Anfang dieser Woche gab es eine gute und hoffnungsfroh stimmende Nachricht aus den Vereinigten Staaten: Der US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, soll in einem Gespräch mit führenden deutschen Automanagern einen vollständigen Abbau aller Zölle auf Automobilimporte in die Europäischen Union und die USA vorgeschlagen haben. Würden sich die EU und die USA darauf einigen können, wäre der Strafzoll auf europäische Automobile von 25 Prozent vom Tisch.
Das wäre in der Tat eine sehr positive Nachricht, hängen doch auf beiden Seiten des Atlantiks hunderttausende Arbeitsplätze von der Automobilindustrie ab. Gegenseitige Zölle bedrohen viele dieser Arbeitsplätze und schädigen die Konsumenten und Unternehmen auf beiden Seiten – Automobile sind nicht nur private Konsumgüter, sondern Input für Mobilität jeglicher Form.
Allerdings ist der Vorschlag von Botschafter Grenell noch kein bindendes Angebot und die Adressaten seines Vorschlages sind nicht befugt, über Handelspolitik zu entscheiden. Darüber hinaus waren offenbar nur deutsche Autobauer vertreten. Die wahren Begünstigten europäischer Handelspolitik für Kraftfahrzeuge, die Konkurrenten asiatischer Autobauer, haben ihren Sitz in Frankreich und Italien. Bis sich etwas bewegt, wird also noch viel Zeit vergehen, wenn überhaupt. Entschieden wird ohnehin in Brüssel, natürlich aber nicht ohne Einflussname aus Paris, Rom und Berlin. Zudem sind die Autozölle sogenannte Meistbegünstigungszölle, sie gelten also gegenüber allen Ländern. Bilaterale Liberalisierungen bei einzelnen Produkten widersprechen den geltenden Regeln der Welthandelsorganisation.
Sicher dürfte aber sein, dass der Botschafter keinen Alleingang gestartet hat, sondern sein Vorgesetzter aus dem Weißen Haus von der Initiative gewusst und sie sogar unterstützt haben dürfte. Sicher ist auch, dass die Initiative in Europa auf offene Ohren gestoßen sein dürfte und mit einer gewissen Erleichterung zur Kenntnis genommen wurde. Insofern ist es nicht vollkommen ausgeschlossen, dass es tatsächlich zu einem Zollabbau für Automobile beiderseits des Atlantiks kommen könnte.
Neben der Erfolgswahrscheinlichkeit ist die Frage nach den Gründen für die Initiative und deren Zeitpunkt noch unbeantwortet. Noch hat der US-Handelsminister seine Untersuchung hinsichtlich der Gefährdung der Sicherheit durch europäische Autos nicht beendet, während der amerikanische Präsident gerade an allen Fronten Konflikte zu suchen scheint: Ob Kanada, der Iran, die EU, China oder die Organisation erdölexportierender Länder (Opec): Mit Ausnahme Nordkoreas und Russlands scheinen zur Zeit fast alle Akteure der Geopolitik im Visier des US-Präsidenten zu sein.
Beide Sachverhalte könnten zur Erklärung sowohl der Initiative selbst als auch ihres Timings beitragen. Noch ist nicht entschieden, dass es Strafzölle auf europäische Automobile geben wird. Da könnte ein Zeichen des Einlenkens die Verhandlungsposition der Amerikaner möglicherweise verbessern. Dies gälte insbesondere dann, wenn in den nächsten Tagen noch einige Bedingungen an das Angebot des Botschafters geknüpft werden. Denkbar sind die Themenkomplexe Nato, Ostsee-Pipeline oder Iran.
Sollten die Europäer darauf nicht eingehen, stünde die US-Administration als vergleichsweise friedliebend da – zumindest in der Binnensicht der USA – und könnte dann ungehindert die eigentliche Agenda des Präsidenten – mutmaßlich die Verbannung deutscher Autos von den Straßen Amerikas – voranbringen. Denn es wirkt doch so, als habe der Präsident ein echtes Problem mit deutschen Autos. Und dies trotz seiner offenkundigen Leidenschaft für ausländischen Luxus.
Ein zweiter bereits mehrfach geäußerter Erklärungsversuch setzt auf die zahlreichen Fronten, die der Präsident in kürzester Zeit aufgemacht hat. Frieden mit der Europäischen Union in einem dort sehr wichtigen Sektor kann dann zur Beruhigung beitragen, zumal der Präsident vermutlich nicht mit der scharfen negativen Reaktion aus der eigenen Autoindustrie auf die geplanten Zölle gerechnet haben dürfte. Ein Konflikt mit dieser Industrie dürfte ihm im Wahlkampf zu den Kongresswahlen im November ungelegen kommen.
Aber selbst wenn der Vorschlag des gegenseitigen totalen Zollabbaus für Automobile ernst gemeint ist und in die Tat umgesetzt werden sollte, kann man sich nicht sicher sein, dass das Thema dann erledigt ist. Denn es ist sehr unwahrscheinlich, dass danach der Absatz von amerikanischen Autos aus Detroit in Europa dramatisch steigen würde (der Zoll richtet sich wie gesagt gegen die asiatische Konkurrenz), möglicherweise werden mehr in Amerika produzierte Autos deutscher Marken verkauft.
Auch wird sich dadurch das Handelsbilanzdefizit der USA gegenüber der EU und speziell gegenüber Deutschland kaum verringern. Denn die Ursachen dieser Salden liegen vor allem in der geringen Ersparnis in den USA und den geringen Investitionen in Europa. Damit droht neuer Ärger dergestalt, dass der US-Präsident in Unkenntnis der maßgeblichen theoretischen Zusammenhänge wiederum eine Verschwörung wittern und neue Drohungen ausstoßen würde. Der Frieden wäre nur von kurzer Dauer.
Insofern sollte man ungeachtet der spontanen Zustimmung zu einer Zollsenkungsinitiative aus den USA nüchtern bleiben und nicht nur deren kurzfristen Chancen und Risiken abwägen. Es ist auch wichtig, sich über mögliche Zweitrundeneffekte – dieses Mal politischer Natur – im Klaren zu sein. Dann fällt das Urteil unter Umständen weniger euphorisch aus.