Eine Twitternachricht, 24 Stunden hektische Diplomatie und ein Schritt für die Geschichtsbücher der Weltpolitik: Donald Trump hat am Sonntag als erster US-Präsident im Amt nordkoreanischen Boden betreten. Im innerkoreanischen Grenzort Panmunjom überschritt er die Grenze von Süd- zu Nordkorea, ging rund 20 Schritte auf nordkoreanischem Boden und schüttelte Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un voller Symbolkraft die Hand. Kurz darauf schritt Kim an der Seite Trumps über die Grenzlinie ins südliche Nachbarland, mit dem Nordkorea trotz des Waffenstillstands von 1953 aus völkerrechtlicher Sicht immer noch im Kriegszustand ist.
US-Medien sprachen von einer „Romanze“ der beiden ungleichen Politiker, die - nach dem Austausch zweier „Liebesbriefe“ in den vergangenen Monaten – nun einen neuen Höhepunkt erreicht habe. Beide Politiker betonten ihr gutes persönliches Verhältnis, das Kim in einer seiner seltenen öffentlichen Äußerungen außerhalb des eigenen Landes als „exzellent“ beschrieb.
Trump verkaufte die Aktion als Spontantreffen, erst am Samstag sei er auf die Idee gekommen. „Hey, wir sind hier, lass uns treffen“, habe er sich auf dem G20-Gipfel im japanischen Osaka gedacht, knapp zwei Flugstunden von Südkoreas Hauptstadt Seoul entfernt. Dann habe er via Twitter eine entsprechende Einladung an Kim ausgesprochen. „Es kann ein sehr wichtiger Schritt sein, und auch nicht“, sagte Trump schon vor dem historischen Treffen.
Möglicherweise könnte das Kurz-Treffen zu einem dritten Gipfel der beiden Politiker führen - nach den Zusammenkünften in Singapur im Jahr 2018 und in Hanoi im Februar dieses Jahres. Unter Umständen findet eine Neuauflage sogar im Weißen Haus in Washington statt - das wäre ein neuerlicher symbolhafter Meilenstein in den bisher quasi nicht vorhandenen Beziehungen beider Länder. Trump, Südkoreas Präsident Moon Jae In und wohl auch Kim wollen den festgefahrenen Gesprächen zur Atomabrüstung Nordkoreas wieder mehr Schwung geben. Persönliche Begegnungen soll das Eis brechen.
Tatsächlich ist die US-Diplomatie in Sachen Nordkorea schon seit Wochen hochaktiv. Gleich mehrmals in wenigen Wochen traf sich Trump mit Japans Ministerpräsident Shinzo Abe, um über Nordkorea zu reden. Auch auf Arbeitsebene drehten sich die Räder: Der Sondergesandte des US-Außenministeriums, Steven Biegun, führte unzählige Gespräche in Asien, zuletzt in Korea selbst. Der Flug in die entmilitarisierte Zone, die die Koreanische Halbinsel in Nord- und Südkorea aufteilt, sei schon „lange geplant“ gewesen, gab Trump am Sonntag selbst zu.
Fragen kamen auf über den Wert der Begegnung, die nur wenige Minuten dauerte. Vor allem dürfte Trump die weltpolitisch spektakulären Bilder im Kopf gehabt haben, als er sich zu dem ungewöhnlichen Schritt, den noch kein US-Präsident vor ihm gewagt hatte, entschied. Doch bringt es den Prozess der Atomabrüstung in Nordkorea tatsächlich weiter? Dazu bräuchte es konkrete Maßnahmen Pjöngjangs, etwa beim Abbau von Atomanlagen. Absehbar ist das derzeit nicht. „Wenn anschließend nichts passiert, dann war es bloß Theater“, sagte der frühere US-Sonderbeauftragte für Nordkorea, Joseph Yun, bei CNN.
Trump wiederholt sein Mantra, das er in allen internationalen Krisen herunterspult: „Ich habe keine Eile.“ Es müsse nicht schnell gehen mit dem Fortschritt in Nordkorea. „Wer hastet, der bringt sich in Schwierigkeiten“, betonte er. Dasselbe sagt er zur Bewältigung der Krise im Iran oder zu einer Lösung des Handelskonflikts mit China. Auch den Nordkorea-Konflikt will er mit Hilfe der Wirtschaftskraft der USA lösen: Er verspricht blühende Landschaften in dem teils bitterarmen Land. Es gebe viele Grundstücke direkt an der Küste, die hervorragend zu vermarkten seien, argumentiert der frühere Immobilienmogul Trump.
In Nordkorea sei viel passiert, sagt Trump in einem der ernsteren Momente an diesem Sonntag. Wenn er nicht vor zweieinhalb Jahren US-Präsident geworden wäre, hätte es mit hoher Wahrscheinlichkeit Krieg gegeben, äußert er. In jedem Fall dürfte gelten: Ohne die von Trump - vor allem über Südkoreas Präsident Moon – begonnene Entspannungspolitik wäre die Lage auch nicht besser. Und die Gefahr eines noch massiveren Konflikts wohl größer. Kim sprach von einer „Gelegenheit“, die ohne das exzellente Verhältnis der beiden ungleichen Männer nicht möglich gewesen wäre.