
Mitunter ist es ein langer Weg, den alten Diesel mit Schummel-Software verlustfrei loszuwerden. Seitdem die Dimensionen des Dieselabgasskandals bekannt wurden, verkaufen sich die Selbstzünder bei den Autohändlern kaum noch. Der Gebrauchtmarkt macht da keine Ausnahme.
Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe spricht von 300.000 Dieselautos, die bei den Händlern auf Käufer warten. Gleichzeitig will offenbar jeder dritte Besitzer eines Dieselautos selbiges so bald wie möglich loswerden. Betroffene Dieselfahrer würden beim Verkauf ihres Gebrauchtwagens also einen unverhältnismäßig hohen Verlust erleiden.
Was liegt da näher als der Gedanke, den ganzen Autokauf rückgängig zu machen? Schließlich haben VW und voraussichtlich weitere Hersteller bei den Abgaswerten betrogen. Zudem drohen im Zuge des Abgasskandals innerstädtische Fahrverbote für Dieselfahrzeuge, der Restwert sinkt, eventuell droht eine höhere Kfz-Steuer für Dieselautos. Insbesondere Besitzer eines Dieselfahrzeugs aus dem VW-Konzern, also Volkswagen, Audi, Porsche und einige mehr, fühlen sich getäuscht und würden gern die in Verruf geratenen Autos wieder loswerden.
Diese Sätze in Widerrufsbelehrungen sind Gerichtsurteilen zufolge fehlerhaft
"Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung."
"Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem dem Darlehensnehmer diese Belehrung mitgeteilt und eine Vertragsurkunde, der schriftliche Darlehensantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Darlehensantrages zur Verfügung gestellt wurde.“
"Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn Ihnen diese Belehrung ausgehändigt worden ist, jedoch nicht, bevor uns die von Ihnen unterschriebene Ausfertigung des Darlehensvertrages zugegangen ist."
"Die Frist beginnt einen Tag nach Aushändigung von Belehrung und Darlehensvertrag."
"Die Frist beginnt ab Eingang der Vertragsurkunde beim Unternehmen."
"Ich/Wir kann/können meine/unsere Vertragserklärung(en) innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit dem Tag des Eingangs des unterschriebenen Darlehensvertrags bei der ING-DiBa AG."
"Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb zwei Wochen (einem Monat) ohne Angaben von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, Email) widerrufen."
"Der Widerruf wird unwirksam, wenn Sie das Darlehen nicht innerhalb von zwei Wochen ab Widerruf zurückbezahlen."
"Der Widerruf gilt als nicht erfolgt, wenn der Verbraucher den Kredit nicht innerhalb von 2 Wochen zurückzahlt."
"Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs.2 BGB (z.B. Angabe des effektiven Jahreszins, Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrages, Angabe der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde) erhalten hat."
Geld zurück vom Autohändler
Einem Audi-Fahrer ist nun die Rückabwicklung des Autokaufs gelungen. Er wollte sich nicht mit einem Software-Update abspeisen lassen. In einem Urteil des Landgerichts Heilbronn verfügten die Richter, dass der Händler den Audi Q3 zurücknehmen und abzüglich einer Nutzungsgebühr von gut 7000 Euro vom Neupreis dem Kunden gut 22.000 Euro zuzüglich Zinsen erstatten muss. Bemerkenswert war die Begründung der Richter: Die Manipulation der Abgassteuerung per Software sei ein flächendeckendes Betrugssystem. Und ein Update der Software wäre nicht in der Lage, eine umweltgerechte Lösung herbeizuführen. Die Genehmigung des Softwareupdates durch das Kraftfahrbundesamt müsse daher auch politisch motiviert sein.
Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Ob andere Gerichte oder auch höhere Instanzen dieser Auffassung folgen ist noch unklar. Autohersteller wie VW wegen Betrugs auf Rücknahme eines Autos zu verklagen, bleibt also höchst unsicher und ist stark vom Einzelfall abhängig. Auch Schadenersatz für die Abgasmanipulation zu erstreiten ist sehr schwierig und nimmt einem den schwer verkäuflichen Diesel nicht ab. Aber für viele Autokäufer gibt es noch einen anderen Weg mehr Geld zu erstreiten, als der alte Diesel mit Schummelsoftware auf dem freien Markt noch einbringen würde. Der Königsweg: Widerruf des Autokredits.
Ohne Autokredit kein Auto
Autokäufer, die den Kaufpreis mit einem Kredit finanziert haben, haben nämlich den idealen Hebel zur Rückabwicklung. Da viele Widerrufsbelehrungen in den Verträgen zur Autofinanzierung nicht den gesetzlichen Anforderungen genügen - die Schätzungen reichen von 40 bis 80 Prozent -, begann bei ihnen nie die 14-tägige Widerrufsfrist. Ein Widerruf ist also unbefristet möglich – auch noch Jahre nach dem Kauf und sogar, wenn der Kredit schon getilgt ist.





Der Widerruf eröffnet Autobesitzern die Chance, den Dieselkauf vergessen zu machen. Im Falle eines erfolgreichen Widerrufs ist nämlich eine Rückabwicklung des Vertrags vorgeschrieben. Das heißt, dass die Vertragspartner sich so stellen müssen, als hätte der Kauf nie stattgefunden. Im Falle des Kreditvertrags bedeutet das, dass der Schuldner die Restschuld begleicht und bereits geleistete Zinszahlungen zurückerstattet bekommt.
Der Clou: Autofinanzierung und Autokauf gelten in aller Regel als verbundene Verträge, da so ein Kredit ausschließlich der Finanzierung des Autokaufs dient. Zudem wird er oft über die Bankentöchter der Autohersteller abgeschlossen. Bei verbundenen Verträgen bewirkt aber der Widerruf des einen Vertrages automatisch auch den Widerruf des anderen Vertrages, in diesem Fall also des Kaufvertrages. Die Folge davon ist, dass Händler oder Hersteller das Auto zurückbekommen. Dem Käufer wird der gezahlte Kaufpreis erstattet.
Die Chance auf Rückabwicklung des Autokaufs sollten sich Betroffene nicht entgehen lassen. Etliche Anwaltskanzleien haben diese Möglichkeit für die Gewinnung neuer Mandate entdeckt und sich in diesem Themenfeld frühzeitig engagiert.
Sebastian Stachowiak von SH Rechtsanwälte in Essen glaubt, dass sich noch viele Autokäufer mit dem Wunsch, ihre Verträge zu prüfen, bei ihm melden werden. „Die Welle zur Rückabwicklung des Autokaufs läuft jetzt erst richtig an. Unsere 30 laufenden Verfahren richten sich bisher nur gegen Autobanken, überwiegend von VW, BMW und Daimler“, berichtet Stachowiak.