World Economic Forum Der US-Präsident bleibt Davos fern – aus guten Gründen

2017 war Joe Biden noch als Vize-Präsident in Davos. Als US-Präsident setzt er 2022 andere Prioritäten. Quelle: imago images

Das World Economic Forum hat begonnen. Joe Biden und Kamala Harris fehlen in Davos. Ein Zeichen für den Abschied der USA von Europa?

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Gregory Meeks ist ein beeindruckender Politiker. Aufgewachsen in einem sozialen Wohnprojekt in Harlem arbeitete er sich nach oben. 1998 gelang ihm der Sprung ins Repräsentantenhaus, wo er ebenfalls die Karriereleiter erklomm und schließlich zum ersten Schwarzen Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses aufstieg. Das macht den 68jährigen zu einem einflussreichen Powerbroker in Washington. Beim seit gestern in Davos stattfindenden World Economic Forum (WEF) führt er zudem die US-Delegation an.

Mit Meeks haben die Organisatoren des Elitetreffens in den Schweizer Alpen damit einen ausgewiesenen Fachmann aus Washington geschickt bekommen. Ein bisschen enttäuscht dürften sie allerdings dennoch sein. Schließlich bringt Meeks nicht den Glanz mit, an den man sich in den letzten Vor-Pandemiejahren fast schon gewöhnt hatte. Damals war Ex-Präsident Donald Trump regelmäßiger Gast ist Davos, besuchte das Treffen 2018 und 2020. Ein weiterer Trip, der für 2019 geplant war, musste nur wegen eines Regierungsstillstands ausfallen.

Sein Nachfolger Joe Biden hingegen hat weniger Interesse am WEF durchblicken lassen. Bereits im vergangenen Herbst war durchgesickert, dass das Staatsoberhaupt in diesem Jahr nicht teilnehmen würde. Daran hat auch die Verschiebung des ursprünglich für den Januar geplanten Treffens nichts geändert. Biden reist derzeit durch Asien, besucht unter anderem die Staatsoberhäupter von Südkorea und Japan. Graubünden steht hingegen nicht auf der Reiseroute. Kaiser statt Käse.

Es ist eine Episode, die symbolisch für die Neuordnung der außenpolitischen Prioritäten der USA stehen könnte. Während sich die europäischen Entscheider in der Schweiz treffen, reist der Anführer der freien Welt nach Asien. Ein Beispiel für den lange angekündigten Pivot to Asia – die Fokussierung der amerikanischen Interessenpolitik auf den pazifischen Raum. Doch ganz so einfach ist es nicht. Schließlich führten bislang sämtliche Auslandsreisen des US-Präsidenten nach Europa – auch wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine, der Europa erneut ins Zentrum der amerikanischen Aufmerksamkeit gerückt hat. Zuletzt nahm Biden im März an einem außerordentlich Nato-Gipfel in Brüssel teil und besuchte Polen.

Trotzdem spielt der Umgang mit China in den Washingtoner Überlegungen gleichwohl noch eine große Rolle. Die Visite bei den Verbündeten in Fernost war damit mehr als überfällig, zumal am Dienstag in Tokio auch ein Treffen des Quads ansteht, des Sicherheitsdialogs der USA mit Japan, Australien und Indien. Egal wer sonst noch in die Schweizer Alpen reist: Dieses Treffen musste für Biden Vorrang haben.

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Hinzu kommt, dass ein Besuch in Davos für US-Staatsoberhäupter kein Pflichttermin ist. Dass das WEF durch die Anwesenheit eines amtierenden Präsidenten aufgewertet wird, war in der jüngeren Vergangenheit die Ausnahme. Abgesehen von Trump war lediglich Bill Clinton während seiner Präsidentschaft in die Schweizer Alpen gereist – im Jahr 2000 anlässlich des 30. Jubiläums des Treffens. George H.W. Bush, George W. Bush und Barack Obama hatten auf die Reisen stets verzichtet. Ronald Reagan ließ sich zumindest per Video zuschalten.

Dafür waren immer wieder Vize-Präsidenten als Vertretung geschickt worden – zuletzt Joe Biden in den letzten Tagen der Obama-Administration. In einer Rede warnte er damals vor einer zunehmend instabilen Welt, den Gefahren durch Staatenlenker wie Russlands Wladimir Putin und den Risiken durch eine immer größer werdende wirtschaftliche Ungleichheit. Biden nutzte Davos als Bühne für seinen vermeintlichen Abschied in den politischen Ruhestand. Dass er vier Jahre später selbst ins Weiße Haus einziehen würde, war damals nicht absehbar.

Von so viel Aufmerksamkeit kann Kamala Harris nur träumen. Denn auch Bidens Stellvertreterin wird Davos in diesem Jahr ausfallen lassen. Traditionell hält die Nummer zwei in der Heimat die Stellung, wenn der Präsident auf Reisen ist. Damit blockiert Bidens Asien-Trip auch einen Besuch seiner Vize-Präsidentin beim WEF.

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Zu abgemeldet sollten sich die europäischen Verbündeten gleichwohl nicht fühlen. Schließlich steht Bidens vermutlich nächste Auslandsreise bereits fest. Im Juni wird er zum G7-Treffen erneut über den Atlantik reisen – in die bayerischen Alpen nach Krün. Der Pivot to Asia wird also noch ein wenig auf sich warten lassen.

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