Die Unterwanderung Deutschlands durch Erdogans Türkei macht Fortschritte, nicht nur in Nordrhein-Westfalen. Dort kommt es allerdings, wenige Wochen vor den Landtagswahlen im Mai, besonders dicke.
In Oberhausen warb der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim kürzlich vor tausenden fahnenschwingenden Enthusiasten um die Stimmen der in Deutschland lebenden Türken. Es geht es um die Abstimmung über eine Verfassungsänderung, die dem Staatspräsidenten mehr Macht und dem Parlament Machtverlust einbringen soll und nebenbei auch mit der Wiedereinführung der Todesstrafe aufwartet. Man darf das wohl mit dem grünen Bundestagsabgeordneten Öczan Mutlu die Abschaffung der parlamentarischen Demokratie nennen.
Auch Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan selbst kündigt rechtzeitig vor dem Wahltermin am 16. April seinen Besuch an. In Deutschland gibt es schließlich rund 1,5 Millionen wahlberechtigte Türken (mit oder ohne Doppelpass), und von denen darf man annehmen, dass sie mehrheitlich für Erdogan, seine Partei und sein autoritäres Regime stehen, während die AKP sich in der Türkei selbst ihrer Mehrheit durchaus nicht sicher sein kann.
Das ist die Gülen-Bewegung
Der heute 75-jährige Prediger Fethullah Gülen hat sich ursprünglich als einflussreicher islamischer Prediger einen Namen gemacht. Bis in die Achtzigerjahre hinein wirkte er als Iman in verschiedenen türkischen Städten. Mit seinen Predigten und Büchern über den Islam, über Bildungs- und Wissenschaftsfragen soziale Gerechtigkeit und interreligiösen Dialog begeisterte Gülen viele Gläubige. Seit 1999 lebt der gesundheitlich angeschlagene Prediger im US-Staat Pennsylvania. Er war nach einer Anklage wegen staatsgefährdender Umtriebe emigriert.
Gülen steht hinter der Bewegung Hizmet („Dienst“). Hizmet sieht einen ihrer Schwerpunkte in der Verbesserung von Bildungschancen.
Für die meisten innenpolitischen Krisen macht Präsident Recep Tayyip Erdogan seit längerem die mächtige Bewegung Gülens mitverantwortlich. Erdogan wirft seinem einstigen Verbündeten vor, einen Staat im Staate errichten zu wollen und seinen Sturz zu betreiben. Die Regierung geht massiv gegen mutmaßliche Gülen-Anhänger vor, die sie vor allem bei der Polizei und in der Justiz vermutet. Die Gülen-Bewegung wurde zur Terrrororganisation erklärt, viele ihrer führende Köpfe stehen auf einer Liste der meistgesuchten Terroristen der Türkei.
Ein solches Gärtlein gilt es also zu pflegen. Nach dem Großreinemachen in der Türkei, dem Staatsstreich nach dem „Putschversuch“, geht es nun auch in Almanya ans Putzen. In den türkischen Generalkonsulaten Nordrhein-Westfalens sollen Gespräche mit Imamen, Lehrern und Eltern anberaumt worden sein, in denen sie bzw. die Schüler aufgefordert wurden, den Unterricht, Lehrer und Mitschüler auf Kritik an Erdogan oder auf „Gülen-Anhänger“ hin zu beobachten. Wen erstaunt das noch? Die Bundesanwaltschaft ermittelt bereits wegen Spionageaktivitäten im bundesweiten Dachverband der türkischen Moscheegemeinden (Ditib), der von Erdogan kontrolliert wird. Auch das verwundert niemanden mehr.
Erdogan schert sich nicht darum, dass all dies Übergriffe sind, Einmischung in die inneren Angelegenheit eines anderen Staates. Längst ist eingetreten, wovor seit Jahr und Tag vergeblich gewarnt wird: innertürkischer Streit wird auf deutschem Boden ausgetragen.
Was verwundert, ist die Bereitschaft der deutschen Politik, das alles zuzulassen. Das seien ja nur private Besuche, der von Yildirim und der angekündigte von Erdogan, heißt es. Natürlich wünsche man den türkischen Wahlkampf auf deutschem Boden nicht, heißt es aus der Landesregierung. Verbieten? Das könne höchstens die Berliner Regierung veranlassen. Und wer wisse schon, was schlussendlich die Gerichte sagen.