritiker haben jedoch Zweifel an der Richtigkeit und Vergleichbarkeit der Bodenrichtwerte und halten deren Einbeziehung für einen Fehler. „Qualität und Aktualität der Bodenrichtwerte sind ein Problem“, sagt Barent. „Zum Beispiel sind die Bodenrichtwerte in Bremen aufgrund von Personalmangel teilweise veraltet. Zudem haben einige Bundesländer sehr viele Gutachterausschüsse – in Baden-Württemberg sind es rund 900 –, in anderen Bundesländer sind es nur sehr wenige. Sachsen-Anhalt etwa hat landesweit nur einen einzigen Gutachterausschuss. Zudem unterscheidet sich die Methodik der Gutachterausschüsse teilweise erheblich.“

Die Bodenrichtwerte müssten demnach je nach Region erst neu bestimmt oder auf einen aktuellen Stand gebracht werden – was insbesondere in Gegenden, in denen kaum Immobilienverkäufe stattfinden, Probleme verursacht.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%