Heute wäre der Tag gewesen, an dem sich Angela Merkel nach schlimmen Geschehnissen zum innenpolitischen Hardliner hätte wandeln können. „Hätte“ und „können“ sagen es bereits – die Bundeskanzlerin hat sich dagegen entschieden. Merkel hat sich für den richtigen Weg entschieden.
Ein Blick auf die Fakten: In Würzburg und Ansbach gab es zwei Anschläge mit islamistischem Hintergrund, bei denen glücklicherweise niemand starb. In Reutlingen erlebten wir offenbar eine Beziehungstat eines Flüchtlings, der seine Freundin tötete. Und in München lief ein mutmaßlich rechtsextremer Jugendlicher Amok – ein Fall, der mit der Flüchtlingsfrage in keinem Zusammenhang steht.
Die Fälle sind grundverschieden, es gibt kein Muster. Merkel will der Hysterie, durch die die Fälle vermengt werden, nicht nachlaufen. Sie will nicht den obersten Sheriff des Landes geben. Angesichts der Sachlage ist das vernünftig.
Klar – Merkel hat einen Neun-Punkte-Plan präsentiert, mit dem sie für mehr Sicherheit sorgen will. Mehr Personal für die Polizei, mehr Prävention, Forschung und ein Frühwarnsystem für möglicherweise radikalisierte Flüchtlinge? Alles richtig, aber diese Maßnahmen brauchen Zeit, kurzfristig werden sie kaum wirken.
Einzig: Die Bundeswehr soll Einsätze für terroristische Großlagen gemeinsam mit der Polizei üben. Der Juli 2016 könnte rückblickend jener Zeitpunkt gewesen sein, an dem die Sicherheitspolitik in der Bundesrepublik neu ausgerichtet wurde.
Merkel beließ es bei ihrer jährlichen Sommerpressekonferenz aber nicht bei einer Stellungnahme zu den jüngsten Attacken und Angriffen. Merkel verteidigte offensiv ihre optimistische Ansage, die sie vor einem Jahr ausgesprochen hatte. „Ich bin heute wie damals davon überzeugt, dass wir es schaffen“, sagte Merkel. „Wir haben im Übrigen in den letzten elf Monaten sehr, sehr viel bereits geschafft.“
Definitionen und Zusammenhänge
In Asien nannte man sie „amucos“ - Krieger, die den Feind ohne Angst vor dem Tod angreifen und vernichten. Heute beschreibt der Begriff in der Regel blindwütige Aggressionen – mit und ohne Todesopfer. Die meisten Amokläufer sind männlich und eigentlich unauffällig, in vielen Fällen ledig oder geschieden. Neben psychisch kranken Tätern gibt es auch Amokläufer, die aus banalen Gründen plötzlich ausrasten. Angst, Demütigung oder Eifersucht haben sich oft lange aufgestaut, bevor es zur Katastrophe kommt. Teils werden Taten auch im Kopf durchgespielt. „Amok“ kommt aus dem Malaiischen und bedeutet „wütend“ oder „rasend“.
Attentate sind politisch oder ideologisch motivierte Anschläge auf das Leben eines Menschen, meistens auf im öffentlichen Leben stehende Persönlichkeiten. Der Ausdruck „Attentäter“ wiederum wird auch für Menschen verwendet, die einen Anschlag auf mehrere Menschen begehen. Terroristische Attentäter zielen etwa auf Angehörige eines ihnen verhassten Systems oder einer Religion ab. Mit Anschlägen auf öffentlichen Plätzen, in Verkehrsmitteln oder auf Feste versuchen sie, in der Bevölkerung Angst und Schrecken zu verbreiten. Der Begriff „Attentat“ leitet sich vom lateinischen attentare (versuchen) im Sinne eines versuchten Verbrechens ab.
Terrorismus ist politisch motivierte, systematisch geplante Gewalt, die sich gegen den gesellschaftlichen Status quo richtet und auf politische, religiöse oder ideologische Veränderung ausgerichtet ist. Dass Terroristen töten und zerstören, ist Mittel zum Zweck. Sie wollen vor allem Verunsicherung in die Gesellschaft tragen. Terrorakte richten sich oft gegen die Zivilbevölkerung oder symbolträchtige Ziele.
Terror geht auf das lateinische Wort „terrere“ zurück, was „erschrecken“ oder „einschüchtern“ bedeutet. Terror und Terrorismus werden oft gleichbedeutend verwendet. Im Unterschied zum Terrorismus bezeichnet der Begriff „Terror“ aber eher das Machtinstrumentarium eines Staates. Der „Terror von oben“ steht für eine Schreckensherrschaft, die willkürlich und systematisch Gewalt ausübt, um Bürger und oppositionelle Gruppen einzuschüchtern. Auch in die Umgangssprache hat der Begriff Eingang gefunden - etwa für extreme Belästigung, zum Beispiel Telefonterror.
Ihre Worte von damals hätte sie nicht wiederholen müssen. Merkel hätte sagen können, dass wir uns Terroristen nicht beugen oder dass wir die Krise überwinden werden. Doch das war ihr zu wenig. Ihr erneutes „Wir schaffen das“ ist eine Botschaft an den bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer, an die AfD, an die Linken-Fraktionschefin Sarah Wagenknecht und all jene im Land, die ihren Weg für falsch halten. Nach dem Motto: Ich ziehe mein Ding durch, egal was kommt. Punkt, Aus, Ende.
Und anders als bei der Frage, wie die Zahl der Flüchtlinge reduziert werden kann, kann Merkel hier kein doppeltes Spiel spielen. Rhetorisch ist die Kanzlerin stets bei ihrer liberalen Flüchtlingspolitik geblieben. Doch mit den Monaten hat sie immer stärker dafür gesorgt, dass sich Europa mit Hilfe des Türkei-Abkommens abschotten kann. Flüchtlinge, die illegal nach Griechenland einreisen, werden seit März zurückgebracht.
Eine solche Doppelstrategie ist in der Terrorbekämpfung nicht möglich. Ihr erneutes „Wir schaffen das“ ist eine Absage an einen Generalverdacht gegen Flüchtlinge, eine Absage gegen die anlasslose Überwachung von Flüchtlingen.
Hier gibt es kein ‚Sowohl-als-auch‘, hier gibt es nur ein ‚Entweder-oder‘. Das schließt jedoch nicht aus, gegen islamistische Täter, die als Flüchtlinge ins Land kamen – und denen Merkel zu recht vorwirft, Deutschland zu „verhöhnen“ – mit aller Härte vorzugehen.
Ihre Kritiker werfen Merkel dennoch vor, die Sicherheit der Bürger nicht ernst zu nehmen, nicht im Interesse des Landes zu handeln. Sollten weitere Anschläge folgen, wird es ungemütlich für Merkel. Sollte sich die Sicherheitslage aber wieder beruhigen, wird die Kanzlerin in einer brenzligen Lage besonnen reagiert haben.
Ja, Merkel ist eine sture Kanzlerin, die bei ihrer Haltung bleibt. Stures Handeln bedeutet aber nicht notwendigerweise törichtes Handeln.