Herr Schmieding, nach Erdogan in der Türkei versucht jetzt auch Trump in den USA, Druck auf die Zinspolitik der Notenbank auszuüben. Ist Trump der neue Erdogan?
Der große Unterschied zwischen den USA und der Türkei ist, dass die USA funktionierende Institutionen haben. Zu ihnen gehört auch die Federal Reserve, die eine unabhängige Zentralbank ist.
Also wird die Federal Reserve nicht auf Trumps Ermahnungen reagieren.
Das Schlimmste, was die Notenbanker machen könnten, wäre, sich zu Trumps Einlassungen zu äußern und sich auf Diskussionen über die Geldpolitik einzulassen.
Warum?
Zentralbanken sollten sich aus politischen Diskussionen heraushalten. Nichts zu sagen, ist auch ein Statement: Damit dokumentieren Zentralbanker, dass sie unabhängig sind und sich nicht von der Politik beeinflussen lassen.
Aber hat Trump nicht Recht? Höhere Zinsen würden noch mehr Kapital nach Amerika locken und so die Schwellenländer in die Krise treiben?
Bisher ist die Krise in der Türkei nicht so ausgeprägt, dass wir von einer allgemeinen Schwellenländerkrise sprechen können. Sollte sich der wirtschaftliche Ausblick nachhaltig ändern, hätte das natürlich auch für die USA Konsequenzen. Da der Dollarwechselkurs wegen der Fremdwährungsschulden der Schwellenländer große Bedeutung für diese hat, könnte eine ausgeprägte Schwellenländerkrise die Fed dazu veranlassen, inne zu halten. So weit sind wir aber noch nicht.
Werden die Zinsen durch Trumps Mahnadressen an die Fed weniger stark steigen?
Nein. Trump wird mit seinen Worten keinen Erfolg haben. Er könnte allenfalls indirekte Wirkungen erzeugen.
Was meinen Sie damit?
Sollte Trump durch weitere Tweets mit dazu beitragen, dass sich die Krise der Türkei auf andere Schwellenländer ausweitet, könnte die Fed gezwungen sein, den potenziellen Schaden für die Weltwirtschaft bei ihren zinspolitischen Entscheidungen mit zu berücksichtigen.
Volkswirte zu Trumps Angriff gegen die Federal Reserve
„Die US-Regierung will natürlich lieber niedrigere Zinsen haben, weil alle anderen großen Notenbanken nach wie vor eine lockere Geldpolitik fahren. Die USA befürchten dadurch einen Nachteil im Außenhandel, da ein starker Dollar den Aufschwung dämpfen könnte. Das passt auch in Trumps Weltbild, das sehr stark auf die amerikanischen Außenhandelsdefizite ausgerichtet ist.
Trump kurbelt die Konjunktur durch neue Schulden an. Niedrigere Zinsen vereinfachen natürlich ein schuldenfinanziertes Wachstum. Daher lehnt er die geldpolitische Straffung der Notenbank ab. Er befürchtet offenbar, dass die Notenbank ihm beim Ankurbeln der Konjunktur in die Parade fahren könnte. Ich gehe nicht davon aus, dass sich die Fed von ihrem geldpolitischen Kurs abbringen lassen wird. Die Fed dürfte im September und im Dezember jeweils ihren Zinsen wie signalisiert anheben.“
„Historisch ist das sehr ungewöhnlich. In den sechziger, siebziger Jahren war es noch üblich, dass sich Washington massiv in die Geldpolitik einmischt. Das Resultat kennen wir: eine hohe Inflation. Seit Präsident Clinton galt eigentlich die unausgesprochene Regel, dass der Präsident die Notenbank-Politik nicht kommentiert. Mit dieser Regel hat Trump gebrochen.
Ursprünglich haben Trump und die Republikaner die Fed wegen ihrer lockeren Geldpolitik kritisiert. Nun kommt ein opportunistischer Schwenk. Trump befürchtet nun offenbar, dass höhere Zinsen der US-Konjunktur schaden können. Sein Finanzminister muss ebenfalls höhere Zinsen zahlen.
Der Präsident prägt das Meinungsklima im Land. Wenn beträchtliche Teile der Wähler gegen die Unabhängigkeit der Zentralbank sind, kann sich dem keine Zentralbank der Welt auf Dauer entziehen. Dann findet sich die Zentralbank unter dem Einfluss der Politik wieder. Wenn sich das ändert in Amerika, dann hat die Fed langfristig Gegenwind.
Kurzfristig mögen Trumps Äußerungen wenig Auswirkungen haben, weil die meisten Führungspositionen der Fed besetzt sind oder sich im Ernennungsprozess befinden – und dass mit Zentristen und Vertretern des Mainstreams. Die personelle Unabhängigkeit sollte noch ein paar Jahre verhindern, dass die Unabhängigkeit der Fed unter die Räder kommt. Sollte es Trump aber gelingen, eine zweite Amtszeit zu bekommen, könnte die Unabhängigkeit in fünf bis zehn Jahren erodieren, wenn er ihm genehme Leute platziert. Dann kann sich die Fed dem Druck nicht mehr entziehen. Langfristig ist das gefährlich.“
„Trumps Kommentare halte ich für bedeutungslosen Lärm. Anders als in Fragen der Handels- und Außenpolitik, wo man seine Aussagen ernster nehmen muss, kann er Entscheidungen der Fed nicht beeinflussen. Selbst der von ihm ernannte Powell wird sich nicht reinreden lasssen.“
Wie unabhängig ist die Federal Reserve wirklich?
Meines Erachtens nach sehr unabhängig. Sie hat eine Berichtspflicht gegenüber dem Kongress – dem kommt sie nach. Sie muss auf zwei Dinge achten: Arbeitsmarkt und Preisstabilität. Dadurch hat sie einen Ermessensspielraum, der etwas größer ist als der anderer Zentralbanken. Natürlich wird das Personal der Fed politisch bestimmt. Aber wir erleben gerade, dass der von Trump eingesetzte Jerome Powell an der Spitze der Fed nicht nach Trumps Pfeife tanzt. Wer immer die Entscheidungsträger in der Fed ernennt, er kann sich nicht darauf verlassen, dass sie anschließend auch auf ihn hören. Sobald die Notenbanker im Amt sind, sind sie wirklich unabhängig.
Das Zeitalter unabhängiger Notenbanken neigt sich also noch nicht dem Ende zu?
Nein, vorbei sind aber die Zeiten, in denen Notenbanken sich ausschließlich auf den Inflationsausblick konzentriert und dabei andere Aspekte kaum beachtet haben. Notenbanken müssen auch auf Wechselkurse, Kreditwachstum und Finanzstabilität achten.