Als die Bundesrichter in Karlsruhe im April das aktuelle Grundsteuermodell als verfassungswidrig kassierten, war es bereits zu ahnen: Jeder Grundbesitzer in Deutschland muss im Rahmen der Reform eine Steuer- oder Feststellungserklärung abgeben. So steht es in einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag.
Für die Eigentümer bedeutet das Mehrarbeit – wieviel ist noch nicht abzusehen. Auch der bürokratische Aufwand für die Finanzämter ist noch völlig unklar, da sich das Ministerium bisher nicht auf eines der drei angedachten Modelle festgelegt hat. Dieses muss bis 2024 umgesetzt werden, die entsprechenden Erklärungen würden also 2025 bei den Behörden eintreffen. Gerade bei einem – mindestens teilweise – automatisierten Verfahren ist das durchaus umsetzbar.
Am einfachsten würde es beim marktunabhängigen Modell. Es ist rein flächenbasiert und unterscheidet nur nach den Bereichen Wohnen und Gewerbe. Die Besitzer müssten kaum mehr Informationen als Größe und geplante Verwendung ihres Grundstücks angeben, das Amt könnte die Abgabe einfach ausrechnen. Das Verfahren wäre extrem einfach, transparent, sofort umsetzbar und würde die Grundsteuerlast kaum ändern, aber gerechter verteilen. Das alles wäre vorteilhaft für die Eigentümer, setzt aber auch keine Anreize, beispielsweise die Baugrundspekulation in attraktiven Lagen zu unterlassen.
Beispiele zur Berechnung der Grundsteuer
Einfamilienhaus am Niederrhein, 150 qm Wohnfläche, 416 qm Grundstück, aktueller Kaufpreis 220.000 Euro; Einheitswert von 1964 = 25.000 Euro
Grundsteuermessbetrag bisher: 25.000 Euro x 2,6 Promille * = 65 Euro
Grundsteuer pro Jahr: Grundsteuermessbetrag x Hebesatz 450 Prozent = 292,50 Euro
* Grundsteuermesszahl laut Gesetz, ab einem Einheitswert von 38.346,89 Euro beträgt sie 3,5 Promille
Bemessungsgrundlage:
Grundstück: 416 qm x Bodenrichtwert 185 Euro = 76.960 Euro
Geschätzter Kostenwert für das Gebäude: 125.000 Euro*
Unterstellter Kostenwert für Grundstück und Gebäude: 201.960
Grundsteuermessbetrag für bis zum Einheitswert von 38.346,89 Euro**: 38.346,89 Euro x 2,6 Promille = 99,70 Euro
Grundsteuermessbetrag für ab Einheitswert von 38.346,89 Euro: 163.613,11 Euro x 3,5 Promille** = 572,65 Euro
Grundsteuer pro Jahr: Grundsteuermessbetrag (572,65 Euro + 99,70 Euro) x Hebesatz 450 Prozent** = 3025,58 Euro
*Für NRW hat der Verband Haus&Grund in Testberechnung im Durchschnitt den fünffachen Einheitswert (im Beispiel 25.000) auf Basis des Kostenwertmodells errechnet. Hinzu kommt der Bodenwert für das Grundstück. Je nach Alter bekommen Bestandsgebäude Abschläge von den Herstellungskosten für einen Neubau, auf denen das Kostenwertmodell basiert.
**Steuermesszahlen wie beim bisherigen Ertragswertverfahren mit Einheitswerten. Änderungsvorschläge dazu gibt es bislang nicht. Diese Sätze müssten die Kommunen anpassen, um die Grundsteuer wie gefordert aufkommensneutral zu erheben.
Bodenrichtwert: 185 Euro pro Quadratmeter
Grundsteuermessbetrag nach Bodenrichtwert: Grundstück 416 qm x 185 Euro x 2,6 Promille = 200,10 Euro
Grundsteuer pro Jahr: Grundsteuermessbetrag x Hebesatz 450 Prozent = 900,43 Euro
Grundstück: 416 qm x 0,002 Euro = 8,32 Euro
Haus: Bruttogeschossfläche (geschätzt) 180 qm x 0,20 = 36 Euro
Grundsteuermessbetrag: 44,32 Euro
Grundsteuer pro Jahr: 44,32 Euro x Hebesatz 450 Prozent = 199,44 Euro
In seiner Antwort geht das Finanzministerium auch auf die Frage des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Belastungsgleichheit ein. Alle drei Modelle könnten diesen erfüllen – entscheidend ist, wie die materielle Rechtfertigung der neuen Grundsteuer aussieht. Das heißt: Wird sie eine Nutzungsgebühr für die Infrastruktur der Gemeinden, wäre das marktunabhängige Modell die erste Wahl. Die Kosten für die Instandhaltung von Straßen und Kanälen werden nicht maßgeblich teurer, wenn die Grundstücke aufgrund ihrer Lage wertvoller sind. Die Größe allein würde den Preis bestimmen – als Gradmesser für die Intensität der Nutzung dürfte sie durchaus geeignet sein.
