Chaostage in Hamburg „Der G20-Gipfel ist eine Zäsur“

Wie muss der Staat mit Linksextremismus umgehen? Nach den Krawallen in Hamburg fordern Politiker und Polizeigewerkschaft rasche Konsequenzen. Die Kritik richtet sich auch gegen Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz.

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Ein Mann entfernt am 09.07.2017 an einem Cafe im Schanzenviertel in Hamburg die Holzplatten. Auch nach Ende des G20-Gipfels ist es dort in der Nacht zu Krawallen gekommen. Foto: Benjamin Haller/DPA/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ Quelle: dpa

Hamburg Nach den schweren Krawallen beim Hamburger G20-Gipfel fordern Politiker parteiübergreifend harte Strafen für Randalierer und eine Ausweitung der Ermittlungsmöglichkeiten. Ich setze hier auf schnelle Ermittlungserfolge der Polizei und auf harte Strafen der Justiz, sagte Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) der Bild am Sonntag. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) forderte rasche Ermittlungen in ganz Europa durch ein Spezialistenteam. In Hamburg kam der Erste Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) durch Vorwürfe unter Druck, die von militanten G20-Gegnern ausgehende Gefahr verharmlost zu haben.

Man habe davor gewarnt und abgeraten, den G20-Gipfel in Hamburg durchzuführen, sagte der Bundesvorsitzende des Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Andre Schulz, dem Handelsblatt. Das Argument, dass wir uns nicht von Chaoten vorschreiben lassen dürfen, wo wir so einen Gipfel abhalten werden, ist nicht tragbar, lebensgefährlich und schlicht dumm, sagte Schulz. Scholz hätte daher Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) deutlich sagen müssen, dass das Risiko aufgrund der Rahmenbedingungen in Hamburg zu groß ist und man nicht für die Sicherheit der Stadt und für Leib und Leben der eingesetzten Sicherheitskräfte, Demoteilnehmer und Unbeteiligter garantieren kann.

Dagegen bekam Scholz Rückendeckung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Die Entscheidung, den Gipfel in Hamburg stattfinden zu lassen, sei richtig: „Ein demokratisch gefestigtes Land wie Deutschland sollte das Selbstbewusstsein haben, sich solche Konferenzen zuzutrauen“, sagte er am Sonntag bei einer Visite in Hamburg. Gewalttäter dürften nicht bestimmen, wo sich Staatsoberhäupter Deutschland treffen könnten. .

Bei dem von Freitag bis Samstag dauernden Treffen der Staats- und Regierungschefs der 20 mächtigsten Industrie- und Schwellenländer war es zu beispiellosen Krawallen gekommen, die zum Teil noch bis in die Nacht zum Sonntag anhielten. Wie de Maiziere forderte auch SPD-Generalsekretär Hubertus Heil in der Welt am Sonntag: Gegen die Mordbrenner in Hamburg muss mit der vollen Härte des Gesetzes durchgegriffen werden. Gabriel sprach sich für europaweite Ermittlungen aus: Wir brauchen jetzt eine schnelle europaweite Fahndungsgruppe nach den Straftätern, schrieb er in einem Namensbeitrag für BamS.


Gegenseitige Schuldzuweisungen

Zwischen Teilen der CDU und der SPD entbrannte ein Streit darüber, ob die Gefahr der Krawalle im Vorfeld verharmlost worden sei und ob die Gefahr aus dem linksextremen Spektrum bagatellisiert werde. BDK-Vorsitzender Schulz ist überzeugt, dass der G20-Gipfel eine Zäsur im Umgang mit dem Linksextremismus in Deutschland darstellen werde, sagte er. Extremismus sei in all seinen Erscheinungsformen, ob islamistisch-, rechts- oder eben linksmotiviert, zu ächten und zu bekämpfen. Gerade in Hamburg und Berlin ist jetzt ein Umdenken im Umgang mit dem linksextremistischen Spektrum erforderlich, so Schulz.

Während Innenminister de Maiziere die alleinige Verantwortung für die Ausschreitung bei dem bislang größten bundesdeutschen Polizeieinsatz allein bei den Chaoten sah, richtete die Hamburger CDU schwere Vorwürfe an Scholz. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Hamburger Rathaus, Andre Trepoll, forderte in der BamS: Scholz muss erklären, wie es zu dieser seiner Fehleinschätzung kam und welche Konsequenzen er daraus ziehen will. Auch die FDP in der Hansestadt forderte, der Erste Bürgermeister müsse die Konsequenzen der Ausschreitungen tragen.

SPD-Generalsekretär Heil verwahrte sich gegen die Vorwürfe: Schuldzuweisungen aus parteipolitischem Kalkül sind widerlich und beleidigen alle Polizistinnen und Polizisten. Insbesondere wandte er sich gegen CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn, der der SPD die Verharmlosung linker Gewalt vorgeworfen hatte. Von CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte Heil, ihn zur Ordnung zu rufen. Unionsfraktionschef Volker Kauder verurteilte die Kritik aus den Reihen der Grünen und der Linkspartei an dem Polizeieinsatz. Diese könne er nur schäbig nennen, sagte er dem Tagesspiegel am Sonntag. Demonstranten und Oppositions-Politiker hatten der Polizei bei manchen Einsätzen unverhältnismäßige Härte vorgeworfen.

Bundespräsident Steinmeier lobte hingegen die Polizei. Sie habe einen guten Dienst geleistet und das Recht auf Versammlungsfreiheit für friedliche Demonstranten geschützt. Hamburgs erster Bürgermeister Olaf Scholz ging noch einen Schritt weiter: Ich weise jede Kritik an der Polizei zurück“, sagte er. „Sie haben alles richtig gemacht.“ Entschädigungen für Gewaltopfer würden in „ganz kurzer Zeit“ geklärt, versprach er.

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