Donald Trump hat seine erste Rede zur Lage der Nation genutzt, um Bilanz zu ziehen. Und die fällt, wenig überraschend, positiv aus. „Wir haben im vergangenen Jahr tolle Fortschritte gemacht und großartige Erfolge erzielt“, gab der US-Präsident früh die Richtung seiner Rede vor. Rekorde an den Aktienmärkten, eine boomende Wirtschaft, sowie eine Öl- und Gasindustrie, die das Land vom Energieimporteur zum -exporteur gemacht hat: „Das ist unser Moment. Es gab nie eine bessere Zeit, den Amerikanischen Traum zu leben“, erklärte Trump unter dem Jubel seiner Parteifreunde.
All die Probleme und Skandale, die die Präsidentschaft in den vergangenen zwölf Monaten überschattet haben – die Russland-Ermittlungen, die Personalrochaden im Weißen Haus, der Terror von Charlottesville und die anschließende Verharmlosung rechter gewalttätiger Demonstranten –, erwähnte Trump am Dienstagabend im Kapitol von Washington mit keiner Silbe. Stattdessen Aufbruch und Erfolgsmeldungen.
Trump feierte vor den Mitgliedern beider Kongress-Kammern, also vor Senat und Abgeordnetenhaus, die „massiven Kürzungen“ durch die Steuerreform, die „eine wahnsinnige Erleichterung“ für US-Mittelschicht und US-Kleinunternehmer seien. Das sehen unabhängige Institute längst anders.
Sie haben analysiert, dass die Entlastungen gering ausfallen, dass in den kommenden Jahren Haushalte mit mittleren Einkommen gar draufzahlen werden. Unstrittig ist nur, dass die Großkonzerne profitieren. Immerhin: Die versprechen Investitionen und schaffen Jobs, wie Trump freudig mitteilte. Dass die Arbeitslosenquote historisch niedrige Werte anpeilt, rechnet Trump folglich sich selbst zu – obwohl in den 14 Monaten vor seiner Wahl zum US-Präsidenten mehr Jobs geschaffen wurden, als in den 14 Monaten danach.
Doch mit solchen Details hält sich Trump nicht lange auf. Schließlich geht es um das große Ganze. „Make America Great Again“, der Prozess, so gibt Trump zu verstehen, läuft. Jetzt müssen nur noch seine Kritiker mitziehen. Bisher biss sich der US-Präsident am Kongress oft die Zähne aus. Seine eigene Partei konnte sich nicht auf die Abschaffung der ungeliebten Krankenversicherung Obamacare einigen, zuletzt blockierten die Demokraten eine Einigung beim Haushalt und bei der Einwanderungsreform.
Doch Trump kartet dieses Mal nicht nach; statt auf Krawall setzt er bei seiner Rede auf Kooperation. „Ich reiche den Mitgliedern beider Parteien, Demokraten wie Republikanern, die Hand, um zusammenarbeiten“. Nur so könnte allen Amerikanern, ganz gleich welcher Herkunft, geholfen werden. Die USA bräuchten eine sichere, schnelle und zuverlässige Infrastruktur, bessere Ausbildungsstätten und eine Einwanderungsreform, betonte der Präsident. Dafür müsse man gemeinsam arbeiten.