Lichtschwert und Cybergeld Die wichtigsten Tech-Trends 2018

Ein Selfie mit der Künstlichen Intelligenz. Quelle: REUTERS

Von Blockchain bis 5G-Funk: Die wichtigsten Tech-Trends des kommenden Jahres im Überblick – und was die Jedi-Ritter damit zu tun haben.

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Ein Bot wird Bundeskanzler? Autonome Autos bereiten dem Stau ein Ende? Gene lösen als Speicher die Blu-ray ab? Ganz so weit kommt es 2018 wohl noch nicht. Doch auch jene Technologien, die im kommenden Jahr den Massenmarkt erschließen, die Industriereife erreichen oder in die breite Erprobung gehen, werden unseren privaten und beruflichen Alltag tiefgreifend verändern, werden Geschäftsmodelle umstürzen und neue schaffen.

Ein Ausblick auf fünf Tech-Trends, die das kommende Jahr prägen werden.

Knick im Blick – Erweiterte Realität

Auf den ersten Blick zielen die „Jedi Challenges“, ein Technik-Paket, das der chinesische Elektronikkonzern Lenovo, der Softwareriese Microsoft und der Unterhaltungskonzern Disney geschnürt haben, bloß auf Fans des Star-Wars-Epos. Immerhin erlaubt es die Kombination aus Spezialbrille und Lichtschwert, in den heimischen vier Wänden virtuelle Kämpfe mit den Bösewichten der dunklen Seite der Macht auszufechten. 

Möglich macht das die sogenannte Augmented-Reality-Brille, die neben den simulierten Kämpfern auf Wunsch auch die Figuren eines virtuellen Holo-Schachspiels ins Sichtfeld des Betrachters einblendet.

So spielerisch das wirkt, es beweist, wie sehr die „erweiterte Realität“ – Englisch: „Augmented Reality“ (AR) – im Massenmarkt angekommen ist. Immerhin war diese Technologie in der Vergangenheit allenfalls zu sechs- bis siebenstelligen Kosten für Forschungs- und Designlabors von High-Tech-Unternehmen erschwinglich. Lenovo dagegen verkauft seine Jedi Challenges für nicht mal 300 Euro – und bringt damit, wie Praxistests belegen, eine bemerkenswert eindrucksvolle Überlagerung von realer und simulierter Welt vor den Augen der Betrachter.

Deren Blick fällt, geteilt über einen halbdurchlässigen Umlenkspiegel teils auf die reale Umgebung, und teils abgeknickt auf den Bildschirm eines in die Brille eingeschobenen Smartphones.

Diese Technik-Trends bringt 2018
Selbstfahrende Autos Quelle: dpa
Augmented Reality Quelle: AP
Virtuelle Realität Quelle: dpa
Elektrisches Fliegen Quelle: dpa
Digitale Assistenten Quelle: AP

Immer deutlicher wird, dass erweiterte und nicht komplett virtuelle Realitäten (VR) der visuelle Megatrend der kommenden Jahre sein werden.  Größter Treiber sind die rasant wachsenden Simulationsfähigkeiten der Top-Smartphones. Sie sind in der Lage, in Echtzeit simulierte Welten und das Bild der Handykamera übereinander gelagert auf dem Telefondisplay einzublenden. Apple hat in sein neues iPhone X ein eigenes AR-Modul integriert. Ursprünglich hatte Konkurrent Google sogar eine eigene Geräteplattform für die vermischten Welten entwickelt, Projekt Tango genannt. Doch weil die AR-Fähigkeiten der Telefone auch so rasant wuchsen, kündigte Google gerade an, Tango Anfang 2018 auslaufen zu lassen.

Dem Boom der erweiterten Realität wird das keinen Abbruch tun. Die Zahl der AR-Apps – ob in den Programm-Stores von Apple oder Google, oder von professionellen Anbietern für industrielle Kunden – jedenfalls wächst ungebremst. Das Angebot reicht von der simulierten Einrichtung der heimischen Wohnung mit simulierten Möbeln bis zu Trainingsprogrammen für angehende Chirurgen.  Der Technikkonzern Thyssen wiederum nutzt bereits AR-Brillen, um Fahrstuhl-Monteuren die Arbeit zu erleichtern, oder Verkäufer von Treppenliften beim Aufmaß ihrer Konstruktionen zu unterstützten. Im einen, wie im anderen Thyssen-Fall steckt – auch wenn es das Szenario nicht vermuten lässt –die gleiche AR-Technik von Microsoft wie in Lenovos Star-Wars-Brille.

Blockchain und 5G-Mobilfunk

Blindes Vertrauen – Blockchain

Unter den Menschen, die in den vergangenen Wochen staunend die Kursentwicklung der Kryptowährung Bitcoin verfolgten, waren auch so manche IT-Experten. Doch statt die atemberaubende Wertsteigerung der Cyber-Münzen wundert die Digitalexperten vor allem eines: Der Hype betrifft eine Idee, die in der schnelllebigen IT-Welt schon ein ziemlich alter Hut ist. 2018 wird es nämlich bereits zehn Jahre her sein, dass das Zahlungssystem Bitcoin erfunden wurde.

