Ein Jahr nach dem Wohngipfel Seit dem Wohngipfel hat sich vieles geändert – aber oft aus anderen Gründen

Das Thema Wohnen treibt die Menschen um. Viele demonstrieren auch nach dem Wohngipfel gegen den „Mietenwahnsinn“. Was hat sich seitdem verändert? Quelle: dpa

Hohe Mieten, endlose Suche nach einer neuen Bleibe. Bei Demonstrationen gegen den „Mietenwahnsinn“ gehen Zehntausende auf die Straße. Mit dem Wohngipfel wollte die Politik reagieren. Was ist seitdem geschehen?

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Eine „große Kraftanstrengung“ in Sachen Wohnungsbau hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) versprochen. Ein knappes Jahr nach dem Wohngipfel im Kanzleramt hat sich zwar manches getan für Mieter und Hausbesitzer - aber die Grundprobleme bleiben: Die Mieten sind gerade in beliebten Städten heftig angestiegen, günstige Sozialwohnungen fehlen.

An einem weiteren Schräubchen dreht die Bundesregierung an diesem Mittwoch. Das Kabinett will eine Regelung beschließen, die sich sowohl auf Mieterhöhungen, als auch auf die Miete in neuen Verträgen auswirkt. Das Justizministerium rechnet damit, dass Mieter dadurch schon im ersten Jahr 117 Millionen Euro sparen. Es geht um die Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete.

Bisher werden dafür die Mieten vergleichbarer Wohnungen der letzten vier Jahre genutzt, künftig sollen Mieten aus sechs Jahren einfließen. Damit sinkt die Vergleichsmiete tendenziell, denn die Mieten waren vor sechs Jahren noch deutlich niedriger als heute. Je niedriger die Vergleichsmiete ist, desto niedriger dürfen auch Mieterhöhungen und neue Mieten ausfallen.

Was sich sonst noch geändert hat für...

Mieter: Wer in beliebten Wohngegenden mit besonders hohen Mieten wohnt, profitiert seit diesem Jahr von einer verschärften Mietpreisbremse - was allerdings nicht Teil der beim Wohngipfel vereinbarten Vorhaben ist. Vermieter müssen demnach künftig offenlegen, was der Vormieter gezahlt hat, damit neue Mieter einfacher erkennen können, ob sie zu viel zahlen. Denn bei neuen Verträgen dürfen die Mieten in der Regel nur noch zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen, wie sie im Mietspiegel festgelegt ist. Das Justizministerium plant weitere Verschärfungen.

Für Mieter mit geringem Einkommen: Zwischen 2018 und 2021 sollen mehr als 100.000 zusätzliche Sozialwohnungen entstehen - also Wohnungen, bei denen die Miete staatlich reguliert und damit geringer ist. Zumindest 2018 sank das Angebot für Mieter mit knappen Einkünften: Zum Jahresende gab es bundesweit fast 1,18 Millionen Sozialwohnungen. Das waren beinahe 42.500 Sozialwohnungen weniger als noch ein Jahr zuvor, ein Minus von 3,5 Prozent.

Einkommensschwache Haushalte, die mit Geld knapp über Hartz-IV-Niveau auskommen müssen, erhalten ab dem kommenden Jahr mehr Wohngeld. Der Zuschuss von Bund und Ländern steigt zum 1. Januar für einen Zwei-Personen-Haushalt von 145 Euro auf 190 Euro im Monat.

Für Hausbesitzer und Vermieter: Wer ein älteres Haus besitzt, kann auf mehr Fördergeld vom Staat hoffen, wenn er für den Klimaschutz in neue Fenster, umweltfreundliche Heizungen oder eine bessere Dämmung investiert. Die große Koalition aus CDU, CSU und SPD will das steuerlich fördern - Details dürften aber erst beim Klimakabinett an diesem Freitag beschlossen werden.

Des einen Freud, des andern Leid: Seit Jahresbeginn dürfen Hausbesitzer nach Modernisierungen nur noch maximal acht Prozent der Renovierungskosten im Jahr statt bisher elf Prozent auf die Miete umlegen. Pro Quadratmeter sind dann Erhöhungen bis zu drei Euro erlaubt. Wo die Miete weniger als sieben Euro pro Quadratmeter beträgt, dürfen Vermieter nur zwei Euro pro Quadratmeter aufschlagen.

Für Kaufinteressenten und Bauherren: Familien mit Kindern greift der Staat beim Erwerb von Wohnung oder Haus derzeit mit dem Baukindergeld unter die Arme. Rund 135.000 Familien haben die Förderung bislang beantragt, die allermeisten mit Erfolg. Rund 2,8 Milliarden Euro wurden binnen eines Jahres an Zuschüssen gewährt. Pro Kind gibt es 12.000 Euro, ausgezahlt in zehn Jahresraten zu je 1200 Euro. Letztmalig beantragt werden kann das Baukindergeld, wenn am 31. Dezember 2020 eine Baugenehmigung erteilt oder ein Kaufvertrag unterschrieben wird.

Wer ein Haus oder eine Wohnung kauft, soll künftig auch bei den Maklergebühren besser wegkommen - Käufer und Verkäufer sollen sich die Ausgaben teilen. Experten erwarten, dass die Courtagen dadurch auch insgesamt sinken, weil Verkäufer bessere Preise aushandeln oder auf Makler verzichten.

Was noch offen ist: Bis zum Ende der Amtsperiode (regulär im Herbst 2021) sollen 1,5 Millionen neue Wohnungen entstehen. Das wären 375.000 Wohnungen pro Jahr. Dabei sieht es allerdings schlecht aus: So wurden im vergangenen Jahr nur 287.000 Wohnungen neu gebaut. Für das laufende Jahr rechnete der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie jüngst mit 300.000 Wohnungen.

Auch Regelungen, die die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentum begrenzen sollen, stehen noch aus. Bis Jahresende wird ein Entwurf dazu erwartet. Ebenfalls offen ist die Überarbeitung des Baugesetzbuchs. Dabei geht es um Erleichterungen bei Planung und Genehmigung von Wohnungsbau.

Viele offene Fragen stellen sich für Immobilienbesitzer - und indirekt auch Mieter - ebenfalls bei der Grundsteuer. Bis Jahresende muss die Berechnung neu geregelt sein, so will es das Bundesverfassungsgericht. Denn bisher stützen sich die Finanzämter auf veraltete Daten. Wahrscheinlich werden am Ende einige Immobilienbesitzer mehr zahlen müssen als jetzt und einige weniger. Worauf sich Hausbesitzer und Mieter genau einstellen müssen, ist aber noch lange nicht klar - denn es wird zwar eine bundesweite Regelung geben, die Länder sollen davon aber abweichen dürfen. Und für diese Entscheidung haben sie noch ein paar Jahre Zeit, erst 2025 soll die neue Grundsteuer fällig werden. Umstritten ist, ob nur die Größe des Grundstücks oder auch sein Wert in die Berechnung einbezogen wird. Letztlich entscheiden allerdings weiterhin die Kommunen über die Höhe der Grundsteuer, da sie die Hebesätze festlegen.

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