Bericht Bundeswehr-Waffensysteme weisen erhebliche Mängel auf

Hubschrauber am Boden, Panzer in der Werkstatt: Das Verteidigungsministerium listet schonungslos auf, wie groß die Materialmängel wirklich sind.

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Berlin Panzer, Kampfflugzeuge, U-Boote - die wichtigsten Waffensysteme der Bundeswehr sind häufig nur zu einem geringen Teil einsatzbereit. Das geht aus einem Bericht des Verteidigungsministeriums hervor, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt und der am Mittwoch dem Verteidigungsausschuss des Bundestages vorgelegt werden soll. Demnach waren etwa 2017 durchschnittlich nur 13 von 58 NH90-Transporthubschraubern einsetzbereit. Der Bundeswehrverband zeigt sich schockiert angesichts der neuen Mängelstatistik. Die Opposition wirft Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) Versäumnisse vor.

Der jährliche Bericht zur materiellen Einsatzbereitschaft der Waffensysteme aus dem Ministerium erreicht die Abgeordneten diesmal mit deutlicher Verzögerung. Das Ministerium hatte die Verspätung mit der Hängepartie bei der Regierungsbildung und dem Warten auf die Konstituierung eines Verteidigungsausschusses begründet.

Von 128 Eurofightern waren dem Bericht zufolge vergangenes Jahr im Schnitt nur 39 einsatzbereit, von 52 Tiger-Hubschraubern nur 12. Von den 244 Kampfpanzern vom Typ Leopard 2 waren im Schnitt 105 einsatzbereit. Bei einem Bestand von 15 A400M-Transportflugzeugen seien durchschnittlich nur drei einsatzbereit gewesen. Die Marine liefert dasselbe Bild: Von 13 Fregatten waren im Schnitt fünf einsatzbereit, bei den U-Booten der Klasse 212A war es im vergangenen Jahr im Schnitt eines von sechs. Derzeit liegen aber alle U-Boote der Bundeswehr auf dem Trockenen. Zuerst hatte das Redaktionsnetzwerk Deutschland über die Statistik berichtet.

Das Ministerium begründet die geringe Einsatzbereitschaft mit einer wachsenden Inanspruchnahme der Waffensysteme für Ausbildungszwecke und durch Übungen, etwa im Rahmen von Nato-Verpflichtungen. Die Einsatzbereitschaft habe sich aus Sicht des Verteidigungsministeriums in weiten Teilen verstetigt. Ende 2017 war die Einsatzbereitschaft aller 53 Hauptwaffensysteme demnach in etwa auf dem Stand von Dezember 2016.

Die schlechte Ausrüstung der Truppe ist seit Tagen Thema. Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) hatte erst vergangene Woche bei der Vorstellung seines Jahresberichts beklagt, dass die Materiallage bei der Bundeswehr trotz der erheblichen Reformanstrengungen teils noch schlechter geworden ist. Die Einsatzbereitschaft der Waffensysteme sei „dramatisch niedrig“, die eingeleiteten Reformen müssten deutlich mehr Fahrt aufnehmen, forderte der SPD-Politiker bei der Vorlage seines Jahresberichts.

Ministerin von der Leyen startet mit unangenehmen Nachrichten in ihre zweite Amtszeit. Als einzige CDU-Politikerin darf sie ihr Ministerium behalten, sollte es nach der Abstimmung der SPD-Mitglieder zu einer Neuauflage der großen Koalition kommen. Von der Leyen hatte - nach jahrzehntelangem Schrumpfkurs - Anfang 2016 Trendwenden für die Bundeswehr angekündigt, unter anderem sollte die Ausrüstung der Truppe mit einem 130 Milliarden Euro schweren Investitionsprogramm auf Vordermann gebracht werden. Die nächste Legislaturperiode dürfte deshalb zur Bewährungsprobe werden.

Von der Leyen wirbt um Nachsicht und begründet die mangelhafte Einsatzbereitschaft weiter mit Versäumnissen in der Vergangenheit. „Wir können nicht in wenigen Jahren alles aufholen, was zuvor 25 Jahre lang abgebaut und gespart worden ist“, sagte die CDU-Ministerin der „Passauer Neuen Presse“. Die Modernisierung sei „ein langsamer und mühsamer Weg“. Die Bundeswehr werde deutlich mehr Mittel brauchen, um ihre Aufgaben zu bewältigen. Das sehe der Koalitionsvertrag von Union und SPD auch vor.

Die Parteien wollen eine Milliarde zusätzlich in die Truppe in den kommenden Jahren investieren. Zudem sollen zusätzlich frei werdende Finanzmittel prioritär in die Truppe gesteckt werden. Dem Bundeswehrverband und dem Wehrbeauftragten ist das zu wenig.

Der Bundeswehrverband zeigt sich angesichts der mangelnden Einsatzbereitschaft der Waffensysteme schockiert. „Das einzig Positive an dem Bericht ist die schockierende Transparenz und brutale Deutlichkeit“, sagte Verbandschef André Wüstner der dpa. Die Soldaten seien „trotz bestmöglich organisierter Mangelverwaltung“ in weiten Teilen an ihre Grenzen gelangt. Die Verteidigungsministerin müsse nun darlegen, wie sie die Einsatzbereitschaft konkret verbessern wolle. „Der Verweis auf einen langen und mühsamen Weg ist verständlich, darf aber Medien und Parlament nicht einlullen.“

Die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, nannte die Mängel einen Offenbarungseid für von der Leyen. „Die Mängel müssten ihr seit langem bekannt sein.“ Auch der neue Koalitionsvertrag sehe für die Modernisierung der Bundeswehr nicht genügend Mittel vor. Die FDP fordert eine Reform des Beschaffungswesens.

Der Linken-Verteidigungspolitiker Alexander Neu sagte der dpa, wenn ein jährlicher Verteidigungsetat von gut 40 Milliarden Euro nicht ausreiche, habe von der Leyen entweder bei Planung und Kalkulation völlig versagt oder man brauche schlichtweg einen Vorwand für die „stetige Erhöhung des Militäretats“. „Auf diese PR-Kampagne der Verteidigungsministerin fallen wir nicht herein.“

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