Warum also plötzlich so viel Aufhebens um die angestaubte Idee? Die naheliegende Antwort ist natürlich, dass sie einige Wenige derzeit ziemlich rasch, ziemlich reich macht und ziemlich Viele über kurz oder lang deutlich ärmer.

Wichtiger ist, dass der Bitcoin-Hype zeigt, wie weit die zugrunde liegende Technologie – Blockchain genannt – inzwischen in den Fokus von Unternehmen unterschiedlichster Branchen gerückt ist.

Banken, Versicherungen, Börsen, Krankenhäuser, Energieversorger, Handelsketten: Es gibt kaum eine Industrie und kaum ein Unternehmen von Relevanz, das sich nicht mit der Blockchain befasst.

Weil die Technologie – jedenfalls in der Theorie – Vermittler ebenso überflüssig macht, wie zentrale Trustcenter, die die Glaubwürdigkeit und Gültigkeit von Verträgen, Währungen oder Handelsplattformen von außen garantieren, lässt sich das Disruptionspotenzial für fast alle Wirtschaftsfelder gar nicht überschätzen.

Bisher steht der Beweis allerdings noch aus, dass die Idee auch in der Praxis so machtvoll ist, wie es die Theorie verspricht. Anlässlich der vielen Blockchain-Projekte, die 2018 in den Test gehen oder sich als Start-ups an den Markt wagen, wird das kommende Jahr zum ersten großen Realitäts-Check der Technologie.

Diverse Anwendungen für die Blockchain

Der Zeit voraus – 5G-Mobilfunk

Ob BER oder Stuttgart 21: Es ist das Wesen technologischer Großprojekte, dass teurer und in der Regel verspätet fertig werden. Umso überraschender ist, dass ausgerechnet ein so gigantisches Vorhaben, wie die Entwicklung einer neuen, weltweit gültigen Mobilfunkgeneration vor dem Zeitplan liegt. Statt wie geplant Mitte 2019 werden grundlegende Standards für die künftigen 5G-Mobilfunknetze bereits ein Jahr früher verabschiedet. Erste serienreife Technik könnte tatsächlich schon bis Jahresende 2018 verfügbar sein.

Netzausrüster, Netzbetreiber und Normengremien legen damit die Basis für den radikalsten Wandel der drahtlosen Kommunikation - mindestens seit dem Start der Digitalfunknetze vor rund einem Vierteljahrhundert. Denn im Zeitalter von 5G werden nicht mehr „nur“ Hunderte von Millionen Menschen weltweit via Mobilfunk kommunizieren, sondern Abermilliarden von Maschinen.

Ob voll vernetzte Fabrik, ob Zusammenarbeit von Mensch oder Maschine oder autonomes Fahren im Massenverkehr – keines dieser Zukunftsszenarien ist ohne 5G realisierbar.

Die Bedeutung dieses Umbruchs lässt sich nur erahnen, wenn man vergleicht, wie tiefgreifend die mobile Kommunikation und fast flächendeckende Verfügbarkeit des mobilen Internets unseren Alltag seit den frühen Neunzigerjahren verändert hat: Wer heute groß wird, kann sich – nur eine menschliche Generation nach dem Start der D- und E-Netze – ein Leben ohne Smartphone nicht mehr vorstellen. Nun erreicht die allumfassende, schnurlose Vernetzung das Heer der Maschinen und Geräte in Industrie und Haushalten.

Was auch immer in den nächsten ein, zwei Dekaden an Technik miteinander funkt, es wird zu großen Teilen 5G-Infrastrukturen nutzen.

Bis die Netze der fünften Generation flächendeckend verfügbar sind, werden noch fünf bis acht Jahre vergehen. Aber der Einstieg in den Umstieg beginnt 2018 – mit Testnetzen in Hamburg, Venedig, den USA und, pünktlich zum Start der Olympischen Winterspiele in Pyeongchang im Februar, in Südkorea.

Künstliche Intelligenz und 3-D-Druck

Bot-Pourri – Künstliche Intelligenz

Es ist noch nicht lange her, da galt „Mobile first“ – die Idee in der IT, Hard- und Software vor allem für mobile Anwendungen zu konzipieren – als unumstößliches Mantra. Der PC, als ortsfeste Schnittstelle zwischen Mensch und digitalen Angeboten, spielte in den Visionen und Strategien von Apple über Google bis Microsoft (außerhalb des Büros) kaum noch eine Rolle. Die Zukunft, soviel war klar, heißt Smartphone.

