Schwellenländer-Börsen Hier ist für Anleger noch etwas zu holen

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Brasilien und Argentinien

Brasilien: Polit- und Wirtschaftskrise 

In zwei Monaten stehen wieder Präsidentenwahlen an. Die Hoffnung, dass Brasilien sich endlich aus Korruption und politischer Instabilität befreien kann, ist allerdings begrenzt. Dabei wäre das enorm wichtig, zählen die Faktoren doch zu den Gründen der schweren Wirtschaftskrise. Euro-Anleger, die in den brasilianischen Leitindex etwa über Indexfonds investiert haben, haben seit Jahresanfang 19 Prozent verloren. Über fünf Jahre liegen sie acht Prozent im Plus, mussten dafür aber heftige Schwankungen erdulden. Im Vergleich zu Anfang 2016 hat sich ihr Investment immerhin verdoppelt. Damals kamen mit Antritt des neuen Präsidenten Michel Temer Hoffnungen auf, dass wirtschaftsfreundliche Reformen das Land aus seiner Notlage befreien könnten. Ein paar dieser Hoffnungen hat Temer erfüllt. Die Aufarbeitung der früheren politischen Skandale, der Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Politik, steht indes weiter aus.

Noch vor einigen Jahren hatte es so ausgehen, als ob Brasilien eine Erfolgsstory schreiben könnte. Dank eines Sozialprogramms entkamen gut 40 Millionen Brasilianer der extremen Armut. Es entstand eine große Mittelschicht, die das Land in dieser Form früher kaum gekannt hatte. Sie konnten nun konsumieren – und die Wirtschaft beleben.

Der bedeutendste börsennotierte Konzern ist mit 67 Milliarden Euro Börsenwert Ambev, ein weltweit operierender Getränkekonzern. Es schien, als ob Brasilien nicht mehr länger allein auf den Verkauf von Rohstoffen, sei es Öl, Eisenerz oder Agrarrohstoffe, angewiesen sein müsste. Doch diese Entwicklung stoppte: Die Inflation stieg zwischenzeitlich stark, die Arbeitslosigkeit hat schon seit 2016 Quoten von über zehn Prozent erreicht.

Erst wenn Brasilien mit Korruption und Misswirtschaft wirklich aufräumt, werden wohl auch internationale Anleger wieder im großen Stil zurückkehren. Aktuell sind die brasilianischen Unternehmen im Schnitt mit dem 11,5-fachen Jahresgewinn bewertet. Angesichts der Chancen, aber eben auch Risiken, ist das noch zu viel.  

Argentinien: Hoffen auf die Wende 

Um stolze 811 Prozent ist der Aktien-Leitindex Merval in den vergangenen fünf Jahren gestiegen, in Peso gerechnet. In Euro reichte der Wertzuwachs immerhin noch für eine Verdopplung. Doch diese Erfolge verblassen gerade – vorsichtig formuliert. Zum Jahresanfang beträgt das Kursminus in Peso 16 und in Euro 44 Prozent. Ähnlich wie in der Türkei notieren argentinische Aktien zwar nur zum sechsfachen Gewinn, doch dafür gibt es gute Gründe. Die Notlage ist groß, jüngst hat der Internationale Währungsfonds (IWF) Argentinien einen 50-Milliarden-Dollar-Kredit bewilligt, um den Verfall des Pesos zu stoppen. Zu Beginn sind 15 Milliarden Dollar davon ausgezahlt worden.

Präsident Mauricio Macri muss vor allem gegen ein massives Haushaltsdefizit kämpfen. Er hatte 2015 Cristina Elisabet Fernández de Kirchner an der Regierungsspitze abgelöst, die in eine Korruptionsaffäre verwickelt ist und ihm ein Land in einer schweren Rezession hinterließ. Vor allem hohe Inflationsraten von fast 30 Prozent belasten.

Die größten börsennotierten Unternehmen sind der Telekommunikationsanbieter Telecom Argentina (7 Milliarden Euro Börsenwert) und der Erdöl- und Gaskonzern YPF (5,3 Milliarden). Auch die Kurse dieser beiden Unternehmen haben sich – in Euro gerechnet – seit Jahresanfang etwa halbiert.

Sollte es der Regierung dank der internationalen Unterstützung nun gelingen, die Inflation zu senken und dann auch das Haushaltsdefizit zu bekämpfen, hat Argentinien durchaus Chancen. Doch noch steht die Stabilisierung aus. Die Zuspitzung durch die weltweite Schwellenländer-Krise kommt für Argentinien zur Unzeit.

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