US-Präsident auf Europa-Besuch Wo Bidens transatlantische Liebesbeweise enden

Joe Biden reist in dieser Woche zu den Verbündeten der USA nach Europa, um Zuneigung und Bündnistreue zu demonstrieren. Quelle: AP

Der russische Angriffskrieg lässt USA und Europa enger zusammenrücken. Doch kann Bidens Besuch mehr bringen als Symbolpolitik?

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Joe Biden wollte sich nicht in die Karten schauen lassen, als er am Mittwochvormittag Washington Richtung Europa verließ. Er werde den europäischen Partnern direkt sagen, was er von ihnen erwarte, so der US-Präsident vor dem Abflug mit dem Helikopter „Marine One“ vom Südrasen des Weißen Hauses. Die wartenden Journalisten müssten sich gedulden.

Ein Geheimnis ist es gleichwohl nicht, was Biden in Europa erreichen will. Es gehe dem Präsidenten darum, „die unglaubliche Einigkeit, die wir mit unseren Alliierten aufgebaut haben, zu stärken“, so der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan. Auch werde man über die nächsten Schritte beraten.

Natürlich hätten Biden das auch per Videoschalte gekonnt. Seine Reise nach Brüssel und Warschau ist deshalb vor allem symbolisch. Er positioniert sich als klarer Anführer der westlichen Allianz und will durch seinen Abstecher nach Polen auch die Nato-Mitglieder in Mittel- und Osteuropa versichern, dass die Vereinigten Staaten ihren Bündnisverpflichtungen nachkommen werden. Er werde jeden Zoll des Vertragsterritoriums verteidigen, hatte Biden in den vergangenen Wochen mehrfach betont. Die Reise zu seinem Amtskollegen Andrzej Duda soll diese Botschaft nun unterstreichen.

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Für Biden hängt viel an dem Besuch. Schließlich war eine der zentralen Botschaften, mit denen er die Präsidentschaft erobern konnte, dass seine jahrzehntelange Erfahrung in der Außenpolitik es ihm ermöglichen würde, die unter seinem Vorgänger Donald Trump stark belasteten Beziehungen zu den Verbündeten in Europa wieder zu reparieren. Trump hatte die Nato als „veraltet“ bezeichnet und offen Russlands Präsident Wladimir Putin hofiert. Trumps ehemaliger Nationaler Sicherheitsberater John Bolton hatte kürzlich enthüllt, dass Trump das Verteidigungsbündnis in einer zweiten Amtszeit verlassen hätte.

Biden wiederum ist ein überzeugter Transatlantiker, geprägt durch den Kalten Krieg. Zwar will auch er die amerikanische Außenpolitik stärker gen Asien ausrichten, doch nicht auf Kosten von Europa. Auch deshalb hatte seine Administration bereits Monate vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine vor einem Krieg gewarnt und versucht, den Kreml von seinem Angriffskrieg abzubringen. Diese – durchaus riskante – Strategie ermöglichte es ihm, die Verbündeten zusammenzuhalten und eng abgestimmte Sanktionen zu verhängen, die Russlands Wirtschaft heftig erschüttern. Den russischen Überfall konnte die Allianz so gleichwohl nicht verhindern.

Dass der US-Präsident nun persönlich an einem Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs teilnimmt und sich mit seinen G7-Kollegen abstimmt, ist ein Signal, dass die Verbündeten weitere Schritte gegen Russland vereinbaren wollen. Sicherheitsberater Sullivan kündigte bereits an, dass das Weiße Haus „in den kommenden Tagen mehr zum Thema Sanktionen“ bekanntgeben würde, jedoch erst, nachdem Biden mit den Verbündeten gesprochen habe.



Wie genau die neuen Strafmaßnahmen aussehen könnten, ist derzeit noch unklar. Doch Bidens Besuch in Europa ist unabhängig davon ein Signal. Er soll zeigen, dass die USA weiter eng mit Europa verflochten sind – und dies auch in Zukunft sein werden. Der russische Angriffskrieg hat die Partner auf beiden Seiten des Atlantiks daran erinnert, was sie aneinander haben. Kein Wunder also, dass bereits die Rufe lauter werden, man solle sich doch noch näher aneinanderbinden.

Als ein solches Signal wurde zuletzt beispielsweise die Ankündigung aus Berlin verstanden, 35 neue F35-Kampfflugzeuge des amerikanischen Rüstungskonzerns Lockheed Martin zu kaufen. Zwar heißt es, der Krieg in der Ukraine sei für die Entscheidung nicht ausschlagend gewesen, doch in Washington ist man gleichwohl sehr erfreut über die Bestellung – und das nicht nur wegen des Geldes. „Die F35 bietet ein einzigartiges Kooperationspotenzial mit unseren Nato-Verbündeten und weiteren Partnern in Europa“, so Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. Soll heißen: Deutschland bleibt auch weiterhin unter dem Atom-Schutzschild der Amerikaner. Die Nukleare Teilhabe der Bundesrepublik ist gesichert. Gleichzeitig war der Entscheidung auch eine Absage an Frankreich, das gemeinsam mit Deutschland einen eigenen Kampfjet entwickeln wollte. Dies hätte jedoch womöglich Strukturen außerhalb der Nato geschaffen.

Das Einkaufen in den USA ist jedoch noch nicht beendet. Derzeit befindet sich die Bundesregierung in den letzten Zügen der Entscheidungsfindung über die Anschaffung eines neuen schweren Transporthelikopters. Dem Vernehmen nach stehen noch zwei Modelle zur Auswahl, beide aus amerikanischer Produktion. In den kommenden Wochen wird mit einem Ergebnis gerechnet.

Die wesentlichen Sanktionen gegen Russland

Weitere transatlantische Liebesbeweise in naher Zukunft sind nicht ausgeschlossen. Eine Neuauflage des gescheiterten Freihandelsabkommens TTIP, wie sie jüngst von Bundesfinanzminister Christian Lindner ins Gespräch gebracht wurde, wird derzeit in Washington allerdings nicht ernsthaft diskutiert. Derzeit überschattet der Krieg solche Überlegungen – und in Handelsfragen hat sich die Biden-Administration seit ihrer Amtseinführung ohnehin vor allem durch Zurückhaltung ausgezeichnet. Die Zuneigung des Präsidenten für Europa ist zwar echt, doch seine Wiederwahl wird er für Zugeständnisse an den alten Kontinent nicht riskieren.

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