Heute, ist von dem Mantra nicht mehr viel geblieben. Nicht, weil Handys ausgedient hätten. Aber sie stehen nicht mehr im Zentrum der Innovation. Das neue Trendthema heißt Künstliche Intelligenz. Smarte Software, die etwa in der Lage ist, menschliche Kommunikation auch inhaltlich zu verstehen. Programme, die schlau genug sind, aus Nutzerverhalten zu lernen und sich daran anzupassen. Maschinencode so smart, dass er aus atypischem Rollverhalten von Eisenbahnrädern, oder den Schwingungen von Maschinen schon auf Verschleiß zu schließen lernt, bevor der Schaden überhaupt eintritt.

Statt „Mobile first“ heißt es nun „AI first“ – abgeleitet vom englischen Begriff fürs künstliche Computerhirn: „Artificial Intelligence“. Die Riesen der IT-Welt investieren Abermilliarden von Dollar dafür AI massenmarkttauglich zu machen. Und die Industriekolosse – von GE bis Siemens – tun es ihnen gleich, wenn es darum geht, die smarten Algos im Maschinenbau zu etablieren … und daraus die Industrie 4.0 zu schmieden.

Es entsteht allenthalben ein wahres Potpourri der „Bots“ genannten Digitalwesen. IBM erschließt mit seinem intelligenten und lernfähigen Großrechner Watson immer neue Geschäftsfelder. Facebook bemüht sich, seinen Algorithmen das Erkennen von Fake News beizubringen und Amazon, Google und Microsoft drängen mit ihren smarten Assistenten Alexa, Google Home oder Cortana in die Haushalte.

Wie rasch und wie gut das gelingt, und wie sehr sie Alltag und Geschäftswelt WIRKLICH verändern, auch dafür wird 2018 der Prüfstein.

Rob der Baumeister – 3-D-Druck

Es ist eine Revolution, die sich im Stillen vollzieht: Im niedersächsischen Örtchen Varel produziert der Luftfahrtzulieferer Premium Aerotec die ersten tragenden Serienbauteile für Passagierflugzeuge mithilfe riesiger Produktionsroboter, sogenannter 3-D-Druckern. In einem stundenlangen Feuerwerk aus Laserblitzen schmelzen die riesigen Maschinen fast geräuschlos feinstes Titanpulver zu massiven Konstruktionsteilen für Airbus A 350-Jets.

2018 sollen die Teile in die ersten Maschinen eingebaut werden. Sie sind leichter und robuster als ihre traditionell gegossenen und gefrästen Vorgänger. Der Druck halbiert zugleich die Produktionszeit und senkt die Herstellungskosten um ein Drittel.

Mehr noch, 3-D-Druck ermöglicht es, Werkstücke zu entwerfen, die mit herkömmlichen Verfahren wie Gießen, Schmieden, Stanzen oder Fräsen gar nicht herstellbar wären: Komplexe, ineinander verschachtelte Werkstücke zum Beispiel, die bisher von Hand montiert werden mussten, nun aber als ein Teil entstehen. Aber auch Träger, die innen bis auf netzartige Gitter hohl sind. Sie sind der Natur nachempfunden und können wie Pflanzenstängel oder Röhrenknochen sehr hohe Lasten oder Kräfte aushalten. Zugleich sind sie viel leichter als massive Bauteile.

Der Leichtbau aus Licht markiert eine Zäsur in der industriellen Produktion, die weit über die Luftfahrt hinausreicht. Vorbei die Zeiten, da Entwickler mithilfe von 3-D-Druckern nur zerbrechliche Designproben produzierten. Nun erreicht die Technologie die Industriereife. Ob im Maschinenbau oder in der Medizin, in Freizeitkleidung oder beim Möbelbau – immer mehr Unternehmen setzen die Technik in der Serienproduktion ein.

Noch sind es die innovativsten Unternehmen, die den industriellen Einsatz der Technik erproben, doch die Zahl der professionellen Anwender entwickelt sich exponentiell. Zusätzlichen Schub bekommt der 3-D-Druck durch das milliardenschwere Engagement von Technologieriesen wie GE oder Hewlett-Packard (HP).

Der US-Mischkonzern GE hat 2016 rund eine Milliarde Dollar in Zukäufe von 3-D-Technik investiert, davon rund die Hälfte für den Einstieg beim deutschen 3-D-Druck-Spezialisten Concept Laser – einen von drei deutschen High-Tech-Anbietern, die den Weltmarkt von 3-D-Metalldruckern dominieren. Und HP steckte mehrstellige Millionenbeträge in die Entwicklung eines Druckverfahrens, das feinstes Kunststoffpulver mithilfe der hauseigenen Tintendrucktechnik zu massiven Plastikkörpern verschmilzt. Inzwischen arbeitet das Unternehmen bereits an einer Folgetechnik, die es ermöglichen soll, auch kleine Metallteile zu drucken.

Damit ist klar: 2018 wird das Jahr, in dem die Industrie „Druck macht“.

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