Das Treffen mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow in Genf hat aus Sicht von US-Außenminister Antony Blinken das gegenseitige Verständnis der jeweiligen Positionen befördert. „Wir haben heute keine großen Durchbrüche erwartet, aber ich glaube, dass wir nun auf einem klareren Weg sind, die Positionen des anderen zu verstehen“, sagte Blinken nach dem Treffen.
Blinken sagte, Lawrow habe zum wiederholten Mal geltend gemacht, dass Russland nicht beabsichtige, in der Ukraine einzumarschieren. Blinken machte deutlich, dass die USA und deren Verbündete von dieser Aussage nicht überzeugt seien. „Wir schauen auf das, was für alle sichtbar ist, und es sind Taten und Handlungen und nicht Worte, die den Unterschied ausmachen“, sagte Blinken.
Der russische Außenminister Lawrow nannte die Gespräche unterdessen „konstruktiv und hilfreich“. Er erklärte, die USA hätten zugestimmt, in der kommenden Woche schriftliche Antworten auf Forderungen Russlands zur Ukraine und Nato zu liefern. „Ich kann nicht sagen, ob wir uns auf dem richtigen Weg befinden oder nicht“, sagte Lawrow. „Wir werden das verstehen, wenn wir die schriftliche Antwort der USA auf alle unsere Vorschläge erhalten.“
Vorab hatten beide Seiten die Erwartungen an das Treffen der beiden Top-Diplomaten gedämpft und an ihren Positionen festgehalten. „Wir rechnen nicht damit, hier heute unsere Differenzen beizulegen“, hatte Blinken zu Lawrow gesagt. „Aber ich hoffe doch und erwarte, dass wir prüfen können, ob der Pfad der Diplomatie oder des Dialogs noch offen ist.“ Lawrow hatte wissen lassen, er „rechne auch nicht mit einem Durchbruch bei diesen Verhandlungen“. Russland wolle „konkrete Antworten auf unsere konkreten Vorschläge“.
Russland fordert verbindliche Sicherheitsgarantien, zu denen es gehört, der Ukraine keine Mitgliedschaft in der Nato zu erlauben. Zudem soll die militärische Präsenz der USA und der Nato in Osteuropa größtenteils aufgegeben werden. Die USA und ihre europäischen Partner wollen nicht auf die Forderungen eingehen. Sie haben sich aber bereit erklärt, in Erwägung zu ziehen, Russland auf andere Weise entgegenzukommen.
Das Treffen ging mit Mutmaßungen einher, dass Europa kurz vor einem neuen Krieg stehen könnte. Anlass dafür ist die Zusammenziehung von 100.000 russischen Soldaten nahe der Grenze zur Ukraine. Die USA und ihre Verbündeten versuchen, gemeinsam eine Invasion Russlands in der Ukraine zu verhindern. Sie haben mit schwerwiegenden Konsequenzen gedroht, sollte eine Invasion erfolgen - eine Drohung, die Blinken vor den Gesprächen am Freitag wiederholte.
Er sagte, die USA und deren Verbündete seien der Diplomatie verpflichtet, jedoch auch zu einer „vereinten, schnellen und heftigen Antwort“ entschlossen, solle sich dies „als unmöglich erweisen“ und sich Russland dazu entschließen, aggressiv gegen die Ukraine vorzugehen. Zudem sagte Blinken, er wolle die Gelegenheit nutzen, um mit Lawrow direkt konkrete Ideen auszutauschen, wie sowohl einige der Bedenken, die die russische Seite aufgeworfen haben, „als auch die tiefen Bedenken, die viele von uns über Russlands Handlungen haben“ angegangen werden könnten.
Die Ukraine ist bereits vom Konflikt gezeichnet. Russland hatte 2014 die ukrainische Halbinsel Krim annektiert und einen Aufstand prorussischer Rebellen in der Ostukraine unterstützt. In dem militärischen Konflikt sind mehr als 14.000 Menschen getötet worden.
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