Bistum Eichstätt Vermögensverwalter wollen an die Kirchen-Millionen

Seite 2/2

Zum Besten der Gesellschaft

Dass die chaotischen Zustände wohl auch der Grund waren, um Florian Bohn ins Haus zu holen, erfuhr er selbst erst, als er längst zugesagt hatte. Im Februar machte das Bistum öffentlich, was passiert war, kaum vier Wochen, bevor Bohn seinen Job antreten sollte. Natürlich habe er da gezweifelt, sagt er. Und zeigt dann noch mal auf den Geldsack, um zu erklären, warum er das Angebot aus Eichstätt trotzdem annahm. Er werde, sagt der 39-Jährige, „schließlich auch älter. Älter in dem Sinne, dass man sich fragt, wofür man all das eigentlich tut im Leben.“ Mit dem Geldsack sei es schließlich so: „Ich war mein ganzes Leben lang ziemlich gut darin, das Vermögen eines Unternehmers, also eines sehr reichen Menschen, noch weiter zu vermehren. Ob das verdiente Geld für einen guten Zweck eingesetzt wurde, darauf hatte ich keinen Einfluss.“ Hier gehe es quasi um die zweite Dimension des Sacks: „Die Mittel sind da, und wir kümmern uns darum, sie zum Besten der Gesellschaft einzusetzen.“

Das allerdings behaupten und behaupteten viele. Bei der Kontrolle ihrer eigenen Arbeit hat sich die Kirche nicht nur in Eichstätt allzu lange darauf konzentriert, sich selbst des gesellschaftlichen Werts ihrer Arbeit zu versichern. Wer sich die Jahresberichte der Bistümer anschaut, muss Zahlen zwischen Hunderten Seiten mit Bildern und Kalendersprüchen suchen. Da geht es um die aufopferungsvollen Taten der Ehrenamtler, um all die Schwachen und Benachteiligten, die ohne die Arbeit der Kirchen noch schwächer und benachteiligter wären.

Kardinal Marx Quelle: imago images

Das Leitbild, sagt Carsten Frerk, „ist das einer armen Kirche, die sich das Geld für all ihre guten Taten vom eigenen Leib abspart“. Frerk, Politologe und Autor, hat sich jahrelang so ausführlich mit den Finanzen der Kirche auseinandergesetzt wie wahrscheinlich kein Zweiter im Lande – und im vergangenen Jahr damit aufgehört. Für einen Einzelkämpfer wie ihn nehme das einfach zu viel Zeit in Anspruch. Und sei letztlich frustrierend: „Echte Transparenz ist nach wie vor nicht absehbar.“

Versucht man trotzdem, aus den Geschäftsberichten herauszulesen, wie es um die Finanzen der katholischen Kirche bestellt ist, zeigt sich zum einen, dass das Alltagsgeschäft in den meisten Diözesen nach wie vor gut läuft. Nur die Bistümer Trier, Mainz, Köln und Hamburg haben zuletzt Verluste gemacht. Die anderen konnten ihre Rücklagen weiter füllen. So leistet sich beispielsweise das Bistum Augsburg derzeit eine jährliche Aufstockung der Reserven um 50 Millionen Euro. Die wichtigste Finanzquelle der Kirchen ist die Kirchensteuer. Spenden und Erbschaften spielen eine untergeordnete Rolle.

Unklarer ist die Vermögenssituation der Bistümer. Das liegt zum einen daran, dass die meisten Häuser verschweigen, was sie mittelbar über Stiftungen oder Beteiligungen besitzen. Zum anderen sind die Angaben zum Immobilienvermögen fast alle unbrauchbar, da die Objekte zum Anschaffungspreis ausgewiesen sind. Da die Besitztümer aber meist seit ewigen Zeiten bei den Diözesen liegen, sind diese Werte maßlos untertrieben. Jährliche Abschreibungen mindern den Wert weiter. So besitzt das Erzbistum München laut Bilanz 2300 komplett abgeschriebene Gebäude, die mit einem Euro bewertet sind. „Da kann man an jede getrost sechs Nullen dranhängen, um den wahren Wert der Immobilien halbwegs zu erfassen“, sagt Bilanz-Kenner Frerk.

Realistischer sind die Angaben zu Wertpapieren. Hier weisen viele Bistümer auch die Differenz zwischen Anschaffungspreis und aktuellen Werten aus. So ergeben sich beeindruckende Zahlen. Ausweislich der 22 verfügbaren Bilanzen sind die Diözesen mit 15,7 Milliarden Euro am Finanzmarkt investiert.

Wie viel man zu dieser Summe addieren muss, wenn die verbleibenden Wertanlagen aus Eichstätt noch mit in die Bilanz einfließen, dazu will Florian Bohn sich nicht äußern. Schließlich sind die Zahlen auch in der Bistumsverwaltung noch nicht bekannt. „Wir werden die Art, wie das Vermögen verwaltet wird, radikal vereinfachen“, sagt er. In Zukunft sollen in Eichstätt nur noch zwei „renommierte Unternehmen“ mit der Vermögensverwaltung betraut werden. Allein durch diese Verschlankung werde es viel unwahrscheinlicher, dass einzelne hoch riskante oder betrügerische Investments gemacht würden.

Nur wenige Geschäftsberichte offenbaren, wo das Geld des Bistums konkret angelegt ist. Die wenigen Erläuterungen erschöpfen sich überwiegend in der Schilderung der Anlagegrundsätze. Keine Waffen, kein Alkohol, keine Kondome, was auch sonst. Immerhin sechs Bistümer – Aachen, Paderborn, Köln, Mainz, Limburg und München – weisen zumindest Anlageklassen aus. Der Großteil der Gelder, zwischen 67 und 80 Prozent, liegt in festverzinslichen Wertpapieren. Daneben halten die Bistümer Aktien, zwischen 3 Prozent in Aachen und 28 Prozent in Limburg. Eine satte Portion absolute Sicherheit hat dagegen Mainz im Keller: Fünf Prozent des Vermögens sind in Gold angelegt.

Wer sich um die liquiden Mittel kümmert, verrät das Erzbistum München: Gut 1,3 Milliarden Euro liegen in Spezialfonds. Um 810 Millionen Euro kümmert sich dabei die Allianz, weitere 263 Millionen liegen bei der amerikanischen Bank BNY Mellon.

Die Veröffentlichung solcher Zahlen, sagt Finanzdirektor Bohn, sei noch der einfachere Teil seiner Arbeit. Viel komplizierter sei es, die Kleriker im Hause von der Notwendigkeit seines Jobs zu überzeugen. „Ich sage jedem hier im Haus, dass ich niemandem Geld wegnehmen möchte“, versucht es Bohn, „ich möchte nur dafür sorgen, dass die anderen hier sich darauf konzentrieren können, die Mittel der Kirche im besten Sinne zu verwenden.“

Bohns Probezeit läuft noch bis zum Herbst.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%