Diplomatie Außenministerin Baerbock besucht China

Außenministerin Annalena Baerbock reist nach China für ihren Antrittsbesuch. Quelle: REUTERS

Partner und systemischer Rivale: In China will Baerbock Werte betonen und Möglichkeiten der Zusammenarbeit sondieren. Es dürfte ein Balanceakt werden. Chinas Manöver vor Taiwan verdeutlichen die Spannungen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock ist in der Hafenstadt Tianjin zu ihrem mit Spannung erwarteten Antrittsbesuch in China eingetroffen. In der Stadt südöstlich der Hauptstadt Peking will die Grünen-Politikerin unter anderem den Unterricht an einer Pasch-Partnerschule besuchen und ein deutsches Unternehmen besichtigen, das Windturbinen produziert. Die zentralen politischen Gespräche sind in Peking geplant.

Baerbock hat zu ihrem Antrittsbesuch in China das Ziel betont, Chancen für eine künftige Zusammenarbeit auszuloten und Gefahren einseitiger Abhängigkeit abzubauen. „Für unser Land hängt viel davon ab, ob es uns gelingt, unser zukünftiges Verhältnis mit China richtig auszutarieren”, sagte die Grünen-Politikerin vor dem Abflug zu ihrem ersten Besuch in China.

Ganz oben auf ihrer Agenda stehe aber auch das Interesse, „den Krieg vor unserer europäischen Haustür in der Ukraine schnellstmöglich, dauerhaft und gerecht zu beenden”.

Die Ampel ringt seit Monaten um ihre Chinastrategie. Nun startet Annalena Baerbock ihre erste Reise in die Volksrepublik ausgerechnet mit einem Unternehmensbesuch. Gilt also doch: Wirtschaft first, alles andere second?
von Sonja Álvarez

Nordkorea testet Raketen

Überschattet wird der Besuch durch einen neuen Raketentest Nordkoreas heute Morgen, Chinas Militärmanöver zur Einschüchterung des demokratischen Taiwans und die hohen Haftstrafen von 12 und 14 Jahren für zwei der bekanntesten chinesischen Bürgerrechtler Xu Zhiyong und Ding Jiaxi. Nach Angaben des südkoreanischen Generalstabs flog die nordkoreanische Rakete mit einer Reichweite von möglicherweise tausenden Kilometern in Richtung offenes Meer. Die Erprobung ballistischer Raketen, die mit Atomsprengköpfen bestückt werden können, ist Nordkorea durch UN-Beschlüsse untersagt.

Auch angesichts der Rückendeckung Pekings für Russlands Präsident Wladimir Putin dürfte die Reise für Baerbock eine der diplomatisch schwierigsten Missionen ihrer bisherigen Amtszeit werden. China trage als ständiges Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine besondere Verantwortung für den Weltfrieden, betonte Baerbock. Welche Rolle China mit seinem Einfluss auf Russland übernehme, „wird für ganz Europa und unsere Beziehung zu China Folgen haben”, sagte sie.

„Kein Interesse an wirtschaftlicher Entkopplung”

„Partner, Wettbewerber, systemischer Rivale – das ist der Kompass der europäischen China-Politik. In welche Richtung die Nadel künftig ausschlagen wird, liegt auch daran, welchen Weg China wählt”, sagte Baerbock. Sie wolle Chancen für mehr Zusammenarbeit bei der Förderung der Zivilgesellschaft, beim Klimaschutz und in Zukunftsbranchen wie erneuerbare Energien ausloten. Es sei klar: „An einer wirtschaftlichen Entkopplung haben wir kein Interesse – dies wäre in einer globalisierten Welt ohnehin schwer möglich.” Man müsse aber die Risiken einseitiger Abhängigkeiten systematischer in den Blick nehmen und abbauen, „im Sinne eines De-Risking”.

Dies gelte gerade auch „mit Blick auf das Horrorszenario einer militärischen Eskalation in der Taiwanstraße, durch die täglich 50 Prozent des Welthandels fließen”, sagte Baerbock. Sie werde deshalb auch die gemeinsame europäische Überzeugung unterstreichen, dass eine einseitige Veränderung des Status quo in der Meerenge der Taiwanstraße und erst recht eine militärische Eskalation inakzeptabel wären. Selbstverständlich wolle sie in China auch über den Schutz der universellen Menschenrechte sprechen, sagte die Ministerin. Dieser müsse Bestandteil fairer Wettbewerbsbedingungen sein.



