Berlin intern

Politiker füllen zwitschernd das Sommerloch

Cordula Tutt Quelle: Barbara Dietl
Cordula Tutt Autorin Wirtschaft & Politik (Berlin)

Wie schaffen es Politiker über den Sommer? Sie beackern den Wahlkreis und schaufeln ihren Senf ins Sommerloch. Wir dürfen sogar beim Tanzen zuschauen – alles auf Twitter.

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Darüber sind sich Michael Grosse-Brömer und Peter Altmaier einig:

Peter Tauber hat mir die hessische Provinz nahegebracht. Nun kenne ich den Ort Linsengericht, weiß, dass es nicht nur in Berlin einen Boulevard „Unter den Linden“ gibt. Manchmal zieht es den CDU-Generalsekretär und Fleischwurstfan in die „Weltschnitzelhauptstadt“ Jossa. So viel puppenstubenschönes Deutschland. Mal joggt Tauber durchs Sommerloch, teilt uns Tour und Tempo mit. Ist mir fast zu persönlich, ihm per Kurznachrichtendienst Twitter beim Schwitzen zuzuschauen.

Merkels Partei-General gibt auch politisch seinen Senf dazu und alle aus Unions-Sicht erfreulichen Umfragen – ergänzt mit dem Schlagwort #muttivation. So dreht man unfreundliche Spitznamen. Der bald 40-Jährige beherrscht Twitter, hält die Balance zwischen Menschelndem und Neuigkeit. Auch andere Bundespolitiker zwitschern auf 140 Zeichen. Manche hören wohl auf ihre Mitarbeiter: Soziale Medien sind Pflicht, um Jüngere anzusprechen.

Nur eine Minderheit der Minister der GroKo twittert das Volk jedoch direkt an. Bei der SPD sind es eher die Berliner Neulinge. Familienministerin Manuela Schwesig zeigte sich zuletzt mit DFB-Nationaltrikot (noch das alte mit drei Sternen) und Fußball unterm Urlaubsoleander. Fußball ist sympathisch. Bei Schwesig findet ziemlich viel Fußball statt. Justizminister Heiko Maas scheint im Internet Fleißkärtchen zu sammeln. Er postet Arbeitsnachweise von Treffen mit SPDlern auf der Biergarnitur, von Preisverleihungen oder dem Christopher Street Day. Wir erfahren vom Maas-vollen Triathlon-Training und sehen den Saarländer im Neopren-Anzug. Botschaft: Der ist zäh, gibt auch bei der Mietpreisbremse und gegen das Chlorhuhn nicht auf.

Wer in Berlin Politik macht

Ähnlich fleißig ist Grünen-Chefin Simone Peter, auch von der Saar. Zuletzt zeigte sie uns ihre öffentliche Samba-Stunde bei einem Sommerfest in Hohenlohe. Das ist mutig, aber nicht immer erfolgreich. Dabei ist Twitter toll für die Opposition. Schnell kann frau auf Luftnummern der Regierung reagieren und reinpieksen. Peter scheint aber das Florett nicht zu mögen. Leider kommen schwer verdauliche Verlautbarungen auf 140 Zeichen nicht so gut. Bei zu vielen Wörtern wie Schiedsklausel, Suffizienzpolitik und Souveränität steige ich aus.

Fließender Übergang zwischen Spaß und Bosheit

Und lande beim Sommerloch-Thema Nummer eins – auch bei den Kurznachrichten. Den besten Kommentar zur geplanten Pkw-Maut nur für Ausländer und mit allerlei Ausnahmen bot SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil: „Was fordert die CSU demnächst? Pkw-Maut nur noch für Hundeschlitten aus Nordkorea, deren TÜV abgelaufen ist?“ Beim Gezwitscher leider nicht dabei ist Verkehrs- und Internetminister (!) Alexander Dobrindt (CSU). Das überlässt er der Satirefigur „Alex Dobrindt“. Aus Politikersicht hat man es geschafft, wenn einen jemand als Jux-Figur bastelt.

Der Übergang zwischen Jux und Bosheit ist aber fließend, und platte Kommentare fliegen Politikern nur so zu, sobald sie klar Position beziehen. Das ist wohl ein Grund, warum der Twitter-König der GroKo, Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU), mit fortschreitender Regierungskarriere im Netz immer schweigsamer geworden ist.

Ihm folgen zwar knapp 65.000 Nutzer, aber außer Grüßen, Glückwünschen und TV-Tipps setzt er kaum noch was ab. Dafür plaudern nun andere Altmaiers Twitter-Weisheiten aus. Sein Nachfolger als Parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Michael Grosse-Brömer, gab dessen Anfängertipp ungeniert preis: Nach zwei Flaschen Rotwein zwitschern auf keinen Fall mehr twittern!

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