Digitale Offensive Jamaika-Sondierer schnüren erste Milliarden-Pakete

Die Beratungen von CDU, CSU, FDP und Grünen sind in der entscheidenden Phase. Geplant ist eine breite Offensive bei Bildung, Arbeit und digitaler Infrastruktur.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, M) steht zwischen dem FDP Bundesvorsitzenden Christian Lindner und Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag in einer Verhandlungspause bei den Sondierungsverhandlungen. Quelle: dpa

Die Jamaika-Sondierungen gehen in die entscheidende Phase. Die Fachexperten von CDU, CSU, FDP und Grünen legten am Freitag ihre Vorschläge etwa für die Felder Europa, Bildung, Digitales, Arbeit und Inneres vor, über die im Anschluss die Spitzen der vier Parteien berieten. Auch wenn eine Reihe von Streitpunkten bleiben, summieren sich allein die empfohlenen Projekte bei Bildung und Forschung auf Ausgaben von mehr als 16 Milliarden Euro in den kommenden vier Jahren. "Wir biegen auf die Zielgerade ein", sagte CSU-Chef Horst Seehofer. Er äußerte sich wie auch FDP-Chef Christian Lindner optimistisch, dass man Ende kommender Woche einen Abschluss der Sondierung haben werde.

Allerdings gab es zwischen CSU und Grünen erneut atmosphärische Spannungen. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer warf den Grünen "Bösartigkeit" vor, weil sie seiner Partei mangelnde Kompromissbereitschaft vorwürfen. Zwischen den Parteichefs gab es dagegen versöhnliche Signale. FDP-Chef Lindner machte bei seiner Forderung nach einer Abschaffung des Solidaritätsbeitrags und dem europäischen Rettungsmechanismus ESM weitere Zugeständnisse. Seehofer sagte: "Wir biegen auf die Zielgerade ein."

Jamaika-Sondierung biegt auf Zielgerade ein

Seehofer und auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagten, dass harte inhaltliche Differenzen in der ersten Phase der Jamaika-Sondierungen normal seien. "Wir wissen um unsere Verantwortung gegenüber der Bevölkerung. Die werden wir wahrnehmen", unterstrich der CSU-Chef. Die große Mehrheit wolle eine stabile Regierung für Deutschland. Er dementierte ebenso wie Dobrindt, dass die CSU wegen der parteiinternen Querelen um Seehofers Zukunft in den Verhandlungen geschwächt sei.

Sowohl Dobrindt als auch CDU-Vize Julia Klöckner betonten, dass es bei der Bildung einer Jamaika-Regierung nicht nur um den Koalitionsvertrag gehe. Es müsse auch sichergestellt werden, dass ein Bündnis ein gemeinsames Verständnis für die Bewältigung neuer Probleme entwickele, sagten beide Unions-Politiker. "Eine Stillstandskoalition braucht niemand", warnte Dobrindt.

Spielraum von 30 Milliarden

Bei der Digitalisierung wird in dem Sondierungspapier ein Kostenrahmen für den angestrebten Ausbau der Internet-Übertragungsgeschwindigkeit in den Gigabit-Bereich bis 2025 auf 20 Milliarden Euro genannt. Einig waren sich die Experten auch über eine verpflichtende Rentenversicherung für Selbstständige und den Ausbau der privaten Säule in der Rentenversicherung.

Die Chefs der vier Parteien müssen diesen Vorschlägen aber noch zustimmen. Möglicherweise müssen Vorhaben wieder abgespeckt oder gestrichen werden, weil es auch andere milliardenteure Wünsche wie den Abbau des Soli, eine Steuerreform oder Mehrausgaben für Europa, Verteidigung und Entwicklungshilfe gibt. Eine Jamaika-Koalition kann dem Bundesfinanzministerium zufolge in den kommenden vier Jahren aber nur mit einem zusätzlichen finanziellen Spielraum von maximal 30 Milliarden Euro rechnen.

Am Freitag tagten zunächst die Parteien intern, am Mittag traten dann die erweiterten Spitzen der vier Delegationen zusammen. Am Nachmittag sollte dann die große Runde der Vertreter von CDU, CSU, FDP und Grüne zusammentreten, bevor dann wieder im kleinen Kreis über weitere Zwischenstände gesprochen werden soll. Ein Abschluss der Sondierungsgespräche ist für kommenden Donnerstag geplant.

Bei Arbeit, Pflege und Gesundheit hatten sich die Jamaika-Unterhändler auf eine Ausdehnung der Riester-Rente auch für Selbstständige geeinigt. Die Unterhändler von Union, Grünen und FDP wollen laut einem Arbeitsgruppenpapier mit Stand Donnerstagabend gerade für Gründer neben der Riester-Option noch eine Pflicht-Rente. Mehr tun wollen die Sondierer auch gegen Altersarmut von Geringverdienern: "Uns eint der Wille, dass jemand, der länger gearbeitet hat, im Alter mehr haben soll als die Grundsicherung." Geplant sei zudem eine Verbesserung der Erwerbsminderungsrente.

In der Alten- und Krankenpflege ist ein Sofortprogramm geplant. In dem Reuters vorliegenden Papier der Facharbeitsgruppe mit Stand von Donnerstagabend heißt es: "Es werden Sofortmaßnahmen für eine bessere Personalausstattung in der Altenpflege und im Krankenhausbereich ergriffen und dafür zusätzliche Stellen zielgerichtet gefördert."

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