Energie FDP greift Grüne wegen EU-Strommarktreform an

Soll der Preis für Strom aus Windkraft von den Gaspreisen entkoppelt werden? Und bedeutet das, dass das so genannte Merit-Order-Prinzip abgeschafft wird? Quelle: imago images

Die FPD im Bundestag sperrt sich gegen Pläne für eine Reform des EU-Strommarkts, die Robert Habeck „interessant“ findet. Der Vorwurf: Hier entstehe Planwirtschaft.

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Die FDP im Bundestag will verhindern, dass so genannte Differenzverträge (Contracts for Difference) bei der Reform des EU-Strommarktes eine zentrale Rolle spielen. „CfDs gefährden den Wettbewerb im EU-Binnenmarkt, sie sind nur staatliche Planwirtschaft unter anderem Namen“, sagte Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion der WirtschaftsWoche. „Im Hinblick auf die hohen Energiepreise benötigen wir mehr Marktwirtschaft. Dass die EU, die etwa beim Beihilferecht streng über den Wettbewerb im Binnenmarkt wacht, nun über CfDs nachdenkt, ist eine bedrohliche Kehrtwende.“ Sollte die EU Differenzverträge ermöglichen, warnt Kruse, „würden die Schockwellen den Binnenmarkt hart treffen.“

Wie hältst du’s mit der Merit Order?

Mit der Ablehnung der Differenzverträge positioniert sich die FDP kritisch gegenüber einem Reformvorschlag aus Spanien, der unter anderem Differenzverträge vorsieht, gegenüber angeblichen Präferenzen der EU-Kommission, aber auch gegenüber dem grünen Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck, der den spanischen Vorstoß als „sehr interessant“ bezeichnet hatte.

Konkret geht es darum, dass die EU-Kommission Mitte März ihre Pläne für ein neues Strommarkt-Design vorstellen will, im Januar hat die Brüsseler Behörde dafür einen Konsultationsprozess gestartet. Dabei geht es um die Frage, ob und wie das bisher angewandte Merit-Order-Prinzip abgelöst werden soll, weil es vor allem im vergangenen Jahr zu harten Preissprüngen für Verbraucher geführt hat.

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Das Merit-Order-System besagt, dass diejenige Stromquelle zuerst genutzt wird, die am günstigsten produziert – Maßstab sind die jeweiligen Grenzkosten. Den Strompreis für alle aber setzt die Stromquelle, die zuletzt genutzt wird, um die Nachfrage abzudecken. Das bedeutet: Strom aus erneuerbaren Energien, also aus Wind- oder Sonnenkraft, wird zuerst genutzt, weil die operativen Kosten fast null sind, dann folgt die Atomkraft, dann Kohle, dann Gas. Durch diesen Zusammenhang hat das im vergangenen Jahr extrem teure Gas den Strompreis gesetzt, zu erheblichen Belastungen geführt – und zu hohen Gewinnen bei den Erzeugern erneuerbarer Energien. Warum, lautet seither das Argument, sollten wir an dem System festhalten, wenn es Strom für Verbraucher und Industrie viel günstiger geben könnte?

Ein Vorschlag aus Spanien

Die spanische Regierung hat im Januar einen ersten Vorschlag in Form eines so genannten „Non-Papers“ vorgelegt. Er sieht vor, dass nicht der Spotmarkt den Preis bestimmen soll, sondern langfristige Verträge – und dass für unterschiedliche Erzeugungsarten unterschiedliche Preise gelten sollen. Dazu soll es für Erzeugungsarten, die unabhängig von Wind und Wetter Strom erzeugen können, einen so genannten Kapazitätsmarkt geben. Bei einem Kapazitätsmarkt wird nicht die verbrauchte, sondern die bereitgestellte Energiemenge bepreist. So soll die Versorgungssicherheit gewährleistet werden. Der spanische Vorschlag sieht aber auch die Nutzung von Differenzverträgen vor, die EU-Kommission hat sich dem Instrument gegenüber offen gezeigt. Bei den Differenzverträgen gleicht der Staat die Differenz zwischen einem am Markt erzielbaren Preis und einem vertraglich vereinbarten Preis aus. So sollen langfristig Preisstabilität und Investitionsanreize geschaffen werden. Wird über dem in dem CfD festgelegten Preis verdient, geht der Überschuss an den Staat.

„Es entstehen Fehlanreize“

Michael Kruse hält das Instrument für ungeeignet. Die Differenzverträge entkoppelten den Energiepreis langfristig vom Marktpreis, argumentiert er. „Dadurch entstehen im Ausbau Fehlanreize.“ Marktsignale könnten so nicht wirken, denn bei hoher Produktion müsste Strom günstiger sein als in Zeiten, in denen das Angebot geringer sei. Auch würden Differenzverträge das Ziel, digitale Messgeräte, so genannte „Smart Meter“, in Deutschland flächendeckend einzuführen, „ad absurdum“ führen, weil es hier um eine Flexibilisierung von Stromtarifen gehe. CfDs, argumentiert Kruse, würden von den Grünen „vor allem propagiert, um Gewinne abzuschöpfen, die man vor allem bei der Offshore-Windkraft erwartet.“

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Laut Koalitionsvertrag solle mit dem Kohleausstieg auch die Förderung der erneuerbaren Energien auslaufen. Differenzverträge würden „dieses Vorhaben torpedieren und faktisch langfristig Staatspreise“ festlegen. „Wir müssen flexible Stromtarife und netzdienliches Verhalten stärken, anstatt staatliche Einheitspreise festzulegen“, sagt der Abgeordnete aus Hamburg. „Die EU und auch die Grünen, die mehrfach versucht haben, CfDs einzuführen, sollten nicht aus ideologischen Gründen eine widersprüchliche und wettbewerbsschädigende Energiepolitik betreiben.“ Nötig seien „mehr Markt“ und „mehr Flexibilität bei den Preisen.“

Streit auch bei Wasserstoff und in der Atomfrage

Kruses Kritik zeigt ein weiteres Mal, wie FDP und Grüne sich bei der Energiepolitik innerhalb der Bundesregierung beharken und wie die FDP versucht, ihr Profil zu schärfen. So sperrt sich die FDP auch gegen die Überlegungen in Robert Habecks Wirtschaftsministerium, den Aufbau eines Wasserstoffnetzes vor allem über den Staatskonzern Sefe, früher: Gazprom Germania, staatlich zu steuern, und auch bei der Atomkraft hat die FPD sich gegen die Grünen positioniert: Sie dringt auf längere Laufzeiten für die drei am Netz verbliebenen deutschen Kernkraftwerke. Die sollen, das ist die derzeitige Gesetzeslage, am 15. April endgültig abgeschaltet werden.

Lesen Sie auch: Fracking im eigenen Land gilt den Grünen noch als tabu. Hier lesen Sie, warum es Sinn ergibt, diesen Schatz in Deutschland zu heben.

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