Es ist der Brexit-Effekt, noch mal richtig verstärkt. Wie vor dem Austrittsbeschluss der Briten wurde die Welt wieder kalt erwischt. Niemand hat geglaubt, dass Trump es schafft, die Umfragen waren eindeutig für Hillary Clinton, die Medien, die Experten, die Finanzmärkte, denen wir immer noch respektvoll zutrauen, über eine Art höhere Weisheit zu verfügen. Und liefen alle in die Falle. Der Dax dürfte heute nur knapp über 10.000 Punkten eröffnen, Gold legt drei bis vier Prozent zu, die Börsen in Japan und China, die beide unter von Trump angekündigten Handelsbeschränkungen leiden könnten, verlieren massiv. Deutlich zweistellig verlieren die Aktien des Silicon Valley.
Donald Trump hat es geschafft, ist durch die Swing-Staaten gestürmt wie ein Hurrikan. Wenn er seine eigenen Parteifreunde, die im Senat und im Repräsentantenhaus die Mehrheit haben, auf Linie bringt – was nicht einfach wird - kann er durchregieren. Das ist die Lage.
Gesiegt haben die männlichen, weißen Wähler in den Kleinstädten, ja, aber nicht nur. Clintons Fehler war es, Trumps Sympathisanten generell als tumbes Pack zu desavouieren – so etwas weckt Gegenreaktionen, auch bei konservativen Akademikern, die sich ernsthaft Sorgen um ihr Land und die Welt machen. Grund dafür gibt es genug, nach acht Jahren Obama, der begleitet von so viel Hoffnung gestartet war: Spaltung der US-Gesellschaft, fragile Wirtschaftslage, atemberaubende Verschuldung, blutige globale Konflikte.
Gezeigt haben sie es den internationalen Eliten in ihrer Meinungsblase, den Berufspolitikern, Beratern, den ganzen Thinktank-Mitarbeitern, und, ja, auch den meisten Journalisten, die alle bis zum Ende der Nacht noch immer wieder betonten, es sei noch nichts entschieden. Jetzt beginnt vermutlich die nächste Phase der Beschwichtigung: Trump wird eingehegt, wird nicht alles tun, was er angekündigt hat. Für Extremforderungen wie die Ausweisung von vielen Millionen Migranten mag das gelten – für viele andere Punkte aber sicher nicht: Aufkündigung von Freihandelsabkommen, Rückzug in der Klimapolitik, Importbeschränkungen, Neubesetzung der Fed-Spitze, Abwertung des Dollar, mehr Gegenleistungen für die Nato, Abschottung der Grenzen.
Marine Le Pen hat Trump bereits gratuliert, Frauke Petry dürfte folgen. Europas etablierte Politiker sollten den zweiten Schuss jetzt endgültig gehört haben. Nächstes Jahr wird gewählt, in Frankreich und dann in Deutschland. Eine dritte Überraschung a la Brexit sollte der Westen sich nicht leisten. Aber nicht nur Europas Politik ist gefragt: Eigentlich ist jetzt der späteste Zeitpunkt, die Kritik an dieser verflochtenen Globalisierungselite aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft aufzunehmen und anzuerkennen, dass es in den vergangenen Jahren viele Verlierer gegeben hat. Die Weltwirtschaft, wie wir sie kennen, dürfte am Ende sein.