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Gegenwind für den Stoiker Olaf Scholz Quelle: imago images

Diesmal macht Olaf Scholz alles richtig

Beat Balzli
Beat Balzli Ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Zur Kolumnen-Übersicht: Balzli direkt

Ein Gasembargo ist moralisch geboten, aber die Regierung muss es ablehnen. Arbeitslosigkeit in Deutschland rettet keine Menschenleben – sie stärkt Putin.

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Plötzlich entrüstet sich die ganze Republik über ihn. Über den wortkargen, unauffälligen Stoiker an der Spitze des Staates. Olaf Scholz wird gegeißelt für seine Phrasen, für seine mangelnde Bereitschaft, in diesen Kriegszeiten Führung zu übernehmen, für seine scheinbar inexistente Empathie, für seine Arroganz gegenüber andersdenkenden Ökonomen. Olaf Scholz wird dafür verurteilt, Olaf Scholz zu sein.

Der Aufschrei wirkt reichlich komisch. Offenbar war im vergangenen Herbst keiner dabei, als der SPDler zum Kanzler gewählt wurde. Dabei lagen seine Schwächen offen zutage. Das Wesen von Olaf Scholz galt immer schon als garantiert visionsfreie Zone, das höchstens Buchhalter in Wallung versetzt. Seine Aussagen blieben oft im Ungefähren, klare Ansagen gab es selten. What you see is what you get. Das aktuelle Kabinett scholzt entsprechend herum, der Gesundheitsminister ist nur ein Beispiel dafür.

Doch in einem Punkt zeigt der Kanzler zusammen mit seinem Vizekanzler Robert Habeck beeindruckend klare Kante, obwohl der öffentliche Druck spätestens seit Bekanntwerden der Gräuelfotos aus dem ukrainischen Butscha immens ist. Die beiden lehnen ein Gasembargo gegen Russland strikt ab – weil sie nicht anders können. Sie müssen den Preis für den energiepolitischen Irrweg der Vorgängerregierung zahlen. Prompt werden sie beschuldigt, dass ihnen Arbeitsplätze wichtiger seien als Menschenleben.

Die emotionalen Reaktionen sind angesichts der unerträglichen Brutalität von Putins Schergen mehr als verständlich. Trotzdem greift das Aufrechnen von Jobs gegen Tote zu kurz. Die Bundesregierung trägt nicht nur eine Verantwortung für die Mitverteidigung von Europas Freiheit und damit auch der Ukraine, sondern ebenso für das Wohlergehen der eigenen Bevölkerung. Sie kann sich dieser Pflicht nicht einfach entziehen. Noch würde ein sofortiges Gasembargo Deutschland in eine tiefe Rezession stürzen, bei zweistelligen Inflationsraten. Allein schon der Ausfall der Chemieproduktion von BASF hätte in der Industrie einen verheerenden Dominoeffekt.

Die Politik muss die Wirtschaft und damit den sozialen Frieden sichern. Arbeitslosigkeit rettet keine Menschenleben, sondern destabilisiert die eigene Gesellschaft – ganz im Sinne Putins. Ihn schwächt ein Embargo kaum. Panzer kann er mit frischen Rubeln bauen, und in Asien warten längst neue Kunden auf sein Gas. Den Ukrainern helfen nur Waffenlieferungen, so riskant und ohnmächtig das klingen mag.

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