BAMF Causa Bremen offenbart vor allem strukturelle Mängel

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Quelle: dpa

Der Fall um die suspendierte Bremer BAMF-Referatsleiterin bleibt weiter unklar. Ein Schlaglicht wirft die Affäre vor allem auf die systematischen Probleme in der Behörde, die der Zahlendruck mit sich bringt.

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Im Fall der suspendierten Referatsleiterin der Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bleiben nach der jüngsten Sitzung des Innenausschusses mehr offene Fragen als Antworten – und die meisten dieser Fragen betreffen nicht den konkreten Fall, sondern die strukturellen Mängel innerhalb der Behörde.

Zwei Stunden standen Jutta Cordt, die Präsidentin des BAMF, und Stephan Meyer, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, den Mitgliedern des Ausschusses am Mittwoch Rede und Antwort, ohne substanziell neue Informationen zum Fall der suspendierten Bremer Referatsleiterin zu liefern.

Diese ist seit 1993 in der Behörde tätig. In der Außenstelle, die sie leitete, sollen mindestens 1200 Fälle von Asyl positiv beschieden worden sein, ohne das dafür eine rechtliche Grundlage vorlag. Es soll sich zum Großteil um Kurden jesidischen Glaubens gehandelt haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Bestechlichkeit und „bandenmäßiger Verleitung zu missbräuchlichen Antragsstellungen.“

Die suspendierte Bremer Referatsleiterin, gegen die die Staatsanwaltschaft ermittelt, ist seit Oktober 2016 von ihrer Tätigkeit als Referatsleiterin entbunden. Der Verdacht gegen sie kursierte schon vor Oktober 2016.
von Niklas Dummer

Teilnehmerkreisen zufolge soll es in dem möglichen Betrugsfall weitere Beteiligte innerhalb des BAMF gegeben haben. Insgesamt habe die Staatsanwaltschaft elf Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vernommen, einige davon als Zeugen.

Der Parlamentarische Staatssekretär Meyer betonte laut Teilnehmerkreisen mehrfach, dass es sich um kriminelles Gebaren gehandelt habe. Weitere Details nannte er aber nicht und wiederholte, was bisher bekannt ist: In den monierten Fällen sollen bei den Asylsuchenden Identitätsprüfungen nicht vorgenommen worden sein, Dokumente seien nicht überprüft worden und die Außenstelle Bremen habe Fälle aus anderen Bundesländern, darunter Niedersachsen, an sich gerissen. 

Das hatte eine Untersuchung der Innenrevision ergeben, die sich bundesweit 4500 Asylfälle angeschaut hatte, nachdem der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius am 21. September an den damaligen BAMF-Leiter Frank-Jürgen Weise schrieb. Nach einem in letzter Sekunde gestoppten Abschiebeflug, an dessen Verhinderung die Außenstelle Bremen beteiligt war, schrieb Pistorius: Die Verfahrensweise sei „nicht im Ansatz nachvollziehbar und wirft grundsätzliche Fragen der Zusammenarbeit mit den kommunalen Ausländerbehörden auf, die dringend geklärt werden müssen“. Die große Frage lautete: Warum greift die Bremer BAMF-Außenstelle in Fälle aus Niedersachen ein? 

Im Innenausschuss wurde deutlich: Es gibt innerhalb des BAMF keine verbindlichen Regelungen dazu, wann Fälle an andere Außenstellen abgegeben werden dürfen. BAMF-Präsidentin Cordt kündigte an, das zu ändern. Eine Grünen-Abgeordnete aus Niedersachen verwies darauf, dass es ab 2016 Gang und Gäbe war, dass Außenstellen mit weniger Auslastung überlasteten Außenstellen Fälle abnahmen.

Mehr als 600.000 Asylverfahren hat das BAMF 2017 entschieden. Interne Dokumente und Mails zeigen, dass das Bundesamt über Monate darauf gedrillt war, diese Zahl zu produzieren – auf Kosten der Qualität der Entscheide.
von Niklas Dummer

Gegen die Referatsleiterin sollte es bereits zuvor mindestens ein Disziplinarverfahren gegeben haben. Ein anonymer Hinweis, der Anfang 2016 beim Innenministerium (BMI) einging, habe zunächst dazu geführt, das 26 Fälle, an denen die Referatsleiterin beteiligt war, geprüft worden sind. Von denen, so berichten Teilnehmer der Sitzung, seien vier nicht rechtens gewesen, also rund 15 Prozent.
Eine Quote, die in Anbetracht des Chaos, das beim BAMF seit spätestens Herbst 2015 herrscht, nicht weiter erstaunlich ist. Wirft man einen Blick in den internen Revisionsbericht, der im Mai 2017 nach dem Fall Franco A. erstellt worden ist und der einen Zeitraum von Januar 2016 bis April 2017 abdeckt, stößt man auf viel frappierendere Zahlen: 18 Prozent aller untersuchten Asylentscheide bei Syrern galten damals als „nicht plausibel“, bei afghanischen Flüchtlingen waren es sogar 46 Prozent.

Aufgrund dieser vier Fälle sei die Referatsleiterin bereits im Mai 2016 versetzt worden. Allerdings sei sie wenig später auf Betreiben der Mitarbeiter in der Außenstelle Bremen wieder dorthin zurückgekehrt. Im Oktober 2017 hat das BAMF Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet.

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