Coronakrise Die Ökonomie der Maske

Was bewirkt die Maskenpflicht? Quelle: imago images

Die Gesichtsmaske verändert unser Konsumverhalten und das soziale Miteinander. Sie verwirrt das Smartphone, schadet dem Einzelhandel – und ist ein lukratives Geschäftsmodell. Ein Streifzug durch die aktuelle Forschung.

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Er ist mit Diamanten besetzt, besteht aus Weißgold und kostet 1,3 Millionen Dollar. Es ist kein Ehering oder Collier, an dem die Firma Yvel derzeit im Auftrag eines reichen Chinesen schmiedet. Seit August arbeitet das israelische Schmuckunternehmen an der teuersten Corona-Maske der Welt. Der Virenschutz ist mit 3600 weißen und schwarzen Diamanten verziert und hat einen erstklassigen N99-Luftfilter eingebaut. 270 Gramm wiegt die fertige Luxusmaske – fast 100-mal so viel wie ein handelsüblicher Mundschutz. 

Auch Modegiganten wie Louis Vuitton oder Burberry verwandeln derzeit Gesichtsmasken in Luxusaccessoires. Für Oktober kündigte Louis-Vuitton ein mit dem bekannten Logo verziertes Gesichtsvisier an. 961 Dollar, also knapp 811 Euro soll das transparente Schutzteil kosten. Mit einer eigenen Maskenkollektion im charakteristischen Karomuster ist auch Burberry in das Mundschutzgeschäft eingestiegen. Für umgerechnet 135 Euro ist auch diese Designermaske eine teure Investition. 

Luxus-Accessoire statt Alltagsstörer 

Das Geschäft mit den Corona-Masken boomt. Laut einer Prognose von Global Market Insights wird der weltweite Markt für Atemschutzmasken bis 2026 auf ein Volumen von 2,36 Milliarden Euro ansteigen. Das entspricht einem Umsatzplus von über zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Für einen Markt, der bislang kaum anwuchs und größtenteils als gesättigt galt, ist das ein beträchtlicher Zugewinn. Auch die Preise für Gesichtsmasken stiegen zuletzt rasant: Zwischen Januar und Juni hat sich der Preis eines Mundschutzes in Deutschland mehr als verfünffacht, so die Zahlen des Marktforschungsinstituts Nielsen.

Für viele Kreativschaffende war das Anlass genug, um sich selbst vor die Nähmaschine zu schwingen: Allein im April gab es auf dem Online-Handwerksportal Etsy zwölf Millionen selbst gebastelte Corona-Masken zu kaufen. Rund eine Millionen davon kamen aus Deutschland und wurden in 80 verschiedenen Ländern verkauft. Insgesamt hat die Plattform mit den Schutzmasken einen weltweiten Umsatz von 346 Millionen US-Dollar generiert – das sind rund 13 Prozent des Gesamtumsatzes. 

Die Angst übernimmt die Regie

Während die Maske für Luxusdesigner, Sportlabels, Fotodruckereien und Hobbybastler mittlerweile zum Umsatztreiber lanciert ist, erstickt sie allerdings die Konsumfreude im alltäglichen Leben und lässt Einzelhändler verzweifeln. Ein Streifzug durch aktuelle Corona-Studien offenbart: Die Maskenpflicht schadet der Wirtschaft mehr als gedacht. 

„Es wird völlig unterschätzt, wie die staatlichen Vorgaben für Einkäufe und Freizeitgestaltung das Konsumklima dämpfen“, sagt Renate Köcher, Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach. „Die Pflicht einen Mundschutz zu tragen signalisiert stete Präsenz von Gefahr“, so Köcher. „Zu glauben, dass begrenzte Mehrwertsteuersenkungen und Geldzuwendungen in diesem Umfeld Konsumfreude stimulieren können, ist wirklichkeitsfremd.“ 

Zwei Dritteln der Bürger, so eine Allensbach-Studie, verdirbt die Maske den Einkaufsspaß. Sie kaufen daher zurzeit nur das Nötigste. Köcher: „Frauen, die in den meisten Familien die Haupteinkäufer sind, klagen darüber noch mehr als Männer.“

Genauso leidet die Freude an Gastronomiebesuchen. Normalerweise gehen drei Viertel der Bürger gerne in Restaurants und Cafés. Laut Allensbach-Analyse haben zurzeit jedoch nur 24 Prozent Lust, das auch unter den aktuellen Rahmenbedingungen zu tun. Köcher sagt: „Selbst die unter 30-Jährigen, die Gastronomieangebote überdurchschnittlich nutzen, entwickeln aktuell wenig Neigung, an Tresen und Tische zurückzukehren.“

Nicht nur die eigene Maske wirkt sich negativ auf die Kauflaune aus. Auch die vielen anderen vermummten Gesichter, denen man beim Streifzug durch die Läden begegnet, reduzieren die persönliche Shoppingfreude. „Jeder Kunde und jeder Angestellte, der einen Mundschutz trägt, symbolisiert einen gefährlichen Ausnahmezustand“, erklärt Hans-Georg Häusel, Diplompsychologe für Konsum- und Einkaufsverhalten. 

Die Folge: „Das Angstsystem in unserem Gehirn übernimmt die Regie und löst ein Verhalten aus, das mehr auf Sicherheit ausgelegt ist.“  Das betrifft auch den Umgang mit Geld „Wer Angst hat, der spart automatisch mehr – man weiß ja nicht, was noch kommt.“

Gewöhnung dauert lange

Zwei Drittel der Bundesbürger macht das Shoppen im stationären Einzelhandel weniger Spaß als vor Corona, so das Ergebnis einer Umfrage der Marktforschungsagentur Nordlight-Research. Zum Vergleich: Beim Online-Shopping ist dies nur bei 14 Prozent der Befragten der Fall. Die Mehrheit der Verbraucher (60 Prozent) stört dabei insbesondere das verpflichtende Tragen einer Maske. Nur 23 Prozent der Bundesbürger geben an, dass sich ihr Einkaufverhalten nach Wiederöffnung der Geschäfte bereits wieder weitgehend normalisiert hat. 

„Aktuell werden vor allem Einkaufszettel abgearbeitet“, sagt Ralf Deckers, Konsumentenforscher am IFH Köln. „Der stationäre Einkauf erfolgt meistens mit einem konkreten Ziel.  Inspiration und Stöbern findet wenig statt.“ Seit Mitte März untersucht er regelmäßig wie die Corona-Auflagen das Konsumverhalten in Deutschland verändern. 

Die IFH-Studie zeigt: 52 Prozent der Befragten geben an, dass die Maske ihre Kauflust hemmt. Ende August waren es immer noch 40 Prozent. In zehn Wochen ist die Konsumfreude damit nur für etwa jeden achten Verbraucher gestiegen.  Dadurch sinkt auch die Menge, die tatsächlich im Einkaufswagen landet: 20 Prozent der Ende August befragten Kunden würden ohne Maske mehr kaufen. Das sind nach wie vor mehr als zwei Drittel der Konsumenten, die auch schon im Mai aufgrund der Maske zurückhaltender geshoppt haben. 

„Der Mundnasenschutz ist beim Einkaufen immer noch ein Störfaktor“, sagt Ralf Deckers. „Aber wir beobachten eine langsame Gewöhnung.“ Nichtsdestotrotz: „Für das anstehende Weihnachtsgeschäft und die Adventmärkte ist die Maske natürlich ein Dämpfer.“

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