Wird die reformierte Grundsteuer aber als Besteuerung der Profitmöglichkeiten durch den Grundbesitz bestimmt, ist dieses Modell hinfällig. Dann muss der Marktwert des Grundstückes einfließen. Das spräche für das Bodenrichtwert- und das Kostenwert-Modell.
Das Bodenrichtwert-Modell basiert auf dem aktuellen Wert des Baugrunds. Die Bodenrichtwerte für bestimmte Gegenden werden von Gutachterausschüssen errechnet; auf Basis von Meldungen der Notare beim Grundstücksverkauf. Da bei diesem Modell die Bebauung (bis auf die Gesamt-Etagenfläche) irrelevant ist, würden lukrative Innenstadt-Lagen immer gleich besteuert. Ein guter Grund, entsprechende Brachflächen zu bebauen, um die steigende Steuerlast mittelfristig abzufangen.
Da die Kommunen die Bodenrichtwerte ohnehin automatisiert erfassen müssen, sind die benötigten Daten zu guten Teilen bereits vorhanden, wenn auch nicht einheitlich. Allerdings hat eine Arbeitsgruppe von Bund, Ländern und Kommunen schon 2011 eine „Bodenrichtwertrichtlinie“ erarbeitet. Die Bundesregierung überlegt nun, diese in Form einer Verwaltungsvorschrift oder Rechtsverordnung verbindlich zu machen. Das würde einen gewissen Aufwand bedeuten – die notwendige Bemessungsgrundlage für die reformierte Grundsteuer wäre dann aber gegeben und die Neuberechnung könnte großteils automatisiert erfolgen.
Kaum gute Nachrichten gibt es dagegen für das Kostenwert-Modell. Es richtet sich sowohl nach dem Bodenrichtwert, als auch nach einem fiktiven, zu berechnenden Neubaupreis der Gebäude. Außerdem soll das Alter der Bebauung mindernd einfließen. Dadurch wären sanierte, alte Gebäude deutlich günstiger als Neubauten – und auch das Brachland wäre vermutlich in einigen Fällen lukrativer als die Nutzung. Auch der Verwaltungsaufwand und die entstehenden Kosten wären enorm: Für die Berechnung des Kostenwerts wird der Bodenrichtwert benötigt, zusätzlich aber eine kaum abzuschätzende Menge an zusätzlichen Informationen zur Berechnung des Gebäude-Zeitwerts. Sollten sanierte Altgebäude die Besitzer dabei tatsächlich preisgünstiger wegkommen lassen als bei vergleichbaren Neubauten, wäre auch die Belastungsgleichheit gefährdet. Die Bundesrichter könnten erneut einschreiten.
Was Sie über die Grundsteuer-Entscheidung wissen müssen
Bei der Berechnung der Grundsteuer werden Einheitswerte zugrunde gelegt. In den alten Bundesländern wurden diese 1964 festgelegt, in den neuen Bundesländern reichen sie sogar bis 1935 zurück. Inzwischen haben sich Gemeinden und Städte verändert und damit auch die Werte von Grundstücken und Gebäuden. Das Bundesverfassungsgericht entschied nun, dass dies gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verstößt.
Der Erste Senat erklärte die Einheitswerte damit für verfassungswidrig. Die Berechnung muss bis 2019 neu geregelt werden, anschließend gibt es eine Übergangsfrist zur Umsetzung bis 2024. Die Länder hatten bis zu zehn Jahre Übergangsfrist gefordert, der Eigentümerverband Haus & Grund dagegen nur zwei.
Grundgedanke ist, dass Grundstücke und Gebäude Kosten für die Kommunen verursachen, die zum Beispiel die Infrastruktur unterhalten. Die Eigentümer sollen diese Lasten mittragen. Dazu gibt es die Grundsteuer A für land- und forstwirtschaftliches Vermögen und die Grundsteuer B für bebaute oder bebaubare Grundstücke und Gebäude. Die Bemessungsgrundlage ist bundesweit einheitlich geregelt. Jede Kommune bestimmt aber mit einem Hebesatz die tatsächliche Höhe der Steuer.
