Bundesweite Umfrage Der Aufbruchatlas: Wo Deutschland an seine Zukunft glaubt

Aufbruchstimmung? So zufrieden sind die Deutschen mit ihrem Standort Quelle: imago images

Deutschland ist in eine tiefe Krise geraten: Wohlstandsverlustängste, Rezessionssorgen, Energieschocks, Inflation. Ganz Deutschland? Nein. Der große WirtschaftsWoche-Aufbruchatlas zeigt die Orte, in denen die Bundesrepublik neue wirtschaftliche Kraft schöpft.

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Claus Ruhe Madsen hat geschafft, was kein Rostocker Oberbürgermeister vor ihm schaffte: er wurde deutschlandweit bekannt. Der gebürtige Däne und Unternehmer machte die Hansestadt während der Pandemie zu einem Hotspot der Infektionsbekämpfung – an kaum einem anderen Ort war die Politik zupackender und die Coronainzidenz niedriger.

Sich selbst machte Madsen in dieser Zeit mit seiner pragmatischen und zuversichtlichen Art zur Marke. „Man muss bei den Leuten Neugier wecken“, sagt Madsen heute über sein Verständnis von Politik. Begeisterung vorleben. Sonst ließen sich schwerlich auch andere begeistern. 

Seit sieben Monaten stellt sich Madsen nun einer neuen Herausforderung, der Ostseeküste ist er dabei immerhin treu geblieben: im Kabinett von Ministerpräsident Daniel Günther hat er das Amt des Wirtschafts- und Verkehrsministers von Schleswig-Holstein inne. Schwärmen von der neuen Heimat und den Vorzügen des Bundeslandes mit Meer, Strand und vielen Windrädern – das kann er jedenfalls schon ganz hervorragend.

Wie geht es Deutschland wirtschaftlich? Wo schöpft das Land neue Kraft und frischen Reformmut? Der exklusive WiWo-Aufbruchatlas offenbart Orte, an denen Optimismus noch keine knappe Ressource ist.
von Max Biederbeck, Florian Kistler, Angelika Melcher, Max Haerder, Sonja Álvarez

Was Madsens alte und neue Wirkungsstätte verbindet: Rostock gehört ebenso wie weite Teile Schleswig-Holsteins zu den auffällig gut abschneidenden Regionen Deutschlands im neuen WirtschaftsWoche-Aufbruchatlas. Die Berliner Meinungsforscher von Civey haben hierfür exklusiv für die WirtschaftsWoche die wirtschaftliche Stimmung im ganzen Land genau vermessen, Stadt für Stadt, Landkreis für Landkreis, Region für Region. Sie haben nach Lage im Hier und Jetzt und der Perspektive für morgen gefragt, nach Jobs, Ansiedlungen und den Aussichten auf neuen Wohlstand. 

Herausgekommen ist der Atlas: eine detaillierte ökonomische Bestandsaufnahme des Standorts Deutschland. Er offenbart, wo die Bundesrepublik an ihre gute Zukunft glaubt.



Auffällig gleich zu Beginn: Der übliche Ost-West-Graben, der in zahlreichen deutschen Statistiken zu erkennen ist, existiert auch im Aufbruchatlas noch. Aber er wird langsam zugeschüttet. In und um Berlin gibt es eine Metropolendynamik, die bereits das Umland mitzieht. Tesla in Grünheide ist da nur das prominenteste Beispiel. Potsdam gewinnt etwa als Start-up-Heimat an Bedeutung. Auch Dresden, Potsdam oder Jena schreiben mittlerweile ihre eigenen Aufschwungsgeschichten. Oder eben Rostock.

Der Blick in die Zukunft verstärkt diesen Befund noch: die positiven Aussichten etwa in Brandenburg halten dem Vergleich mit Regionen in Nordrhein-Westfalens oder sogar manchen Landkreisen in Bayern bereits überraschend gut stand. Gleichzeitig rutschen auch Landstriche im Westen langsam ab.



Wenn es konkret um die Work-Life-Balance geht, ist die Welt im Südosten allerdings noch in bester Ordnung. Die höchsten Zufriedenheitswerte finden sich zwischen Allgäu und Franken. Auffallend pessimistisch hingegen sind insbesondere die Menschen in Sachsen-Anhalt.



Deutlich skeptischer insgesamt fällt der Blick auf die Politik aus. Jedenfalls dann, wenn man nicht in Bayern oder Norddeutschland lebt. Die Performance unserer Parlamente und Regierungen lässt offenbar zu wünschen übrig.



Civey hat in diesem Zusammenhang bundesweit konkret abgefragt, ob denn  die Renaissance der Industriepolitik ankommt. Ansiedlungen dank Subventionen, der Trend zu milliardenschweren Fördersummen - vieles davon im Namen der technologischen Souveränität und der Autonomie: das ist schließlich der wirtschaftspolitische Sound der Zeitenwende.

Und siehe da: man kann die helfende Hand des Staates förmlich aus den den Landkreisdaten herauslesen: egal, ob Tesla nahe Berlin, Intel bei Magdeburg oder Batteriefabriken in Thüringen, all diese Prestigeprojekte finden ihren Widerhall. Kraftzentren der deutschen Wirtschaft wie München oder Stuttgart schneiden allerdings ebenfalls erwartungsgemäß gut ab. Gleiches gilt für die Biontech-Heimat Mainz und auch für Standorte wie Düsseldorf.



Wie nachhaltig diese Aufschwünge sind, muss sich allerdings erst zeigen. In Schleswig-Holstein muss Claus Ruhe Madsen zum Beispiel noch darum kämpfen, dass ein Konzern wie Northvolt keinen Rückzieher macht und seine Batteriefabrik wie geplant in Heide errichtet. Nicht nur die Amerikaner locken mit frischem Geld, auch die hohen Strompreise sind ein Problem. Der Aufbruch bleibt also ziemlich harte Arbeit.

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