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Vier Prozent Bauzins radikalisieren die Deutschen

Beat Balzli
Beat Balzli Ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Zur Kolumnen-Übersicht: Balzli direkt

Die Mieten steigen, die Nebenkosten explodieren, und der Traum vom eigenen Haus ist geplatzt. Wohnen wird bald zum größten Problem der Ampel.

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Das Machtwort des Kanzlers kommt tatsächlich per Post. Statt im Gespräch wird der Atomstreit zwischen Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner nun mit einem Zweizeiler beendet. Nach einer gefühlten Ewigkeit erinnert sich Kommunikationsprofi Olaf Scholz an die Richtlinienkompetenz seines Amtes und verhält sich wie ein Klassenlehrer, der die Schlägerei auf dem Pausenhof per Brieftaube schlichtet.

So einfach kann Politik offenbar sein. Manche fühlen sich bereits an Brioni-Kanzler und Putin-Söldner Gerhard Schröder erinnert. Scholz kann Basta, feiern sie das vermeintliche Anzeichen für Führung.

Was die Basta-Fans gerade vergessen: Die größten Herausforderungen für die Ampel lassen sich leider selten vom Tisch wischen, indem der Chef auf selbigen haut. Alle wissen, dass der Kanzler nicht das Energieproblem löst, sondern nur den Koalitionsfrieden rettet. Ein harter Winter bringt die Frage nach einer Laufzeitverlängerung der AKW wieder aufs Tapet und die FDP vielleicht doch noch als Siegerin aufs Podest. Aber das ist eine andere Geschichte. Die nächste Eskalation gilt bereits als programmiert. So zeichnet sich in Deutschland neben der Energiekrise immer deutlicher eine Wohnkrise ab. Der Plan der Regierung, jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen zu schaffen, gilt trotz aller konzertierten Aktionen als illusorisch. Die Baukosten sind schlicht zu hoch. Derweil steigen die Mieten weiter, die Nebenkosten explodieren, und der Traum von den eigenen vier Wänden fällt spätestens seit dieser Woche als Exitstrategie auch flach. Die Immobilienzinsen klettern auf vier Prozent, was Wohneigentum ohne Erbschaft oder viel Eigenkapital unerschwinglich macht.

Den Deutschen droht das Schicksal eines einig Volk von frustrierten Mietern. Und das dürfte der Politik gehörig einheizen. Ein paar Tausend Euro Wohneigentumsförderung helfen da nicht mehr. Sehr bald wird es wieder um die ganz große Frage gehen, ob es für Wohnen noch so etwas wie einen Marktpreis geben darf.

Trotz des gescheiterten Großversuchs in Berlin mit dem Mietendeckel dürften sich SPD und Grüne mit Vorschlägen zu Markteingriffen überbieten. Und die FDP warnt dann vor einer preistreibenden Verknappung des Angebots.

Dieses Argument wollte allerdings schon im Atomstreit kaum einer hören. Ökonomische Laien treiben in dieser Koalition weiter ihr Unwesen. Hierzu ist ein Basta des Kanzlers längst überfällig.

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