Zentrale Gespräche beginnen Freitag

Baerbock wollte ihren Besuch heute in der Hafenstadt Tianjin beginnen. In der Stadt südöstlich der Hauptstadt Peking will sie unter anderem den Unterricht an einer Pasch-Partnerschule besuchen und ein deutsches Unternehmen besichtigen, das Windturbinen produziert. Mit dem 2008 vom Auswärtigen Amt gegründeten Pasch-Projekt „Schulen: Partner der Zukunft” werden nach Angaben der Initiative weltweit mehr als 2000 Schulen vernetzt, an denen Deutsch einen besonders hohen Stellenwert hat. Die zentralen politischen Gespräche sind morgen in Peking geplant.

Nach den umstrittenen Äußerungen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zum Konflikt um Taiwan appellierte der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen an Baerbock, in China ein Bekenntnis Deutschlands für einen uneingeschränkten europäischen Kurs abzulegen. „Die deutsche Außenministerin muss die Bundesregierung ohne Wenn und Aber in diese europäische Linie einreihen. Wenn daran Zweifel zurückbleiben, würde sie den Schaden, den Macron angerichtet hat, weiter vergrößern”, sagte Röttgen der „Rheinischen Post” und dem Bonner „General-Anzeiger”.

Worum geht es bei dem Streit um Taiwan?

Sorge auch wegen Ukraine-Krieg

Macron hatte in Interview-Äußerungen nach seinem China-Besuch in der vergangenen Woche Europa zu einem eigenständigeren Kurs in der Taiwan-Frage aufgerufen und betont, Europa solle gleichermaßen Distanz zu China und zu den USA halten.

Lesen Sie auch: Das sind die französisch-chinesischen Wirtschaftsdeals

Der Repräsentant Taiwans in Deutschland, Shieh Jhy-Wey, sagte dem „Tagesspiegel”: „Gerade vor den jüngsten Äußerungen von Herrn Macron hoffe ich, dass Frau Baerbock, die als Verfechterin freiheitlicher Werte bekannt ist, in Peking Klartext spricht und unterstreicht, dass Deutschland jeden Versuch Chinas ablehnt, die Taiwan-Frage mit Gewalt zu lösen.” Am Beispiel der Ukraine sehe man, dass nur transatlantische Einigkeit Erfolg habe. „Wenn dieser Schulterschluss auch bei Taiwan gelingt, weiß China, dass es keine Chance hat, uns militärisch zu unterdrücken.”

Opposition übt Kritik

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte von Baerbock eine klare Strategie gegenüber Peking. „Ich hätte erwartet, dass Frau Baerbock ihre lang angekündigte China-Strategie vorlegt, bevor sie nach Peking reist”, sagte der Vorsitzende der CSU-Abgeordneten im Bundestag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Unsere Unternehmen müssen endlich wissen, welche China-Politik die Ampel verfolgt, wie sie unsere Souveränität stärken und strategische Abhängigkeiten reduzieren will.” Diese Antworten bleibe Baerbock weiter schuldig.

Exklusive BCG-Analyse Die 10 besten Aktien der Welt

Die politische Weltlage und Sorgen vor weiter hohen Zinsen verunsichern die Börse. Das exklusive Ranking der besten Aktien der Welt – und zehn Titel, die jetzt kaufenswert sind.

Gewerbeimmobilien Das wahre Problem von Deutschlands gefährlichster Bank

In den USA stehen massenhaft Büros leer. Das hat die deutsche Pfandbriefbank in eine schwierige Lage gebracht. Jetzt bahnen sich auch noch Probleme in der Heimat an.

Neuer Arbeitgeber Was der Jobwechsel der Karriere wirklich bringt

Viele Berater sind sich einig: Wer im Job aufsteigen will, muss in aller Regelmäßigkeit den Job wechseln. Aber: Lohnt sich das wirklich? Und wie gelingt die jahrzehntelange Karriere auch beim immer gleichen Arbeitgeber?

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Die Vizechefin der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Gyde Jensen (FDP), rief Baerbock zu klaren Worten auf. „Annalena Baerbock hat gezeigt, dass sie nicht auf leisen Sohlen daherkommt, um nur ja niemanden zu verschrecken”, sagte Jensen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „So sollte sie auch in China klar Stellung beziehen, die Einhaltung von Menschenrechten einfordern, aber auch die von völkerrechtlichen Verträgen.”

Lesen Sie auch: Chinas Autobauer fühlen sich schon wie zu Hause – und der ADAC ist beeindruckt

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%