Die Grundsteuer deckt etwa zehn Prozent der kommunalen Steuereinnahmen und ist damit eine wichtige Finanzierungsquelle. Die Einnahmen aus der Grundsteuer A lagen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2016 bei rund 400 Millionen Euro. Die Grundsteuer B brachte etwa 13,3 Milliarden Euro. Die Grundsteuer wird an Mieter weitergegeben und ist Teil der Nebenkosten.
Ein je nach Art des Grundstücks oder Gebäudes unterschiedlicher Anteil des Einheitswertes ist die Grundsteuermesszahl - für Wohnungen beträgt sie zum Beispiel 3,5 von Tausend. Wenn der Einheitswert 20.000 Euro beträgt, errechnet sich ein Grundsteuermessbetrag von 70 Euro (20.000 geteilt durch 1000 multipliziert mit 3,5). Diese 70 Euro werden mit dem von jeder Gemeinde individuell festgelegten Hebesatz multipliziert. Liegt er bei 500 Prozent, beträgt die Steuer 350 Euro pro Jahr. Der Hebesatz ist je nach Kommune sehr unterschiedlich und reicht von weniger als 100 bis mehr als 900 Prozent.
Für jedes der mehr als 35 Millionen Grundstücke in Deutschland ist ein Wert festgelegt. Eigentlich sollte dieser alle sechs Jahre neu festgestellt werden, damit Veränderungen etwa der Bausubstanz oder des Umfeldes berücksichtigt werden können. Das ist in Paragraf 21 des Bewertungsgesetzes festgelegt. Doch zu Neubewertungen ist es wegen des hohen Aufwands nicht gekommen. So sind die Differenzen bei vergleichbaren Häusern in ähnlicher Lage im Laufe der Jahrzehnte immer größer geworden. Bei Sanierungen oder Aufteilung in Eigentumswohnungen gibt es allerdings auch Neubewertungen.
Das Gericht sieht eine Verfassungswidrigkeit spätestens ab dem Jahr 2009. Die Richter monieren einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 1). Nach einem Beschluss vom 22. April 2014 (II R 16/13) kommt es darauf an, ob es durch den Verzicht auf Hauptfeststellungen zu Wertverzerrungen bei den Einheitswerten innerhalb einer Gemeinde kommt. Die Richter sind überzeugt, dass dies besonders in größeren Städten der Fall ist.
Hauptdiskussionspunkt ist, ob und wie stark der Bodenwert einbezogen werden soll. Der Deutsche Mieterbund und andere Verbände fordern, die Grundsteuer ausschließlich als Bodensteuer zu gestalten. Das könnte den Wohnungsbau besonders in Städten fördern und Spekulation verhindern, argumentieren sie. Mieter von Wohnungen würden entlastet und Besitzer von Einzelhäusern oder unbebauten Grundstücken belasten.
Nach dem Modell der Bundesländer soll das Gesamtaufkommen unverändert bleiben. Der Hamburger Senat befürchtet aber zum Teil deutlich höhere Steuern. Eine Verzehnfachung auf 6000 Euro im Jahr für eine Wohnung in der Hansestadt sei möglich, hatte der damalige Finanzsenator und heutige Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) in der Verhandlung gesagt. Auch der Präsident von Haus & Grund, Kai H. Warnecke, warnte vor Verzerrungen.
Auch die Zeitschätzung der Länder für die Umsetzung lässt nichts Gutes hoffen: Ab 2027 wäre ein Inkrafttreten der neuen Regelung realistisch. Drei Jahre zu spät. Einziger Pluspunkt, den das Modell für sich verbuchen kann: Es hat bereits einmal den Bundesrat passiert. Dass es damals nicht in den Bundestag kam, lag am Widerstand der CSU.
Ansonsten herrscht noch viel Unschlüssigkeit. Das Gesamt-Steueraufkommen soll bleiben, auch das Hebesatzrecht, das den Kommunen erlaubt, mit einem Multiplikator die tatsächliche Höhe der Grundsteuer relativ frei zu bestimmen. Was dagegen mit der Umlage der Grundsteuer auf mögliche Mieter oder der im Koalitionsvertrag verankerten „Grundsteuer C“ für Brachflächen geschieht, ist noch unklar.
Eine stark steigende Grundsteuer um bis zu 700 Prozent durch das das Kostenwertmodell ließe sich kaum vollständig an die Mieter weitergeben. Die Grundsteuer C dagegen könnte je nach Modell hinfällig werden – oder notwendiger denn je.